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Serie

Eine Stunde ab Köln Hauptbahnhof
Ein Ausflug nach Koblenz – ein liebevoller Ort mit 2000 Jahren Geschichte

Lesezeit 7 Minuten
Die vier Türme in Koblenz

Die „vier Türme“ in der Koblenzer Fußgängerzone: Die Häuser mit ihren kunstvollen Erkertürmen wurden 1608 gebaut und nach mehreren Zerstörungen immer wieder aufgebaut.

Koblenz ist bekannt für das Deutsche Eck und als Teil des Unesco-Welterbe. Besucher treffen auf eine charmante Kleinstadt voller Gastronomie, Kunsthandwerk und Geschichte.

Ja, isses denn? Da spuckt der Zwerg doch tatsächlich in Richtung der Passanten. „Normal“, sagt Johannes Bruchhof: „Kein Grund zur Aufregung!“

Bruchhof muss es wissen, der „leidenschaftliche Koblenzer“ beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten intensiv mit „seiner“ Stadt. Und er weiß es auch: „Das ist kein Zwerg, das ist der Schängel.“ Hmm, der was? „Schängel“ sei so etwas wie „Schlingel“ oder „Lausbube“, sagt der 35-Jährige. Die Bezeichnung wurde in der Zeit von 1749 bis 1813, als die Stadt noch zu Frankreich gehörte, für Jungen verwendet, die „das Resultat einer deutsch-französischen Zeugung waren“. Diese nämlich hießen oft Jean, also Johann oder Hans, woraus die Koblenzer schnell „Schang“ und bald darauf dann liebevoll „Schängel“ machten.

Die charmante Altstadt

Mundart halt. Kennen wir auch in Köln, da heißen solche Menschen dann „Schäng“. In Koblenz, wo die kleine Bronzefigur auf der Spitze des Brunnens am Rathaushof steht und alle paar Minuten eine Wasserfontäne weit über das Brunnenbecken hinaus speit, gilt er als Symbol für Witz, Schlagfertigkeit und Lebensfreude. Gute Idee, irgendwie. Solch ein Brunnen mit Schäng-Löring-Figur in der Kölner Südstadt, dem legendären und leider verstorbenen Patron des Fußballclubs Fortuna Köln? Das wär’s doch, passen jedenfalls würde es.

Der Schängel spuckt von der Spitze seines Brunnens über das Brunnenbecken.

Der Schängel spuckt von der Spitze seines Brunnens über das Brunnenbecken.

In Koblenz, im Zentrum der Altstadt, wird der Schängelbrunnen eingebettet von den Renaissance- und Barockbauten des Jesuitenensembles, in dem heute das Rathaus untergebracht ist. Klar, Deutsches Eck und Weltkulturerbe und die zahlreichen Schlösser oder Burgen in der Umgebung, ganz zu schweigen von der Loreley – das sind die Gründe, weshalb zahlreiche Touristen aus aller Welt hierherkommen.

Alle Sehenswürdigkeiten liegen nah beieinander

Aber es ist auch das Liebevolle, mit dem die etwa 2000 Jahre alte, im Zweiten Weltkrieg heftig zerstörte Altstadt wieder aufgebaut wurde. Eine Kleinstadt, in der alles nah beieinander liegt, in der sämtliche Sehenswürdigkeiten gefühlt keine halbe Stunde Fußweg auseinander liegen. Und wer mit dem Zug vom Kölner Hauptbahnhof in Koblenz am „Haltepunkt Stadtmitte“ aussteigt, ist nach einer Stunde und sieben Minuten gleich mitten im Geschehen.

„Begrenzt von Mosel und Rhein kann man sich hier kaum verlaufen“, sagt Bruchhof: „Das macht es übersichtlich, gibt irgendwie so ein beruhigendes Gefühl, dass man nichts verpassen kann.“ Vom Rathaus bis zum Jesuitenplatz jedenfalls sind es nur zwei Minuten. Kneipen, Cafés und Restaurants: Es ist Mittag, die Sonne scheint und fast alle Stühle sind besetzt.

Luftbild Koblenz mit dem „Deutschen Eck“

Luftbild Koblenz mit dem „Deutschen Eck“, an dem die Mosel (rechts) in den Rhein mündet

Koblenz, das habe zuletzt eine Umfrage ergeben, gehöre zu den Städten mit der größten Gastronomiedichte in Deutschland, sagt der Fremdenführer. Na ja, für die zahlreichen Plätze in der Altstadt jedenfalls könnte das hinhauen. Und was auffällt: Auch die „Dichte“ kleiner, inhabergeführter Fachgeschäfte ist groß. Manufakturen und Kleinstbetriebe, die in Großstädten wie Köln längst schon aufgegeben haben, sind hier in der Mehrzahl. Etwa auf der verwinkelten Hinterhof-Gasse zwischen Liebfrauenkirche und Münzplatz, wo in mehreren Läden Kunsthandwerk aus handgefertigten Einzelstücken angeboten werden.

Manufakturen und inhabergeführte Fachgeschäfte

An der im 17. Jahrhundert erbauten Liebfrauenkirche, die mit ihren hoch hinausragenden Zwiebeltürmen die Silhouette der Altstadt prägt, gibt es plötzlich eine elend lange Menschenschlange. Gibt es das Gedränge wegen der zahlreichen sakralen Ausstellungsstücke im Inneren der Kathedrale? „Ach was“, sagt Binh aus Vietnam, leckt an ihrem Pistazieneis und zeigt in Richtung der italienischen Eismanufaktur mit dem kryptischen Namen „e Gel o Sla“ (deutsch: Es sei kalt). Der Varta-Führer zählt das Familienunternehmen zu den 20 besten Eisdielen in Deutschland. Die Urgroßeltern sind schon vor hundert Jahren in Italien mit einem Eiswagen rumgefahren, die heutigen Nachkommen produzieren in ihrem „Eislabor“ nur mit natürlichen Zutaten.

Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz

Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz: Damit das Monument einen würdevollen Platz bekommt, wurde das „Deutsche Eck“ 1891 erweitert.

Binh jedenfalls ist zufrieden mit ihrem Pistazienbecher, ihr Begleiter Santiago aus Kolumbien leckt vergnügt am Stracciatella-Eis. Ein paar hundert Meter weiter erhöht sich sprunghaft auch die „Dichte“ der ausdauernd fotografierenden Touristengruppen mit kurzen Hosen und weißen Hemden. Das Deutsche Eck. Dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel verdankt die Stadt auch ihren Namen – aus dem römischen „Castellum apud Confluentes“, lateinisch für „das Kastell bei den Zusammenfließenden“, wurde im Laufe der Zeit der heutige Name Koblenz.

Das ursprüngliche „Deutsche Eck“ ist ein unscheinbares Stück der Stadtmauer

37 Meter hoch über der Landzunge, die früher ein Nothafen an der Moselmündung war, sitzt Kaiser Wilhelm I. in Uniform auf seinem Pferd. Um einen würdevollen Platz für das Denkmal zu schaffen, wurde der Fluss 1891 an dieser Stelle zugeschüttet. Das Monument für den Mann, der das Deutsche Reich 1871 geeint hatte, gehört seit 2002 auch zum Welterbe.

Fremdenführer Johannes Bruchhof aus Koblenz an einem seiner Lieblingsplätze

Fremdenführer Johannes Bruchhof aus Koblenz an einem seiner Lieblingsplätze

Wobei, bisschen Etikettenschwindel ist es schon. Denn „das richtige Deutsche Eck“, wie Bruchhof sagt, befindet sich etwa 300 Meter entfernt. Ein unscheinbares Stück der alten Stadtmauer, teilweise zugewuchert mit Efeu, gebaut unter anderem aus Felsen der umliegenden Steinbrüche und mit letzten Andeutungen eines im Mauerwerk stilisierten Kreuzes.

3,5 Kilometer langer Grüngürtel entlang der Rheinpromenade

Im Mittelalter seien verschiedene Zünfte im Verteidigungsfall für bestimmte Teile der Mauer verantwortlich gewesen. „Und hier war es halt der Deutsche Ritterorden, wodurch die Stelle automatisch auch das Deutsche Eck hieß“, erklärt Bruchhof und fächelt sich mit der rechten Hand etwas Luft zu. Heute ist einer dieser Tage, an dem die Sonne wieder einen Hitzerekord aufstellt. Die Rettung aber ist nicht weit weg. Ein kleiner Park, bewachsen unter anderem mit jahrhundertealten Mammutbäumen, spendet Schatten für eine kleine Verschnaufpause.

Altstadt-Gasse mit Weinstuben in Koblenz

Typische Altstadt-Gasse mit Weinstuben in Koblenz

Kaiserin Augusta, die Ehefrau vom Wilhelm, hat das Grün ab 1855 gestalten lassen. Bisschen Potsdamer Lebensgefühl im mittleren Rheintal. Ein heute fast 3,5 Kilometer langer, schmaler Ring entlang der Uferpromenade. Wichtig für das Klima in der Stadt, ideal für einen kleinen Zwischenstopp.

Ausflugsschiffe fahren auf der Strecke des Unesco-Welterbes

„Das ist einer meiner Lieblingsplätze in Koblenz“, sagt der Koblenz-Experte und setzt sich auf eine von Grünpflanzen umrankte Bank. Dann erzählt er von den zehn Museen in der Stadt. Panzer aus dem 1. Weltkrieg, Sperrspitzen der Neandertaler, Exponate der Rheinschifffahrt , historische Lokomotiven, 400 Millionen Jahre alte Kultgegenstände oder 200 Jahre alte Utensilien und Verfahren zur Sektherstellung – die Auswahl dessen, was angeschaut werden kann, ist groß.

Jetzt aber geht’s in Richtung Rhein. Entlang des Konrad-Adenauer-Ufers starten die Ausflugsschiffe. Überwiegend zwischen einer und vier Stunden schippern sie ins Mittelrheintal. Eine der schönsten Kulturlandschaften Europas, 65 Kilometer Unesco-Welterbe mit 40 Schlössern und Befestigungsanlagen.

Basilika St. Kastor in Koblenz

Die 836 geweihte Basilika St. Kastor war Schauplatz bedeutender historischer Ereignisse. Das Stift war Treffpunkt und Schlichtungsort der Kaiser und Könige sowie deren Nachfahren.

Mit der eine-Stunde-Tour für 14 Euro kommen Erwachsene immerhin bis zum 1242 zunächst als Burg erbauten Schloss Stolzenfels, das etwa fünf Kilometer südlich von Koblenz am Steilhang klebt. Wer sich den Prachtbau mit Rittersaal anschauen möchte, geht vom Schiffsanleger 20 Minuten zu Fuß an Grotten und Wasserfällen vorbei hoch zum Schlosstor. Wer es bequemer, aber trotzdem historisch haben möchte, setzt sich, zurück in Koblenz, in die Seilbahn hoch zur Festung Ehrenbreitstein.

Von der Altstadt auf die Festung schweben

Die Bahn wurde als Attraktion für die Bundesgartenschau 2011 gebaut und verbindet die Stadt in Höhe der Basilika St. Kastor mit dem Plateau vor der Festung, die am entgegen gelegenen Rheinufer 118 Meter über der Altstadt thront. Erwachsene zahlen 14,90 Euro für die Hin- und Rückfahrt, mit Eintritt für die Festung sind es 19 Euro.

Seilbahn in Koblenz

Die Seilbahn, gebaut zur Bundesgartenschau 2011, kann bis zu 7.600 Personen pro Stunde befördern. Sie verbindet die Alstadt mit dem Plateau vor der Festung Ehrenbreitstein.

Jetzt aber ist nach 18 Uhr und der Eintritt wie immer frei, weil die zahlreichen Ausstellungsräume in der Anlage geschlossen sind und es ansonsten auch keine andere Veranstaltung gibt. Das Angebot im Trutzbau, der zum Kulturzentrum ausgebaut wurde, ist riesig. Wer möchte, kann hier locker einen Tag verbringen. Es gibt jede Menge Konzerte oder Lesungen. Ob Gefängniszellen, Geschütze oder das dort untergebrachte „Ehrenmal des Heeres“ – alleine per Audioguide wird an 40 Orten die Geschichte der im Jahr 1817 von den Preußen errichteten Festung erklärt, die von außen maximal unscheinbar aussieht. Lediglich eine kleine Anhöhe mit ein paar Schießschächten ist von der Seilbahn kommend zu erkennen.

Wer danach die fünf Meter tiefen und bis zu 25 Meter breiten Verteidigungsgräben und die Wälle mit den drei Meter dicken Außenmauern sieht, der versteht, weshalb die Festung im Laufe der Jahrhunderte niemals erobert werden konnte. Georg, Architekt aus Düren, und Markus, Manager aus dem Hunsrück, sind zum ersten Mal hier. Sie sitzen im früheren Vorfeld der Festung und schauen runter auf die Stadt und das Deutsche Eck. „Wahnsinn, der Blick“, sagt Georg, die Sonne geht langsam unter. Markus nickt nur still und schaut weiter auf Rhein und Mosel.