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51 Stunden auf der FluchtKölner Kanzlei nimmt ukrainische Waisenkinder auf

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Valentyna Ionova (5.v.l., hinten) Oleksandr Kapuza (4.v.l., hinten), Schwiegersohn Viacheslav und Frau Irina (l. und 2.vl., hinten) und die Pflegekinder

Köln – Der Angriff Russlands auf die Ukraine vor sieben Wochen hat das Leben von Millionen Ukrainer aus der Bahn geworfen. Betroffen sind auch zahlreiche Kinder und Jugendliche, deren Leben sich schlagartig änderte. Valentyna Ionova, Oleksandr Kapuza und ihre zehn Pflegekinder haben vor fünf Wochen ihre Heimatstadt Dnipro verlassen und sind nach tagelanger Flucht nach Köln gekommen. Obdach haben sie in den Räumen der Kölner Rechtsanwaltskanzlei Kinast an deren Hauptsitz am Friesenplatz bekommen.

Seit 1988 kümmert sich Ionova in der ukrainischen Metropole Dnipro als professionelle Pflegemutter um Kinder, die keine eigenen Eltern mehr haben. Damals hatte sie sich auf ein Inserat in einer Zeitung um den Job beworben und wurde angenommen. Mehr als 60 Mädchen und Jungen hat sie bislang ein Heim geboten. „Ich kann es mir gar nicht vorstellen, wie ein Kind ohne Familie aufwachsen kann“, sagt sie. Von der Stadt wird sie für ihr Engagement bezahlt, anfangs nicht sonderlich gut. Mittlerweile gelten die Pflegefamilien in der Ukraine aber als bessere Alternative zu den großen Waisenhäusern.

Täglich heulten die Sirenen

Als Ionova, Kapuza und die Kinder am 24. Februar aufwachten, war die Welt eine andere. Russland hatte in der Nacht die Ukraine angegriffen. Ionova hatte Panik, dass Bomben auch auf Dnipro fallen könnten. „Wir wussten nicht, was wir machen sollten.“ Binnen weniger Tage verschwanden die Lebensmittel aus den Läden, wurde Brot rationiert. Vor den Geldautomaten und Apotheken bildeten sich lange Schlangen, Medikamente wurden knapp. Die Sirenen warnten so oft vor Luftangriffen, dass sie bald zum Alltag gehörten. Im Keller hatte Ionova Matratzen und Decken verstaut und so viele Konserven und Einmachgläser, dass „wir ein halbes Jahr dort hätten leben können“.

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Trotz allem wäre Ionova wohl nicht aus Dnipro geflohen. „Ich habe mein ganzes Leben dort verbracht, ich konnte nicht alles hinter mir lassen.“ Am Ende überwog aber die Sorge um die Kinder, daher bereiteten sie sich auf die Flucht vor. Am 8. März erhielten sie mitten in der Nacht einen Anruf von freiwilligen Helfern einer Organisation, dass sie am nächsten Morgen per Zug evakuiert werde können. Ionova, drei Pflegekinder, die Schwiegertochter Irina mit ihren beiden leiblichen Kindern packten ihre Sachen. Die restlichen Kinder befanden sich auf einer Kur im Westen und Süden des Landes.

Odyssee nach Köln

Die Flucht begann am nächsten Morgen. Tagelang waren Kinder und Erwachsene unterwegs, bis sie in Köln ankamen. Allein die Zugfahrt ins westukrainische Lviv dauerte 24 Stunden. Dort saßen sie in einem Waggon dicht gedrängt zusammen mit 250 anderen Menschen. Mit dem Bus ging es weiter nach Polen, ins tschechische Prag und schließlich nach Deutschland, wo drei von Ionovas erwachsenen Kindern leben, darunter Tochter Svitlana Rosen, die das Gespräch übersetzt. Deren Mann holte Kinder und Erwachsene schließlich ab und brachte sie nach Köln.

Spenden

Die Kanzlei sammelt unter dem Titel „Kanzleien4Kids“ Spenden für die Organisationen Save the Children und die SOS Kinderdörfer. Beide haben eigene Aktionen für ukrainische Waisenkinder aufgesetzt, die mit direkten Spenden gefördert werden können. Dazu will die Kanzleibelegschaft ihre persönlichen Kontakte in die Rechtsberatungsbranche nutzen und individuell ansprechen. Weitere Informationen gibt es im Internet. (ris)spenden.savethechildren.de/index.php?id=218&cfd=hfywj

Das neue Leben der Pflegefamilie begann in der Rodenkirchener Wohnung von Ionovas Tochter Svitlana. Weil die Wohnung für so viele Menschen natürlich viel zu klein war, erkundigte sich die Familie schnell nach Alternativen. Über Arbeitskollegen ihres Mannes, der beim Unternehmen Warner Brothers arbeitet, kam der Kontakt zur Rechtsanwaltskanzlei Kinast zustande. Die Advokaten betreiben am Friesenplatz ihre Kanzlei und konnten dort eine Etage des Gebäudes für die Pflegefamilie zur Verfügung stellen. „Das Angebot kam über 17 Ecken zu uns“, sagt Isabel Kinast, Notfallpsychologin und Frau des Rechtsanwalts Karsten Kinast. Schnell wurden über Kollegen Decken, Betten und weitere Dinge besorgt, um der Pflegefamilie einen guten Start in Köln zu ermöglichen.

Kinder malen Panzer

Ein Problem blieb: Die restlichen Kinder befanden sich noch in der Ukraine. Kapuza, der auch im Land geblieben war, organisierte eine Fahrerin, der es gelang, zwischen den Frontlinien im Süden hindurchzukommen und die Kinder ins zentralukrainische Dnipro zu bringen. Die Nachhut, mit Kapuza, Schwiegersohn Viacheslav Ionov sowie sieben Pflegekinder und ein ehemaliges und nun erwachsenes Pflegekind, traf in der vergangenen Woche in Köln ein, nachdem die Malteser sie aus dem polnischen Breslau abgeholt hatten. Kapuza der zuerst das Land nicht verlassen wollte, ließ sich am Ende überreden ebenfalls zu fliehen, weil er als Pflegevater für die Kinder immens wichtig ist.

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Ihre Plüchtiere haben die Kinder aus der Ukraine mitgebracht.

Nun wartet der Alltag in Köln auf Kinder und Betreuer. Gegen 12.30 Uhr machen sich die Kinder bereit, um ihren Sprachkurs zu besuchen. Täglich von 13 bis 16 Uhr pauken sie die deutsche Sprache an der Rheinischen Fachhochschule. Angemeldet für Kindertagesstätten und Schulen sind sie noch nicht. Dafür erhalten sie digitalen Unterricht aus der Ukraine. Spurlos sind die Tage des Krieges und der Flucht nicht an ihnen vorbeigegangen. Sie malen Bilder“, sagt Ionova, „auf denen Panzer, Flugzeuge und Fallschirmjäger zu sehen sind.“ Manche seien aggressiver als sonst, andere fühlten sich verloren. Insgesamt aber hätten sie das Vertrauen darauf, dass die Erwachsenen die Situation für sie meistern würden.