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Ukrainische GeflüchteteFreiwillige Helfer am Kölner Hauptbahnhof geraten an ihr Limit

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Malte Petrikat vom Verein Freunde der Kölner Straße und ihrer Bewohner

Köln – Auch drei Wochen nachdem Russland die Ukraine angegriffen hat, kommen Dutzende Flüchtlinge am Kölner Hauptbahnhof an. Viele sind müde und erschöpft, haben Angst um ihre Angehörigen, die noch in der Ukraine ausharren müssen. Die Menschen aus dem osteuropäischen Land ruhen sich in der Ankunftsstation am Breslauer Platz bei einem heißen Kaffee aus, stellen sich an der Ausgabe für SIM-Karten an, um mit Angehörigen zu telefonieren, oder lassen sich auf Corona testen. „Die Leute haben alles verloren und wissen nicht, was nun kommt“, sagt Helferin Vita Hofmann, die als Übersetzerin am Breslauer Platz arbeitet.

Ohne die freiwilligen Helfer geht auf dem Breslauer Platz wenig. Sie sorgen für warmes Essen, stellen zahlreiche Übersetzer, die mit den Geflüchteten in auf Ukrainisch oder Russisch sprechen können. Manchmal, wenn es schnell und unbürokratisch gehen muss, haben die Ehrenamtler aus eigener Tasche ein Hotelzimmer oder ein Taxi für eine Fahrt zum Arzt oder ins Hotel bezahlt. „Wir haben auch schon mal Leuten 20 Euro in die Hand gedrückt, wenn es nötig war“, sagt Malte Petrikat vom Verein Freunde der Kölner Straßen und ihrer Bewohner.

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Die Anlaufstelle am Breslauer Platz

Eigentlich kümmert sich der Verein um obdachlose Menschen und betreibt auch den Kältebus für wohnungslose Menschen. Doch nachdem die ersten ukrainischen Flüchtlinge auch nach Köln kamen, war für das Team um Petrikat klar, dass sie sich auch am Hauptbahnhof engagieren und die Mitglieder des deutsch-ukrainischen Vereins Blau-Gelbes Kreuz und des Vereins Seyyah unterstützen mussten.

„In der ersten Nacht lief der Empfang und die Verteilung der ankommenden Menschen aus der Ukraine ausschließlich über uns Ehrenamtler“, sagt Petrikat. Man habe in „Guerilla-Aktionen“ Sandwiches besorgt oder den Flüchtlingen Geld gegeben, damit sie im Bahnhof auf Toilette gehen konnten.

Helfer bezahlen Taxis

Anschließend habe man versucht, die Menschen in Unterkünfte der Stadt zu vermitteln. „Nach jeder Vermittlung lag eine Ungewissheit in der Luft, ob für die nächste ankommende Familie noch ein Zimmer irgendwo frei sein wird, oder ob wir irgendwie sonst eine Lösung finden mussten.“ Viele Helferinnen und Helfer seien bis in die frühen Morgenstunden geblieben. Hilfe habe es von der Deutschen Bahn und der Bahnhofsmission gegeben.

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Übersetzerin Vita Hofmann und Helfer Timo Pashevych

Vor dem Bahnhof stehen Helfer wie Vita Hofmann. Die 38-Jährige ist vor 15 Jahren aus Russland zum Studium nach Deutschland gekommen und unterstützt die freiwilligen Helfer seit zwei Wochen als Übersetzerin. „Ich kann nicht zu Hause bleiben und nichts tun“, sagte sie. Manchmal sei sie bis zu 14 Stunden am Tag vor dem Hauptbahnhof im Einsatz.

Sie hört Geschichten, die sie berühren. Etwa von der älteren Frau, die aus dem umkämpften Kiew geflohen ist und neun Tage lang nach Köln unterwegs war. „Sie machte einen traumatisierten Eindruck, hat mich innig umarmt und wollte nicht mehr loslassen.“

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Dominik Höhn (22) ist eigentlich Pflegeassistent im Severinsklösterchen. In den vergangenen fünf Tagen hat er bis zu zwölf Stunden am Bahnhof ausgeholfen. Heute sind es etwas weniger, weil er später noch Nachtschicht im Krankenhaus hat. Nicht zu helfen, kam für ihn nicht infrage. „Man sollte weniger reden, sondern machen“, sagt er.

Er kann Geschichten von Kinder erzählen, die Bilder malen, auf denen Kampfflugzeuge auf Schiffe schießen. Oder von dem Kind, das auf der Flucht in Polen seine Familie verloren hat und von anderen ukrainischen Flüchtlingen mitgenommen wurde. Ein schöner Moment war, als er an Kinder Überraschungseier verteilen konnte. „Sie sind vor Glück fast geplatzt.“

Vertreter der Stadt Köln seien am 6. März am Hauptbahnhof eingetroffen, so Petrikat. „Am Anfang wurde uns gesagt: Ihr seid wichtig, ihr müsst die Stellung halten, wir brauchen euch.“ Dafür sei versprochen worden, dass die Stadt für warme Mahlzeiten, Hygieneartikel, und Spielzeug für ankommende Kinder sorge. „Dieses Versprechen wurde bis heute nicht eingelöst“, sagt Petrikat.

„Die komplette Versorgung der geflüchteten Menschen vor Ort wird ausschließlich durch Spenden organisiert und finanziert, die Kosten belaufen sich bereits auf mehrere tausend Euro.“ Immerhin liefere die Stadt mittlerweile 1000 Sandwiches am Tag, dazu Wasser und Saft.

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Nun kämen viele freiwillige Helferinnen und Helfer aber an ihre Grenzen. „Viele von uns sind von Frühabends bis Spätmorgens vor Ort, viele von uns schlafen wenig und schlecht“, sagt Petrikat. Auch könne der Verein nicht über Wochen Mahlzeiten und Getränke finanzieren. Die Stadt müsse nun endlich mit eigenen Übersetzern am Breslauer Platz tätig werden und Essen und Getränke finanzieren.

Bei der Stadt sieht man das ein wenig anders. Es habe am 6. März eine Lagebesprechung zwischen Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Kältebus gegeben. „Dort wurde besprochen, die Situation gemeinsam zu bewältigen und die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des Kältebusses in die Feuerwehrstrukturen zu integrieren“, teilt eine Stadtsprecherin mit.

Stadt wiederspricht Vorwürfen

Der Kältebus habe auch die Versorgung der Geflüchteten angesprochen. „Es wurde mitgeteilt, dass es viele Essensspenden gebe. Es wurde sich darauf geeinigt, dass diese Spenden nicht zurückzuweisen und die Versorgung über die Hilfsorganisationen weiterlaufen könne.“ Bei Problemen sollte der Einsatzleiter der Feuerwehr kontaktiert werden, der rund um die Uhr ansprechbar sei.

„In den folgenden Tagen kam keine Anforderung bezüglich Lebensmittel.“ Es seien allerdings Gebrauchsgüter wie Hygieneartikel, Duschgel, Deo, Windeln, Babynahrung, Isomatten als Babykrabbelbereich geordert worden, die dann durch die Feuerwehr beschafft worden seien.

Malte Petrikat weist diese Darstellung allerdings zurück. „Wir wollten nie die Verpflegung auf Dauer sicherstellen.“ Man werde aber die Versorgung nicht einstellen, weil dies zulasten der Gefüchteten gehe.