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Kölner AltstadtDie Kirche Groß St. Martin wird saniert – Versprochenes anderes Projekt gestrichen

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12.11.2024, Köln: Die Kirche Groß St. Martin soll saniert werden. Foto: Uwe Weiser

Der markante Kirchturm von Groß St. Martin ist ein Wahrzeichen der Kölner Altstadt.

Das Bauwerk prägt seit Jahrhunderten das Stadtpanorama neben dem Dom – und befindet sich in keinem guten Zustand.

Fassade und Dach eines der bekanntesten Gotteshäuser Kölns, der romanischen Kirche Groß St. Martin, müssen in den kommenden Jahren aufwendig saniert werden. Diese Nachricht versteckte das Kölner Erzbistum vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung, in der sie zuvorderst verkündete, der lange geplante Neubau einer Vorhalle zu Groß St. Martin könne nicht realisiert werden.

Die personellen und finanziellen Ressourcen, so das Erzbistum, müssten in den kommenden Jahren auf die „dringend anstehenden Instandsetzungsarbeiten“ an der Kirche konzentriert werden. Die Vorhalle hat daher das Nachsehen. Das Erzbistum sprach in seiner Mitteilung von „neueren Erkenntnissen zum Erhaltungszustand der Kirche, insbesondere im Bereich der Natursteinfassade und des Schieferdachs“. Es müssten „zwingend notwendige konservatorische Maßnahmen an dem stadtbildprägenden Sakralbau“ vorgenommen werden. Die Arbeiten würden sich voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen und einen „höheren Millionenbetrag“ kosten.

12.11.2024, Köln: Die Kirche Groß St. Martin soll saniert werden. Foto: Uwe Weiser

Fassade und Dach der Kirche weisen Schäden auf. Welchen Umfang sie haben, ist aktuell noch unklar.

Wie umfangreich die Schäden genau sind, worin sie bestehen, wie sie aufgefallen sind, wann Sanierungsarbeiten beginnen können, wie lange sie voraussichtlich dauern und wie teuer sie werden – das alles bleibt bislang unklar. Entsprechende Details konnte das Erzbistum am Dienstag auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht nennen.

Groß St. Martin in Köln: Bau der Vorhalle war geplant

Als am Dienstag der Förderverein Romanische Kirchen Köln sein neues Jahrbuch „Colonia Romanica“ präsentierte, stand die Entscheidung des Erzbistums, den geplanten Bau der Vorhalle von Groß St. Martin nicht zu realisieren, im Mittelpunkt. Aus gutem Grund war als Ort der Buchvorstellung Groß St. Martin gewählt worden – denn gleich drei der sieben Beiträge des Bands befassen sich mit der Vorhalle, für deren Neubau sich der Verein starkmacht. Das Cover zeigt den Entwurf des Architekturbüros Duda, den 2018 eine Wettbewerbsjury als besten ausgewählt hat.

Weil an der Präsentation auch Gabriele Oepen-Domschky, Geschäftsführerin des Vereins, und Claus Bachem, in dessen Verlag das Buch erschienen ist, teilnahmen, formulierte Vereinsvorsitzender Helmut Loggen im Plural, als er sagte: „Es stellt sich für uns die Frage, ob das zusammenpasst: eine Publikation zu einer Baumaßnahme, die nicht umgesetzt wird.“ In jedem Fall würden die Texte zu dem Thema ihren historisch-dokumentarischen Wert behalten. Bachem sagte: „Wir hätten gerne heute die Grundsteinlegung verkündet – ist aber nicht.“

12.11.2024, Köln:  Dr. Helmut Loggen. Die Kirche Groß St. Martin soll saniert werden. Foto: Uwe Weiser

Helmut Loggen, Vorsitzender des Vereins Romanische Kirchen Köln, steht am Dienstag in Groß St. Martin.

Loggen sagte, er wisse seit drei Wochen von der Entscheidung. „Als Förderverein bedauern wir sie außerordentlich“, zugleich „können wir uns den plausiblen Gründen des Erzbistums nicht entziehen.“ Zuletzt waren die voraussichtlichen Baukosten mit 1,9 Millionen Euro beziffert worden; der Förderverein hatte die Zusage gegeben, davon 600.000 Euro zu übernehmen. Vorletzte Woche habe er mit Kardinal Woelki gesprochen, um auszuloten, was der Verein tun könne, damit die Entscheidung noch eine andere Richtung nehme, sagte Loggen. Sie stehe fest, habe der Erzbischof geantwortet.

Zwischen 1240 und 1250 entstand am Westeingang von Groß St. Martin eine erste baulich nachweisbare, zweijochige Vorhalle in romanischen Formen, die bis ins 19. Jahrhundert nahezu unverändert blieb. Es folgten einige Umgestaltungen. Im Zweiten Weltkrieg wurden große Teile der Kirche, die nicht einer Gemeinde, sondern dem Erzbistum gehört, zerstört, darunter auch der Vorbau. Im Rahmen des Wiederaufbaus der romanischen Kirchen wurde von 1971 bis 1985 auch die Wiederherstellung der Vorhalle diskutiert. Zum Beispiel schlug der Architekt Joachim Schürmann eine leichte Stahlkonstruktion vor. Daraus wurde nichts.

Groß St. Martin: Förderverein setzt sich für Westvorhalle ein

Seit rund 50 Jahren erfolgt der Zugang in die Martinskirche, in der seit 2009 die Monastische Gemeinschaft der Schwestern von Jerusalem beheimatet ist, „über einen modernen, aber unzureichenden, beengten Seiteneingang an der Südseite“, schreibt der frühere Erzdiözesanbaumeister und -konservator Martin Struck in seinem Beitrag für das Jahrbuch. Ein Nachteil: Wer durch diesen Eingang oder durch die „Schlupftür“ im Westportal eintritt, gerät sehr nah an den für die Liturgie genutzten Bereich.

Seit etwa 15 Jahren arbeitet der Förderverein daran, dass Groß St. Marin wieder eine Westvorhalle bekommt. Gedacht ist er als „Schwellenraum“, der unter anderem „die Möglichkeit des Verweilens, des Sich-Sammelns vor Betreten des Kirchenraums“ biete und „die Funktion einer Windschleuse“ habe, hält Struck fest. Nun steht die Verwirklichung in den Sternen.

Das Geld des Erzbistums, das für den Bau der Vorhalle vorgesehen war, werde für die Instandsetzung der Kirche gebraucht. „Selbst wenn wir gesagt hätten, wir legen – um eine spekulative Zahl zu nennen – 200.000 Euro drauf, hätte das nichts geändert“, so Loggen. Er habe Verständnis dafür, dass aus Sicht des Erzbistums die Instandsetzung ein „Must“ sei, der Bau der Vorhalle dagegen ein „Nice-to-have“. Die für das Vorhaben gebildete Rücklage von 600.000 Euro müsse aus steuerlichen Gründen nun aufgelöst werden, weil der Zweck entfallen sei. Ohnehin wolle der Verein künftig seine „Förderpolitik“ umstellen, sich nicht mehr auf „Leuchtturmprojekte“ fokussieren, sondern „in die Breite“ gehen“ zugunsten aller zwölf großen und auch der 13 kleinen romanischen Kirchen Kölns.

Nach dem Aus für die Vorhalle bleibt eine „Fehlstelle an der Westfassade“, wie der Beitrag betitelt ist, den Kölns Stadtkonservator Thomas Werner zum Jahrbuch beigesteuert hat. Die Themen der anderen Beiträge reichen von der untergegangenen Kirche St. Maria ad Gradus bis zum Erwerb mittelalterlicher Tafelbilder in der französischen Zeit.

Colonia Romanica, Band 38, 112 Seiten, 19,59 Euro.