Sie haben von Kunst wenig Ahnung, aber Lust, die Art Cologne zu besuchen? Tragen sich mit dem Gedanken, vielleicht sogar etwas zu kaufen? Unsere Expertinnen und Experten geben Tipps für Laien.
Was ist die richtige Kunst für mich?Antworten auf alles, was Sie auf der Art Cologne nicht zu fragen wagen
Auch wenn der erste Tag der Art Cologne am Donnerstag Sammlern und geladenen Gästen vorbehalten ist – dass die Messe am Freitag, wenn für das breite Publikum geöffnet wird, schon leergekauft sein könnte, steht nicht zu befürchten. 170 Galerien und Händler aus 24 Ländern zeigen bis Sonntag ihr Programm: Die bekannten deutschen Galerien sind vertreten, internationale Player, die großen und weltweit agierenden Kölner Galerien, genauso wie die jüngeren, die in den vergangenen Jahren auch in der internationalen Wahrnehmung an Bedeutung gewonnen haben. Es gibt zwei Sonderschauen, im Sektor Neumarkt versammeln sich 26 junge, innovative Galerien. Kurz: Es gibt tausende Kunstwerke zu sehen – alte Meister und junge Wilde.
Vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen – das kann in den Deutzer Messehallen leicht passieren. Wer oder was hilft bei der Orientierung, wenn man sich selbst nicht richtig traut? Zwei handfeste Tipps kommen vom Art-Cologne-Direktor Daniel Hug: „Besorgen Sie sich ein Tagesticket, es kostet ungefähr so viel wie zwei Kinokarten, aber man kann den ganzen Tag bleiben.“ Und: „Es ist wichtig, bequeme Schuhe zu tragen.“
Sieben Kunst-Profis geben Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Art Cologne: Antonia Nolte ist Sammlerin und Mitglied im „Jungen Ankauf“ der Gesellschaft für Moderne Kunst des Museum Ludwig. Alice Meiré ist Kunsthistorikerin und arbeitet als Art Consult in Köln. Daniel Hug ist Direktor der Art Cologne. Robert Müller-Grünow ist im Vorstand der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig und mitverantwortlich für den „Jungen Ankauf“, Die Galeristen Dennis W. Hochköppeler und Jakob Pürling von der Galerie Drei sowie Eva Donnerhack, Head of Sales in Deutschland und Direktorin am Standort Köln des Auktionshauses Sotheby’s.
Wie geht man über die Messe?
Meiré: Ich möchte animieren, mit offener Haltung auf die Messe zu gehen, mit dem Ziel, einen inspirierenden Tag zu verbringen. Und später reflektieren: Was hat mich berührt? Was hat mich erschüttert? Und was könnte ich mir für mein Future Home vorstellen?
Müller-Grünow: Messen sind toll, um einen großen Überblick zu bekommen und sehr unterschiedliche Arbeiten zu sehen. Sie sind aber auch anstrengend – darum sollte man sich entweder viel Zeit nehmen oder aber sich auf bestimmte Galerien fokussieren, die einen interessieren.
Nolte: Ich lasse mich treiben. Ich rate, nur da stehenzubleiben, wo einem eine Arbeit ins Auge fällt. Dann bittet man die Galerie um mehr Information zum Werk.
Sollten manche Galerien zum Pflichtprogramm gehören?
Meiré: Pflichtprogramm – finde ich schwierig. Aber die Kojen der Global Player wie Ropac, Sprüth Magers, Gisela Capitain, Daniel Buchholz und Max Hetzler sollte man schon ansehen, da sie seit Jahrzehnten auf dem Markt erfolgreich sind.
Spannend finde ich einen Blick auf die Newcomer der Messe zu werfen, wie Galerie Silke Lindner aus New York oder Super Super Markt aus Berlin. Spannend finde ich zudem relativ junge Galerien wie Jan Kaps in Köln, die sich in den letzten zehn Jahren entwickelt haben und die heute jungen Kunstinteressierten Orientierung geben. Ich schaue auf jeden Fall auch bei Gaa, Drei, Ruttkowski;68, Max Mayer und Robert Grunenberg vorbei.
Müller-Grünow: Man sollte sich die Kölner und ex-Kölner Galerien wie Buchholz, Capitain, Nagel Draxler, Thomas Zander, Sprüth Magers oder Max Hetzler nicht entgehen lassen. Und: Unbedingt die jüngeren besuchen, die schon genannt wurden – auch noch Khoshbakht.
Zudem sind im „Neumarkt“ spannende Galerien wie LC Queisser aus Tiflis, Antonia Janizewski aus Berlin oder Deborah Schamoni aus München vertreten. Auch empfehle ich an „unserem“ Stand der Gesellschaft für Moderne Kunst (untere Halle) vorbeizuschauen: Wir zeigen den „Jungen Ankauf“ für das Museum Ludwig, in diesem Jahr ein Gemälde der Kölner Künstlerin Melike Kara.
Gibt es Trends?
Donnerhack: Die Nachfrage nach Gemälden ist nach wie vor hoch. Papierarbeiten und Druckgrafiken verzeichneten eine deutlich gesteigerte Nachfrage.
Müller-Grünow: Von NFTs, Non-Fungible Token, rate ich ab, und wenn nur als Verbriefung eines Eigentums. Ansonsten sehe ich, dass der Wert von lange vernachlässigten Künstlerinnen mit denen von Künstlern gleichzieht.
Hochköppeler und Pürling: Die Natur des Trends ist ihre Kurzlebigkeit. Auf der anderen Seite ist der eigene Geschmack auch nicht für alle Ewigkeit in Stein gemeißelt, sondern bis zu einem bestimmten Grad ebenso wandelbar wie wir alle selbst. Die spannendsten Sammlungen sind für uns jene, die nicht hermetisch sind, sondern von einer gewissen Neugierde und Offenheit zeugen.
Meiré: Während Fotografie und Video an Präsenz verloren haben, hat die Digitalität ihren festen Platz gefunden. Die Malerei, insbesondere die figurative, dominiert weiterhin. Auffällig ist der zunehmende Fokus auf Werke von Künstler*innen mit afroamerikanischem oder indigenem Hintergrund, Female Art und auch queere Kunst.
Hug: Es gibt ein erneutes Interesse an Künstlern, die in den 1960er und 70er Jahren aktiv waren, wie der deutsche Maler Georg Karl Pfahler, der französische Künstler Jean Dewasne. Auch die Malerei der 1980er Jahre ist mit den Künstlern der Mülheimer Freiheit, insbesondere Walter Dahn, wieder aufgetaucht.
Kann man auf der Art Cologne ein Werk für 500 Euro kaufen?
Hug: Ja, der Galerist Rob Tufnell (London) kommt mir in den Sinn, der eine Serie von „LSD Blotter“-Drucken mit mehreren recht bekannten zeitgenössischen Künstlern produziert hat. Auch am Stand der feministischen Initiative „And She Was Like: BÄM!“ werden Arbeiten zum einheitlichen Preis von 400 Euro verkauft.
Meiré: Wenn eine Arbeit begeistert, die man sich nicht leisten kann, erkundigt man sich trotzdem. Viele Galerien haben kleinere Arbeiten zu erschwinglicherem Preis.
Viele scheuen sich, nach dem Preis zu fragen. Zurecht?
Nolte: Die Galeristen freuen sich immer über Menschen, die Interesse an ihren KünstlerInnen zeigen. Hier kann es zu sehr spannenden Gesprächen – auch ohne Kaufimpuls – kommen.
Müller-Grünow: Besser erst nach dem Werk fragen, dann nach dem Preis.
Hug: Die meisten Galerien geben den Preis auf Nachfrage an. Gelegentlich weigern sich die Galerien, einen Preis zu nennen, wenn das Werk verkauft wurde oder wenn es eine lange Warteliste gibt. Wichtig ist, dass Sie kein komisches Gesicht machen, wenn Sie den Preis hören.
Ich hatte schon einen Fall, in dem ein Sammler das Interesse an einem Künstler verlor, weil der Preis zu niedrig war. Und: Wenn keine Kaufabsicht besteht, sollten Sie das Gespräch kurzhalten.
Der Kaufimpuls – zählt Leidenschaft fürs Objekt oder mögliche Wertsteigerung?
Donnerhack: Ganz klar: Die Passion sollte im Fokus des Kaufinteresses stehen. Die emotionale Rendite ist mit nichts aufzuwiegen. Die Freude und der Stolz am Besitz eines Kunstwerkes ist unvergleichlich.
Nolte: Für mich ist die Kunst absolute Passion und auch Liebe. Ich kaufe nach Bauchgefühl.
Hochköppeler und Pürling: Der Aufbau einer interessanten und letztlich wertvollen Sammlung erfordert Engagement und auch Wissen. Wer hingegen einmal im Jahr auf der Art Cologne ein Werk kauft, um sich bis zur nächsten Messe daran zu erfreuen, macht sicher auch eine gute Investition.
Meiré: Das Entscheidende ist, dass ein Werk etwas in einem auslöst: Es sollte berühren, Fragen aufwerfen und die eigene Sensibilität schärfen. Gibt es einen Aha-Moment, ist das immer ein gutes Zeichen. Auf Wertsteigerung zu spekulieren ist schwierig, das ist schwer vorherzusagen.
Original anpeilen oder mit Editionen starten – gerade wenn das Budget überschaubar ist?
Hochköppeler und Pürling: Editionen können ein super Einstieg sein. Es empfiehlt sich, sich einmal bei den Kunstvereinen der Region umzuschauen, die auch in großer Zahl auf der Art Cologne sind und dort ihre so genannten Jahresgaben präsentieren. Dabei handelt es sich um Editionen und teilweise Unikate Werke zahlreicher internationaler, teilweise auch namhafter Künstler.
Ich möchte mich an eine Sammlung rantrauen – ist Unterstützung von Profis sinnvoll oder genügt das Bauchgefühl?
Donnerhack: Es gibt Sammler, die während des Aufbaus ihrer Sammlung ein enormes Wissen angereichert haben, selbst zu Experten der Kunst geworden sind. Dieser Sammlertyp hat ein geschultes Auge, vertraut auf seinen eigenen Instinkt. Andere lassen sich gerne beraten, was jedoch nicht bedeutet, dass sie nicht wissen, was sie wollen.
Abseits von der Vorgehensweise, steht die Begeisterung, Neugierde und die Leidenschaft im Mittelpunkt und ist oftmals Impulsgeber beim Erwerb.
Während der Art Basel wird die ganze Stadt mit Kunst bespielt. Auch wünschenswert für Köln?
Hug: Der Parcours in Basel funktioniert, weil Basel klein und gut begehbar ist, ideal für die öffentliche Ausstellung von Kunstprojekten. Köln ist eine größere Metropole, und wir haben rund 50 Galerien in der Stadt. Diese können auch kostenlos besucht werden, ich empfehle einen Blick in den Kölner Galerieführer.
Nolte: Mehr Anbindung an die Messe wäre in jedem Fall schön, auch für Familien. Unbedingt empfehle ich eine Galerientour, alle um die Jülicher Straße, für aktuelle und junge Strömungen, einige wurden schon genannt, also hier auch nochmal der Tipp zu Khoshbakht, Drei und Galerie Clages. Auch ECHO in der Roonstraße ist spannend. Es ist ein Gallery Shared Space, der von der Galerie Wschod aus Warschau betrieben wird.
Was muss ich zu den Art Cologne-Preisträgern Christian und Karen Boros wissen?
Hug: Das Sammlerpaar hat sich für die Vermittlung zeitgenössischer bildender Kunst verdient gemacht und wird mit dem Preis für seine Leistungen als Museumsgründer, Ausstellungsmacher und Buchverleger geehrt. Seit 2008 machen sie Teile ihrer Kunstsammlung durch Ausstellungen im ehemaligen Bunker in Berlin für die Öffentlichkeit zugänglich.
Müller-Grünow: Die beiden haben eine tolle, junge, mutige Sammlung aufgebaut, die aus Berlin nicht mehr wegzudenken ist. Sie sind in Deutschland wichtige Unterstützer von Galerien und Künstlern.
Meiré: Ihre Sammlung ist interessant, oft verstörend und mit Tiefgang.
Ich kann noch auf ihren Talk am 8.11. auf der Messe hinweisen. Der Titel: „Sammeln als kompromisslose Zeitgenossenschaft“.
Infos zur Messe: Die Publikumstage der Art Cologne starten am Freitag. Alle Infos zu Öffnungszeiten, Ticketpreisen und Ermäßigungen sowie dem Abendticket finden Sie hier.