Konzert in KölnAndrea Berg kann die ganz große Show
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Köln – „Rio, New York und Berlin, wenn ich ehrlich bin, da zieht mich nix hin.“ Aus den Lautsprechern perlt ein sanfter Klangteppich auf das Publikum herab, lässt die Gäste der gut gefüllten Lanxess-Arena im Takt der Musik wippen. Und dann: Ein Feuerstoß. Und noch einer, bis sich die Flammensäulen zu einem Spalier für eine der erfolgreichsten deutschen Schlager-Sängerinnen kreuzen.
Erst im vergangenen Jahr zog sich Andrea Berg beim Einsatz der Pyrotechnik auf der Bühne Verbrennungen zu. Doch das scheint längst vergessen. In senkrechten Kaskaden durchzieht der gewaltige Lichterbogen die schwelende Luft und sie, die noch immer Mädchenhafte, taucht im wilden Tanz unter ihm hinweg. Und auf ihrer Kulisse wieder auf.
Mit dem Drachen, auf dessen stacheligem Kopf sie nun Platz genommen hat, hat sich Berg in dieser Etappe ihrer „Seelenbeben“-Tour selbst übertroffen. Oder, besser gesagt, ihr Bühnenchef. DJ Bobo‘s asphaltgraues Ungetüm kann nicht nur selbst Feuer spucken, sondern muss, natürlich, auch dann und wann für die eine oder andere Moderation des Schlagerstars herhalten. „Habt Ihr auch so einen Drachen zu Hause?“
Zuvor, als sie bereits unter stehenden Ovationen die Bühne betrat, war sie die Starke, die gepanzerte Amazone: einen glänzenden Harnisch um die Brust, den leichten Stoff eines roten Kleides um die Beine und ein paar gewaltige feuerrote Flügel auf den Schultern, vor denen jeder Victoria‘s Secret-Engel vor Neid erblasst wäre.
Die ganz große Show, ja, die kann sie. Und die eher kleine? Auch. Mit voranschreitender Zeit ist die geradezu barocke Opulenz ihrer Garderobe einem kleinen, zipfeligen, über und über mit tausenden glitzernden Pailletten besetzten Hauch von Nichts gewichen, das kaum etwas verbergen kann. Oder soll.
Da steht sie also, die Aufreizende, und schafft es, dabei so nahbar und unschuldig zu erscheinen, dass es auch den letzten Inhaber eines Sitzplatz-Tickets nicht mehr auf seinem Stuhl hält. Im Publikum hat die Sängerin nun ein überzeugtes Nicken von einer blonden Mittfünfzigerin erspäht, die gleich darauf fast purpurfarben anläuft und sich, ihres kurzen Ruhms bewusst, aus dem Lichtkegel der Bühne wegduckt.
Andrea Berg, der Profi
Mit der zaghaften Zustimmung hat Berg, der Profi, natürlich gerechnet. „Ah, ich weiß“, lacht sie in die Kamera, „die Sorte kenn‘ ich. Aber die können kein Feuer spucken. Noch nicht mal richtig lügen.“ Und schon setzt sie zum nächsten Lied an, dass, kein Wunder, dieselben Zeilen nun unters rheinische Partyvolk bringt.
Minutiös ist die Show geplant, Berg, die mit bürgerlichem Namen Andrea Ferber heißt, überlässt nichts dem Zufall. Während sie von Liebe, Trauer und dem Verlassen-werden singt und sich und das Auditorium dabei in ein Meer aus Silberglitter und goldenen Luftschlangen hüllt, geben sich koordiniert die Showeinlagen die Klinke in die Hand.
Stippvisite der „Höhner“
Ob eine Tänzerin im funkelnden Schmetterlingskostüm, eine Gruppe Kinder, als orangefarbene Nachwuchsdrachen verkleidet, oder eine kurze Stippvisite der „Höhner“: Jede Bewegung, jeder Lichteffekt sitzt.
Und überspielt so auch den einen oder anderen melodischen Fehlgriff bei bekannten Hits wie „die Gefühle haben Schweigepflicht“. Handyaufnahmen sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Genau wie die Verbreitung auf den sozialen Netzwerken. Das wirkt. Ein Lichtermeer aus Smartphone-Kameras durchzieht nach und nach die Arena. Und während Berg ein Bad im Publikum nimmt und sich mit Patrik und Nils zielsicher das wohl sympathischste Fanpärchen des Abends als Bühnenpartner auswählt, liest das Publikum ihr förmlich die Gefühle von den Lippen.
Von ausgelassenem Lachen bis hin zu Tränen der Rührung – die Sängerin weiß um ihre Wirkung auf die Menschen. Und auch, wo sie gerade aufspielt. Schließlich lässt sie es sich nicht mehr nehmen, holt die Kölner aufs Podest und packt sie bei ihren Kamellen. Erst gibt sie mit den „Höhnern“ Viva Colonia, dann findet sie im Strassglanz ihres Mikrophons ganz leise zu ihren Wurzeln zurück: Denn nicht in Rio, New York oder Berlin, nein. „In Kölle bin ich groß geworden.“