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AfD-Parteitag und DemonstrationenKöln befindet sich ab sofort im Ausnahmezustand

Lesezeit 5 Minuten
Maritim aus der Luft

Während des AfD-Parteitags dürfen keine zivilen Flugzeuge, Hubschrauber oder Drohnen über dem Hotel Maritim (vorn links) fliegen.

Köln – In der Innenstadt herrscht ab Freitagabend Ausnahmezustand. Mehr als 50 000 Demonstranten werden erwartet, 4000 Polizisten sichern den Kernbereich um das Hotel Maritim, in dem die Alternative für Deutschland (AfD) am Samstag und Sonntag ihren Bundesparteitag abhält.

Hier geht es zum Liveticker zum AfD-Parteitag.

Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wo finden am Samstag Proteste statt?

Zentraler Ort der Proteste gegen den Parteitag ist der Heumarkt (siehe Grafik). Das Bündnis „Köln gegen Rechts“ erwartet dort ab dem frühen Morgen etwa 15 000 Teilnehmer, einige von ihnen gehen auf Sternmärschen zur Kundgebung. Nach einem Frühstück wollen sie den Parteitag blockieren, später durch die Stadt ziehen. „Köln stellt sich quer“ demonstriert mit bis zu 30 000 Teilnehmern ab 12 Uhr auf dem Heumarkt, auch der Alter Markt wird genutzt. Danach geht es ab 14 Uhr auf einen Demonstrationszug durch die Innenstadt.

Die Polizei war am Donnerstag bereits vor dem Kölner Maritim-Hotel postiert.

Die Initiative „Frauen in Bunt“ hat zudem eine Standkundgebung am Reiterdenkmal auf dem Heumarkt angemeldet. Ab 11 Uhr ziehen Gastronomen und Künstler der Südstadt unter dem Motto „Bunt statt Bla“ in einer bunten Parade mit viel Musik vom Chlodwigplatz bis zum Heumarkt. Das Festkomitee Kölner Karneval hat für den Nachmittag ein umfangreiches Programm im Grüngürtel zusammengestellt.

Hier eine Übersicht, wo welche Bündnisse demonstrieren.

Wie sieht das Programm auf dem Heumarkt aus?

Ab 12 Uhr sprechen unter anderem Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), Cem Özdemir (Grüne) und Pfarrer Franz Meurer. Das Programm wird auch auf den Alter Markt übertragen.

Wie beteiligt sich das Festkomitee Kölner Karneval?

Kabarettisten, Musiker und Redner treten ab 14 Uhr im Grüngürtel auf. Die Bläck Fööss, Höhner, Björn Heuser, Dave Davis und viele weitere Kölner Künstler sind vertreten. Bettina Böttinger moderiert die Veranstaltung.

Warum befürchtet die Polizei Ausschreitungen?

Unter anderem wegen Aufrufen im Internet aus der linksextremen Szene, so wie diese: „Kommt alle nach Köln. Es wird unser Fest und deren Hölle. Last Call: Feuer statt Konfetti“ oder „Wir rufen dazu auf, den AfD-Wahlkampf zu sabotieren und den AfD-Bundesparteitag in Köln anzugreifen.“ Auf einer Internetseite, auf die sich auch Polizeipräsident Jürgen Mathies bezieht, ist neben den genannten Zitaten auch ein Foto zu sehen, das Vermummte neben einer Straßenblockade aus brennenden Mülltonnen und Toilettenhäuschen zeigt – womöglich aufgenommen in Frankfurt 2015. Mathies sagt, seine Behörde habe zudem „konkrete Erkenntnisse“, wonach Linksextreme in Köln Rache üben wollten für den Polizeieinsatz beim AfD-Parteitag 2016 in Stuttgart.

Wie konkret ist die Gefahr?

Das lässt sich schwer einschätzen. Das Bündnis „Köln gegen Rechts“ und die Antifa Köln versichern, sie hätten keine Hinweise darauf, dass Menschen nach Köln kämen, um Gewalt auszuüben. Und: Von den Demonstrationen gehe keine Eskalation aus. Bei der Polizei klingt das anders. Mathies sagte zwar, er sei sich „sehr bewusst“, dass Tausende friedlich demonstrieren wollen, er betonte aber auch erneut: „Wir machen uns große Sorgen.“ Erwartet würden auch tausende Linksextremisten, darunter mehrere hundert gewaltbereite.

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Der AfD-Parteitag schlägt seit Wochen hohe Wellen. Für Samstag haben sich mehr als 50.000 Demonstranten angekündigt. Die Polizei ist mit knapp 4000 Beamten vor Ort.

Lässt sich die abstrakte Gefahr auf bestimmte Orte oder Zeitpunkte eingrenzen?

Auch das ist kaum vorhersehbar. Linke Gruppen rufen zu Straßenblockaden auf mit dem Ziel, den Parteitag zu verhindern, also die Anreise der AfD-Abgeordneten zum Maritim zu behindern. Denkbar sind solche Blockaden in der Nacht zum Samstag oder am Samstagmorgen. Die Polizei hat angekündigt, dass sie gegen Straßenblockaden vorgehen werde. Ab zwölf Uhr nutzt dann das Bündnis „Köln stellt sich quer“ den Heumarkt. Dessen Sprecher Jörg Detjen sagt: „Der Heumarkt wird der sicherste Ort in ganz Köln sein.“

Sind Straßenblockaden denn in jedem Fall illegal?

Eine grundsätzliche Aussage darüber sei nicht möglich, sagt eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts Köln. Es komme auf den Einzelfall an. Blockaden können unter Umständen zulässig sein, etwa wenn sie nur symbolisch wirken sollen, angemeldet oder nur von kurzer Dauer sind. Linke Bündnisse sprechen von zivilem Ungehorsam – „verniedlichend und bagatellisierend“ klinge das, sagt dagegen die Polizei und warnt: Verhinderungsblockaden seien rechtlich nicht zulässig. Wer sich daran beteilige, begehe eine Straftat.

Die Polizei werde auch nicht akzeptieren, wenn Demonstranten versuchten, Absperrungen zu überwinden. Man werde „gegen jede Form von Gewalt gegen Personen oder Sachen entschlossen vorgehen“, kündigte Mathies an. Er wiederholte seine Bitte „an die zigtausend friedlichen Versammlungsteilnehmer“, sich räumlich und inhaltlich von Gewalttätern zu distanzieren und sich nicht von ihnen instrumentalisieren zu lassen.

Wie bewertet die Polizei das Bekennerschreiben nach dem Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus, wonach in Köln „buntes Blut“ fließen werde?

Noch sei unklar, wer das Schreiben verfasst habe, sagte Mathies. Spekuliert wird über einen Absender aus dem rechtsextremen Spektrum. Die Anschlagsgefahr werde durch den Brief aber nicht weiter gesteigert, betonte Mathies. Im Rhein-Energie-Stadion sind am Samstag Rucksäcke verboten.

Wie kann man sich am Samstag über den aktuellen Verlauf der Demos erkundigen?

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ bietet ab sieben Uhr morgens einen Liveticker an.

Verkehrsbehinderungen, Komplettsperrungen, Geschäftsschließungen

Maritim aus der Luft

Während des AfD-Parteitags dürfen keine zivilen Flugzeuge, Hubschrauber oder Drohnen über dem Hotel Maritim (vorn links) fliegen.

Wer am Samstag in die Innenstadt möchte, muss sich auf erhebliche Verkehrsstörungen einstellen. Das gilt vor allem für Autofahrer und KVB-Fahrgäste, aber auch für Radfahrer und Fußgänger. Problematisch ist der gesamte Bereich zwischen dem Ubierring im Süden und dem Theodor-Heuss-Ring im Norden sowie in der Ost-West-Ausrichtung zwischen dem Gotenring in Deutz und dem Grüngürtel an der Inneren Kanalstraße.

Der Bereich rund um das Maritim, inklusive der Deutzer Brücke, des Rheinufertunnels und des Rheinufers wird laut Polizei womöglich schon am Freitag, definitiv aber am frühen Samstagmorgen für Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer komplett gesperrt – nur Anwohner dürfen sich in dieser Zone bewegen.

Die Stadt hat Halteverbote eingerichtet, ebenso wie in den Straßen entlang der Aufzugsstrecke zwischen Heumarkt und Ringen. Abhängig vom Demonstrationsgeschehen könnten am Samstag auch noch weitere Straßen spontan gesperrt werden, warnt die Stadt.

Beeinträchtigungen von Bus und Bahn

Bei der KVB sind die Stadtbahn-Linien 1, 5, 7 und 9 sowie die Bus-Linien 106, 132, 133, 136 und 146 betroffen. Die Sperrung der Deutzer Brücke spätestens am Samstag ab sieben Uhr gilt auch für Straßenbahnen. Auch bei der KVB kann es je nach Demonstrationsverlauf kurzfristig weitere Fahrplanänderungen geben.

Die großen Kaufhäuser und Filialistenläden in der Innenstadt haben normal geöffnet, manche Einzelhändler halten ihre Läden am Samstag aber geschlossen. Die Philharmonie teilt mit, dass das Konzert mit Dirigent René Jacobs am Samstag um 19 Uhr wie geplant stattfinden wird.