Mehr Zeit für Kinder gleich weniger Unterhalt: Die Pläne der Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sorgen unter alleinerziehenden Eltern für Empörung. Und viele fragen sich: Was genau hat das mit der Realität zu tun?
Wir haben drei Alleinerziehende aus Köln getroffen. In sehr offenen Gesprächen erzählen sie, wie sie sich mit ihren Ex-Partner arrangiert haben und warum es oft hinten und vorne nicht mit dem Geld reicht.
Köln – Wenn es um die Erfassung von Familienrealitäten geht, kann man nur sagen: komplex. Wenn Familienministerin Franziska Giffey (SPD) das Unterhaltsrecht „der gesellschaftlichen Realität anpassen“ will, kann man nur sagen: Na dann viel Spaß. Wenn ihr dabei als erstes der Gedanke kommt, in der Erziehung engagierte Väter bei getrennten Paaren besserzustellen, ist das für die Väter schön. Aber was ist mit der Realität? Unsere Autorin Petra Pluwatsch hat Alleinerziehende getroffen und sie gefragt, wie sie es geschafft haben, die emotional und nicht zuletzt finanziell schwierige Zeit zu überstehen.
„Der Mindestunterhalt drückt mich unter Hartz-IV-Niveau. Das ist ungerecht“
Philipp Schreier (32, Doktorand) zahlt 370 Euro Mindestunterhalt für seine Tochter.
Als unsere Tochter geboren wurde, war ich 19 Jahre alt. Meine damalige Freundin war 20. Sie hat das alleinige Sorgerecht für unser Kind. Wir steckten beide mitten in der Ausbildung. Ich hatte gerade mein Jurastudium begonnen, meine Freundin machte ein Praktikum in einer Schreinerei und wollte anschließend an der FH studieren.
Anlaufstelle für Information und Austausch:Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. Landesverband Nordrhein-Westfalen,Rellinghauser Str. 18, 45128 Essen,Telefon: 0201/8277470, www.vamv-nrw.deEs gibt Ortsverbände u.a. in Aachen, Bonn, Düsseldorf und Essen.
Übersicht über Adressen und Anlaufstellen für Alleinerziehende in Köln:www.singlemama.de
Anfangs lief es ganz gut. Wir wohnten bei ihren Eltern, und wenn wir beide gleichzeitig eine Veranstaltung hatten, passten Oma und Opa auf die Kleine auf. Als sie drei war, zogen wir in ein kleines Haus in der direkten Nachbarschaft. Unsere Tochter ging inzwischen in die Kita, und ich arbeitete viel zu Hause und konnte mich um sie kümmern. Doch unsere Beziehung lief inzwischen nicht mehr gut, und ein Jahr später trennten wir uns. Das war 2009.
Meine Ex-Freundin fand schnell einen neuen Partner. Inzwischen ist sie verheiratet und hat im vergangenen Jahr ein zweites Kind bekommen. Unsere Tochter lebt bei ihr und verbringt jedes Wochenende einen Tag bei mir. Manchmal übernachtet sie auch hier. Jetzt, wo sie größer ist, hat sie allerdings häufig etwas Wichtigeres zu tun, als ihren Vater zu besuchen.
Ich bin damals zunächst zurück zu meinen Eltern und anschließend in eine Studenten-WG gezogen. Mein Vater übernahm die Unterhaltszahlungen von 200 Euro. Ich legte noch 50 Euro von meinem Studentenjob drauf. Heute lebe ich mit meiner neuen Partnerin und unserer gemeinsamen eineinhalbjährigen Tochter in einer Eigentumswohnung meiner Eltern. Wir müssen also keine Miete zahlen. Trotzdem ist es finanziell sehr knapp.
Die Ex-Freundin verdient mehr
Ich habe vor zweieinhalb Jahren, nach einem Studienwechsel, mit meiner Promotion in Physik begonnen und bekomme ein halbes Doktorandengehalt. Davon zahle ich den Mindestunterhalt von 370 Euro im Monat. Meine neue Partnerin arbeitet aus gesundheitlichen Gründen nicht.
Wir leben also zu dritt von dem, was nach Abzug des Unterhalts von meinem halben Gehalt übrigbleibt. Viel ist das nicht. Kürzlich ist mein Computer kaputtgegangen. Das Geld für die Reparatur musste ich mir von meinen Eltern leihen. Mein Gehalt reicht zwar für den täglichen Bedarf. Für Sonderausgaben bleibt nichts übrig. Meiner Tochter dagegen stehen einschließlich Kindergeld monatlich 570 Euro zur Verfügung. Von meinem Geld wird also fast die gesamte Lebensführung des Kindes bezahlt. Meine Ex-Freundin geht inzwischen wieder Vollzeit arbeiten und verdient mehr als ich. Die Familie fährt dreimal im Jahr in Urlaub, während ich mir gerade mal ein paar Tage in der Ferienwohnung meiner Eltern leisten kann. All das empfinde ich als ein ziemliches Ungleichgewicht.
Ich habe versucht, den Unterhalt zu reduzieren, doch meine Ex-Partnerin hat sich an das Jugendamt gewandt. Dort sagte man mir, ich müsse den Mindestsatz zahlen, und wenn ich das nicht könne, müsse ich meine Promotion abbrechen und mir eine besser bezahlte Arbeit suchen. Ich finde es ungerecht, dass der Mindestunterhalt so hoch ist, dass er mich unter Hartz-4-Niveau drückt. Generell empfinde ich die Düsseldorfer Tabelle als sehr ungerecht. Natürlich gibt es Mütter, die zwingend auf Unterhaltszahlungen in dieser Höhe angewiesen sind. Doch warum muss ich so viel zahlen, obwohl meine Ex-Partnerin einen Fulltime-Job hat und das Geld offensichtlich nicht braucht? Ich hoffe auf eine Reform des Unterhaltsrechts. Mir würde schon helfen, wenn ich im Monat 50 Euro weniger zahlen müsste als bisher.
„Durch meinen Sohn bin ich ein ganz anderer Mensch geworden“
Maria Chiara di Caro (20 Jahre, Hausfrau) hat große Pläne: Sie will ihr Abitur nachmachen.
Ich heiße Maria Chiara und bin 20 Jahre alt. Ich habe einen kleinen Sohn, der ist eineinhalb und heißt Diego. Wir wohnen zusammen mit zwei Katzen in einer Zweizimmerwohnung. Ich bin hauptsächlich Hausfrau, mache aber ein Fernstudium zur veganen Ernährungsberaterin. Ich habe die Mittlere Reife und will ab August mein Abitur nachmachen. Es gibt eine Klasse für Menschen wie mich, die Kinder haben oder ihre Angehörigen pflegen. Deswegen geht der Unterricht nur bis mittags. Das alles wird nicht einfach werden, aber ich habe mir vorgenommen, das Abitur zu schaffen und wenn ich mir etwas vornehme, dann ziehe ich das auch durch.
Als ich schwanger wurde, war ich 18, und 19, als Diego zur Welt kam. Meine Ausbildung zur Kinderpflegerin musste ich wegen der Schwangerschaft abbrechen. Aber ich hatte ohnehin gemerkt, dass das nicht der richtige Beruf für mich war, und habe nach der Geburt nicht weitergemacht. Mit Diegos Vater haben wir noch Kontakt. Er kommt uns zweimal in der Woche für ein paar Stunden besuchen. Er ist so alt wie ich und muss noch ein bisschen mit allem klarkommen. Er tut sich auf jeden Fall schwerer als ich mit der Situation. Er hatte sich das Leben mit einem Kind wohl leichter vorgestellt. Wir haben eine Weile zusammen gewohnt, aber er ist ausgezogen, als der Kleine fünf Monate alt war. Er hatte sich in eine andere Frau verliebt, mit der er heute noch zusammen ist. Im Endeffekt bin ich froh darüber. Ich bin durch meinen Sohn ein ganz anderer Mensch geworden. Früher hatte ich nur Party im Kopf. Heute bin ich viel reifer, und er hätte ohnehin nicht mehr zu mir gepasst.
Diegos Vater ist mir eine kleine Stütze, wenn ich einmal etwas Ruhe und Zeit für mich selber brauche. Eine sehr viel größere Stütze allerdings sind meine Eltern, die direkt nebenan wohnen. Sie sind immer da, wenn ich sie brauche. Er kommt nur, wenn es gerade passt. Freitag sieht er den Kleinen zwei Stunden. Meist kommt er zu uns in die Wohnung. Und sonntags nimmt er ihn fünf, sechs Stunden. Wir haben auch schon versucht, Diego bei ihm übernachten zu lassen, aber das klappt noch nicht so gut. Ich würde das trotzdem gern weiter probieren. Es würde die Bindung zwischen den beiden stärken, und ich hätte dann auch mal ein bisschen Ruhe.
Finanziell ist es sehr eng
Ich glaube, dass Diegos Vater aufgrund seines Alters noch das nötige Verantwortungsgefühl für ein Kind fehlt. Er freut sich zwar, wenn er seinen Sohn sieht, aber wie stark die Bindung zu ihm ist, kann ich nicht sagen. Diego hat ihn auf jeden Fall gern.
Finanziell ist es sehr eng. Als mein Ex-Freund noch bei uns wohnte, bekamen wir beide Unterstützung vom Jobcenter und haben locker alles geschafft. Seit seinem Auszug habe ich deutlich weniger Geld, und manchmal ist schon eine Woche vor Monatsende nichts mehr da. Was auch daran liegt, dass ich mein Fernstudium selber zahlen muss. Von Diegos Vater kommt leider gar nichts. Ich kann ihm das nicht einmal vorwerfen. Er ist in der Ausbildung und hat selber wenig Geld. Mir geht es auch gar nicht darum, ob er zahlt oder nicht. Ich möchte, dass er mir im Alltag unter die Arme greift und mehr an den Kleinen denkt. Dass er kommt und mir hilft, wenn Diego krank ist. Ich habe ganz oft das Gefühl, dass ich in solchen Situationen allein dastehe. Wenn ich versuche, mit ihm darüber zu reden, sagt er nur, ich solle mich mal beruhigen. Es sei nicht seine Absicht, dass ich mich allein fühle. Er möchte ja für den Kleinen da sein, aber er habe halt selber viel um die Ohren.
Generell wünsche ich mir mehr Verständnis für alleinerziehende Mütter. Viele unterschätzen die Belastung, wenn man allein für alles verantwortlich ist. Aber es ist schon super, dass es überall Gruppen für Alleinerziehende gibt, wo man sich mit Frauen austauschen kann, denen es genauso geht.
Mein Traum ist, mich irgendwann als Ernährungsberaterin selbstständig zu machen. Aber jetzt mache ich erst mal mein Abitur, damit mir später mehr Türen offenstehen. Das dauert dreieinhalb Jahre. Eventuell werde ich anschließend noch Ernährungswissenschaften studieren.
„Ich wollte mich nach der Trennung weiterhin einbringen“
Chris Gärtner (52, Sozialpädagoge) war von Anfang an ein aktiver Vater. Seine Ex-Partnerin und er leben das Wechselmodell.
Als es zu kriseln begann, haben wir noch versucht, unsere Beziehung zu retten, und eine Paartherapie gemacht. Aber es hat nichts genützt. Irgendwann war klar, dass wir uns trennen werden. Das war 2012 . Wir haben uns dann für das Wechselmodell entschieden. Die Kinder verbringen also gleich viel Zeit bei mir und bei meiner Ex-Partnerin. In jeder Wohnung gibt es ein Zimmer für jedes Kind. Ich habe sie am Montag und am Donnerstag, außerdem an jedem zweiten Wochenende. Der Freitag wechselt, je nachdem, bei wem die Kinder das Wochenende verbringen.
Bisher funktioniert das sehr gut. Vor allem meiner zehnjährigen Tochter gefallen diese wechselnden Wochenenden, an denen sie mal etwas mit mir, mal etwas mit ihrer Mutter unternehmen kann. Sie und ich basteln viel gemeinsam, und sie legt großen Wert darauf, alle 14 Tage mit mir an unseren Projekten weiterzuarbeiten.
Bei meinem Sohn liegt die Sache ein bisschen anders. Der ist mit seinen 14 Jahren schon sehr selbstständig. Er verbringt viel Zeit mit den Pfadfindern, und eine Freundin hat er auch schon. Wenn ich am Wochenende bei meiner neuen Partnerin bin, nutzt er meine Wohnung gern als sturmfreie Bude. Seine Mutter und ich nehmen das mit einem Augenzwinkern hin. Es ist seine Art, mit der Situation umzugehen.
Die Kosten gleichen sich aus
Auch das Finanzielle wird geteilt, obwohl meine Ex-Partnerin als Ärztin mehr verdient als ich. Dafür habe ich unsere ehemalige gemeinsame Wohnung behalten und zahle weniger Miete als sie. Anfangs haben wir streng darauf geachtet, dass jeder die Kosten für ein Kind übernimmt: Schulgeld, Schulessen, Kleidung. Vor allem bei der Kleidung sehen wir das inzwischen nicht mehr so eng, achten allerdings darauf, dass sich die Kosten ausgleichen. Ich bin für den Großen zuständig, sie für die Kleine. Außerdem bezahlt jeder das, was anfällt, wenn die Kinder bei ihm sind.
Für meine Ex-Partnerin und mich war das Wechselmodell eine logische Folge unseres bisherigen Lebensstils. Wir haben uns auch vorher schon die Betreuung der Kinder geteilt. Mir war von Anfang an wichtig, ein aktiver, ein anwesender Vater zu sein. Ich war bei den Geburten dabei und habe Elternzeit genommen. Auch nach unserer Trennung wollte ich mich weiterhin einbringen. Die Kinder lieben mich, und ich liebe die Kinder. Meine Ex-Partnerin sah das genauso – trotz aller Schwierigkeiten, die wir in unserer Paarbeziehung hatten.
Also haben wir versucht, eine Lösung zu finden, die es uns ermöglichte, uns beide um die Kinder zu kümmern. Wichtig ist, zwischen dem Scheitern der Partnerschaft und der gemeinsamen Verantwortung als Eltern zu unterscheiden. Uns ist das zum Glück gelungen. Zum Wohl unserer Kinder.