Urlauben in Mönchengladbach? Liegt nicht gerade nahe. Der Lebensraum-Manager der Stadt verrät, warum das dennoch eine gute Idee sein kann.
Eine Stunde von Köln HbfAusflug nach Mönchengladbach – eine Stadt, die mehr Ansehen verdient
Andreas Henke ist ein sehr großer Mann. Und er ist sehr ehrlich. So ehrlich wie groß, ist man geneigt zu sagen, als er auf der Hindenburgstraße vor einem leeren Laden anhält und sagt: „Also, wenn sich schon McDonald’s von der Haupt-Einkaufsmeile zurückzieht, kann es um die Stadt nicht gut bestellt sein.“
Das klingt erstmal schlimm. Fairerweise muss man anmerken, dass dieser Satz in vielen Innenstädten Deutschlands fallen könnte. Außerdem ist es eher eine antiheroische Beobachtung, mit der Andreas Henke alle abholt, die ihn skeptisch auf seinen Job ansprechen. Und das sind nicht wenige. „Du machst Werbung für Mönchengladbach? Wieso? Da gibt’s doch nichts!“
Mit Tourismus, klärt er schnell auf, hat sein Job nichts zu tun. Weder er noch die Stadt versuchen derzeit, die Welt hierher zu locken. „Meine Aufgabe ist es, zunächst die Mönchengladbacher davon zu überzeugen, dass ihre Heimatstadt schön ist.“ Andreas Henke ist sogenannter Lebensraum-Manager und es wird ziemlich schnell deutlich, dass er diesen Titel mit Stolz trägt. Er liebt seine Arbeit und lobt sein Team. Sie alle glauben fest an Mönchengladbach.
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Von der Misere berichten und gleichzeitig für Aufbruchstimmung sorgen
Dazu gehört eben auch, den Finger in die Wunde zu legen: Mehrere Strukturwandel haben eindeutige Spuren hinterlassen, erst der Niedergang der Textilindustrie, nun der baldige Ausstieg aus der Braunkohle. Die Kaufkraft hier liegt weit unter dem nordrhein-westfälischen Durchschnitt.
Das besondere Talent des Lebensraum-Managers besteht nun darin, von diesen Miseren zu berichten und gleichzeitig für Aufbruchstimmung zu sorgen. „Wir müssen halt die Innenstädte neu erfinden, Menschen mit Gründergeist zusammenbringen und auf dem Schönen aufbauen, das es hier bereits gibt.“
Das stimmt, Schönes gibt es hier wirklich. Mönchengladbach, 272.000 Einwohner, umfasst dank der Eingemeindung von Rheydt und Wickrath eine riesige Fläche – hat drei Zentren und zwei eindrucksvolle Schlösser, viele Parks, Kunst, hübsche Hügel, Museen, Biergärten, Cafés, Märkte, Studierende. Die Stadt verdient auf jeden Fall mehr Ansehen.
Wenn alles nach Plan läuft, braucht die Bahn vom Kölner Hauptbahnhof nur 52 Minuten bis Mönchengladbach. Die Stadt ist auch ein perfekter Zwischenstopp auf dem Weg in die Niederlande. Venlo ist quasi nebenan. Oder man macht’s wie Benno Fürmann (der Schauspieler mit den blauen Augen, sonore Stimme). Der fuhr vor zwei Jahren auf der Autobahn Richtung Niederrhein und bekam auf der Höhe von Mönchengladbach Kaffeedurst. Er suchte nach einer Empfehlung in der Nähe und landete im „Café Kontor“ am Adenauerplatz. Volltreffer.
Dieser Ort gehört ganz sicher zu den schönsten in der Stadt, um Koffein zu tanken. Das Café ist in einem alten Bankgebäude im Gründerzeit-Viertel untergebracht, direkt an einem Park gelegen. Guter Kaffee, guter Kuchen, sehr umtriebige Pächterin. Zahra Campregher arbeitete viele Jahre in der Gastronomie in Linz. Wieder zurück in ihrer Heimatstadt, hat sie angefangen, an einem neuen Mönchengladbach mitzuarbeiten. Sie veranstaltet Picknicks und Feste, bringt Leute aus dem Viertel zusammen. Auch sie sieht die Löcher im Stadtgebilde, interpretiert die Sachlage aber entwaffnend konstruktiv: „Es gibt halt viel Platz für Ideen.“
Natürlich kennt auch Andreas Henke das Café. Es liegt auf der Tour, die er jedem ans Herz legt, der vom Bahnhof aus die Stadt erkunden will. Man sollte den schnellsten Weg zur Kaiserstraße nehmen und das Entrée mit Baustelle und der gigantischen Schrottimmobilie einfach ignorieren. Dann links hoch. Man passiert einige Cafés und rechter Hand grüßt irgendwann in bürgerlicher Anmutung die Kaiser-Friedrich-Halle, einer der repräsentativen Veranstaltungsorte der Stadt. Auf der Rückseite des Jugendstil-Gebäudes befindet sich das „Ninety Nine", ein Tipp für alle, die gerne in entspannt-gediegener Atmosphäre mit Brunnen-Blick sitzen und essen und danach in weitläufiger Parkanlage spazieren gehen. Der „Bunte Garten“ ist wirklich toll.
Man kann von der Kaiserstraße aber auch nach links abbiegen und einmal das „Minto“ kreuzen. So heißt das Einkaufszentrum, das sich wuchtig über mehrere Ebenen in den Hang stemmt. Kommt sehr modern daher mit seiner Fassade aus farbigen Keramik-Lamellen. Die mehr als 100 Geschäfte sind übrigens für viele Niederländer ein sehr naheliegender Grund, nach Mönchengladbach zu fahren.
Wer den richtigen Ausgang erwischt, landet auf der anfangs bespöttelten Hindenburgstraße, deren stellenweise Ödnis sicher unter anderem mit jenem Einkaufszentrum zu tun haben dürfte. Auch das ist sicher kein Spezifikum Mönchengladbachs. Im Grunde eine schöne Straße, weil sie breit bergauf verläuft und in die historische Altstadt mündet – ein Setting, das man aus Urlauben in Italien kennt. Vor allem, wenn es wie an diesem Tag sehr heiß ist. Anders als in umbrischen Mittelalter-Städtchen gibt es aber keine Rolltreppen. Oder Zahnrad-Bähnchen oder Aufzüge. „Ich wünsche mir seit langem schon eine Bimmelbahn“, sagt der Lebensraum-Manager und ist mit diesem Wunsch nicht der Einzige.
Bis die installiert ist, geht man halt zu Fuß oder nimmt den Bus. Es ist auf jeden Fall ein Muss, oben anzukommen. Denn dort steht zum Beispiel das preisgekrönte „Museum Abteiberg“ des Architekten Hans Hollein, das von so großer Bedeutung in der Geschichte der Museumsbauten ist, weil es zu den ersten gehört, die selbst als Kunstwerk gelten. Drinnen gibt es feine Gegenwartskunst. Das alles ist unbedingt sehenswert, genauso wie der großzügige Skulpturen-Garten, der sich prompt anschließt.
Wer die Altstadt weiter bewusst mit dieser Ferienfreude entdeckt, nimmt auch die hübschen Durch- und Ausblicke wahr, die verwinkelten Gässchen, öffentlichen Kunstwerke und gepflegten Blumenarrangements. Hinter dem Münster St. Vitus wurde gerade der kleine Brunnenhof geöffnet, der auch als Korridor zum Rathaushof dient. Hinter diesem breitet sich die Piazza aus mit seinen Restaurants, Biergärten und Cafés. Und spätestens jetzt lässt der Kölner neidvoll seinen Blick schweifen: Überall gibt es noch freie Plätze. An einem sonnigen Tag!
Vom Marktplatz geht die früher mal berühmte Waldhausener Straße ab. Vor sehr vielen Jahren die Partymeile schlechthin, auch weil Günter Netzer hier Anfang der 70er die Schönen und Berühmten nach Musterung durch einen Sehschlitz in seine Disko „Lovers’ Lane“ lud. Keine Fenster, alles schwarz, selbst der Porsche vor der Tür. Auch heute: keine Fenster, alles schwarz. Aber der Tanzschuppen steht leer. Statt Porsche nur noch eine Plakette, die an die lustige Fußballschickeria von damals erinnert. Spannender sind da die anderen Belebungsversuche privater und sozialer Initiativen auf dieser urigen Straße. Es bleibt aber immer noch, wie die Café-Betreiberin sagen würde, viel Platz für Ideen.
Für den Lieblingsort von Andreas Henke muss man die Altstadt wieder verlassen. Es handelt sich dabei um den Wasserturm, wahrscheinlich einer der schönsten im Jugendstil, den man in unserer Region so zu sehen bekommt. Er ist begehbar und an manchen Tagen sogar kostenfrei zu besichtigen. Eine Stadt mit diesem Panorama braucht dann vielleicht auch kein McDonald’s. „Diese Aussicht“, sagt Henke, „sollte sich jeder mal gönnen. Zumindest jeder Mönchengladbacher.“ Die Kölner können ja schon mal den Anfang machen.
Gastro-Empfehlungen für einen Ausflug nach Mönchengladbach
Im Ninety Nine in der Kaiser-Friedrich-Halle kann man drinnen schick und im Biergarten draußen lässig essen und trinken. Wunderschönes Ambiente am Rande einer großen Parkanlage.
Der Eisdealer in der Albertusstraße ist eine kleine Manufaktur, die nicht nur das Eis, sondern auch die Waffeln selbst herstellt. Besonders empfehlenswert ist die Eissorte „gebrannte Mandeln". Der Eisdealer bietet auch Workshops an.
Das Café Kontor am Adenauerplatz ist liebevoll und originell eingerichtet. Drinnen bietet der Tisch aus alten Schiffsplanken viel Platz. Auch draußen serviert die Betreiberin Kuchen, Kaffee und herzhafte Kleinigkeiten.
Wer in der Altstadt so richtig urgemütlich sitzen will, der ist im Biergarten St. Vith am Alter Markt gut aufgehoben. Seit mehr als 400 Jahren gibt es das Gasthaus und schenkt hier Altbier aus.
Museums-Empfehlungen in Mönchengladbach
Stars of the Galaxy: Ein Geheimtipp für alle Star-Wars- und sonstige Weltraum-Fans ist das Museum Stars of the Galaxy am Berliner Platz: In einem Alten Schwimmbad zeigt der Inhaber Thomas Manglitz kuriose Sammlerstücke wie Han Solo, eingefroren in Karbonit, das Lego-Modell eines 3,20 Meter langen Sternenzerstörers, bestehend aus 400.000 Teilen, Laserschwert- und Waffenrepliken aus den Filmen.
Wasserturm: Der Wasserturm an der Viersener Straße ist ein Jugendstil-Glanzstück und bietet noch bis einschließlich August jeweils am ersten Samstag des Monats um 10, 11 und 12 Uhr kostenfreie Führungen an.
Fohlenmuseum: Das Fohlenmuseum ist natürlich ein Muss für Borussia-Fans: Hier kann der Besucher die Geschichte von Borussia Mönchengladbach von 1900 bis heute anhand hunderter Exponate, Bilder und Filme nachvollziehen.
Schloss Rheydt: Das Schloss Rheydt in Mönchengladbach ist das einzig architektonisch vollständig erhaltene Schloss der Renaissance am Niederrhein. Das städtische Museum ist hier untergebracht. Viele Kulturveranstaltungen wieTöpfermärkte, Konzerte und Führungen auch für Kinder finden hier statt. Zu erreichen ist das Schloss mit der Bahn vom Kölner Hbf in 45 Minuten. Vom Hauptbahnhof Rheydt fährt die Linie 016 bis zum Schloss.
Schloss Wickrath: Das barocke Schloss Wickrath im Südwesten Mönchengladbachs ist von einer 19 Hektar großen Parkanlage an der Niers umgeben. Das Schloss selbst ist nicht zu besichtigen, aber es gibt Führungen rund um die restaurierte Schlossanlage inklusive Einblicke in das Landstallmeisterhaus und den Nassauer-Stall. Erreichbar von Rheydt mit den Linien 006 und 016.
Museum Abteiberg: Das postmoderne Museumsgebäude selbst ist schon sehenswert. Architekt Hans Hollein bekam dafür 1985 den internationalen Architekturpreis, den Pritzker Award. 2016 kürte die deutsche Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbandes AICA das Haus zum Museum des Jahres. Auch wegen der hochkarätigen Ausstellungen. Es beherbergt eine Sammlung von Gegenwartskunst seit 1960. An jedem ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei, einschließlich Führungs- und Kinderprogramm. Noch mehr Infos gibt es hier.