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Christoph Kramer über seinen Roman„Angst habe ich tatsächlich nie“

Lesezeit 9 Minuten
Ex-Fußballprofi Christoph Kramer hat einen Roman geschrieben.

Ex-Fußballprofi Christoph Kramer hat einen Roman geschrieben.

Ex-Fußballprofi Christoph Kramer stellt seinen ersten Roman „Das Leben fing im Sommer an“  bei der lit.Cologne vor. Wir verlosen Tickets.

Herr Kramer, gerade ist Ihr erster Roman „Das Leben fing im Sommer an“ erschienen. Für einen ehemaligen Fußballprofi ist das eher ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Ich wollte immer schon ein Buch schreiben, und das habe ich jetzt von meiner Lebens-To-do-Liste abgehakt. Eine Biografie wäre zu erwartbar und zu langweilig gewesen. Vom Stil her lese ich gerne Coming-of-Age, deshalb habe ich mich dafür entschieden.

Man soll ja fiktionale Charaktere nicht mit dem Autor verwechseln, aber Ihre Hauptfigur heißt Christoph Kramer und teilt viele biografische Details mit Ihnen. Man hat das Gefühl, beim Lesen viel über Sie zu erfahren. War das so geplant?

Ich habe lange überlegt, ob ich den Hauptcharakter umbenenne. Dann wäre es leicht gewesen, ihn von mir zu trennen. Aber es hat doch Charme, dass wirklich niemand weiß, was stimmt und was nicht, deswegen hab ich es bei Chris belassen.

Hat Sie keine Bedenken, dass die Leser Ihnen als Privatperson zu nahe kommen?

Nein, gar nicht. Dadurch, dass mich das jetzt viele fragen, denke ich darüber nach, aber ich kann mich ja immer darauf berufen, dass ich sage, es ist Fiktion. Man lernt eine Person kennen und erfährt, wie sie an drei Tagen mit 15 gelebt hat. Natürlich steckt in dem Werk unheimlich viel von mir, von meinen Gedanken. Aber ich würde nicht sagen, dass das etwas mit mir als Privatperson heute zu tun hat.

Ich habe kein Problem, über meine Gefühle zu sprechen, über negative wie auch positive. Das ist für mich eine Stärke.
Christoph Kramer

Ist es Ihnen schwergefallen, sich noch mal in den Kopf eines 15-Jährigen zurückzudenken?

Er ist mir näher als mein 20-jähriges Ich. Die Zeit war einfach sehr prägend. Es hat mir geholfen, dass ich damals viel Tagebuch geschrieben habe. Aber mir fiel es nicht schwer, mich in meine Pubertät hineinzuversetzen.

Sie scheinen generell einen guten Zugang zu Ihren Gefühlen zu haben, was beim Schreiben sicherlich hilft. Als Sie Ihren Abschied von Borussia Mönchengladbach verkündet haben, haben Sie in dem Video geweint.

Ich schäme mich meiner Gefühle nicht. Weinen wollte ich eigentlich nicht. Aber der Kameramann hat angefangen zu weinen, da hat es mich auch bekommen. Ich schäme mich auch nicht für meine Tränen. Die sind doch verständlich nach einer solchen Zeit.

Fällt es Ihnen leicht, sich verletzlich zu zeigen?

Die Frage ist doch, ob Verletzlichkeit nicht in Wahrheit eine Stärke ist. Ich ziehe eine klare Grenze in meinem Leben, was ich teile und was nicht. Ich habe kein Problem, über meine Gefühle zu sprechen, über negative wie auch positive. Das ist für mich eine Stärke.

Sie haben gesagt, dass Sie nie Angst haben. Wie geht das?

Angst habe ich tatsächlich nie. Ich bin auch nicht aufgeregt. Ich wüsste nicht, wovor ich in meinem Leben Angst habe, weder vor Entscheidungen, noch vor dem Leben an sich.

Sie hatten nicht mal vor dem WM-Finale Angst, dass Ihnen vielleicht ein entscheidender Fehler unterläuft?

Das war ein Moment, wo ich schon aufgeregt war, was untypisch für mich ist. Aber da habe ich mir die ganze Zeit eingeredet, wenn du heute einen guten Tag hast, entscheidest du das Ding. Negative Gedanken stören alles, es hört sich so banal und abgedroschen an, aber so ist es.

Es ist nicht so einfach, in jungen Tagen mit viel Geld und Ruhm umzugehen
Christoph Kramer

Der Roman spielt im WM-Sommer 2006, Sie sind Fußballer. Da erwartet man natürlich, dass Fußball eine große Rolle spielen wird. Aber er kommt nur am Rande vor. Warum?

Weil ein Buch, das mit Fußball zu tun hat, zu erwartbar gewesen wäre. Und ich mag keine erwartbaren Dinge. Es langweilt mich, deswegen war das eine bewusste Entscheidung. Ich wollte den Fußball ein bisschen mit reinnehmen, weil durch ihn  viele Gefühle verarbeitet werden, die ich, die der Protagonist in dieser Zeit hatte. Aber ich wollte den Fußball nicht zu sehr reinlassen.

Der Chris im Roman hat mit vielen Ängsten und Unsicherheiten zu kämpfen. Gleichzeitig will er unbedingt Fußballprofi werden. Ist es nicht extrem schwierig, in einem so jungen Alter, in dem man selbst noch gar nicht weiß, wer man ist und wo man steht, die Karriere starten zu müssen?

Es ist natürlich widersprüchlich, wobei ich einen ganz anderen Charakter auf dem Platz entwickelt habe als neben dem Platz. Wenn man das in seiner Pubertät nicht hinbekommt, wird man auch kein Profisportler. Wir sprechen im Fußball zu schnell über mangelnde Mentalität, aber jeder, der da oben angekommen ist, weiß, worauf es ankommt, sonst wäre er nicht da. Man muss auf dem Fußballfeld, einen Charakter entwickeln, der sehr leistungsorientiert ist, sehr diszipliniert, auch sehr egobehaftet. Ich habe gelernt mit Niederlagen umzugehen, sie in Wut umzuwandeln, und diese dann in Energie. Das hat mir total geholfen auf dem Platz.

Wie gelingt es, sich nicht zu verlieren, wenn alles durchgeplant ist, man viel Geld verdient und häufig hört, wie toll man ist?

Es ist wirklich schwierig, gerade weil man so jung ist. Viel macht das Elternhaus aus. Ich hatte auch Momente in meinem Leben, wo ich abgedreht habe. Meine Eltern haben mir das dann gespiegelt. Das ist wichtig. Es ist immer einfach, über Fußballer zu meckern. Wenn du mit 14 dein Elternhaus verlässt und ins Internat gehst, bist du komplett abgekapselt, hast keinen sozialen Kontakt mehr außerhalb. Die Menschen sehen immer nur den Spieler und fragen nie, wie alt die sind. Es ist nicht so einfach, in jungen Tagen mit viel Geld und Ruhm umzugehen. Man kann immer schimpfen, wenn sich irgendwer daneben benimmt, und man das Gefühl hat, er verliert die Bodenhaftung. Es ist aber meines Erachtens logisch und erklärbar.

Eine Karriere als Fußballer beginnt früh, aber man beendet sie auch in einem Alter, wo noch sehr viel Leben vor einem liegt. Wie findet man neue Aufgaben?

Das ist nicht einfach. Man kommt natürlich auch von einem Bestätigungslevel, das ganz oben ist. Das ist ungesund. Es beschreiben ja auch viele, dass sie nach der Karriere in ein Loch gefallen sind, weil sie von dieser Bestätigung, immer vor 50.000 zu jubeln, auf 0 fallen und diese Glückshormone-Ausschüttung nicht mehr haben. Aber man ist natürlich privilegiert, weil man finanziell unabhängig ist. Ich habe Ruhe und Zeit, nur Sachen zu machen, die mir wirklich Spaß machen.

Man braucht einen neuen Antrieb?

Ja, man braucht einen Antrieb, und der Antrieb ist nicht mehr Geld, denn auch das ist ja eine Wahrheit: Du wirst nirgendwo mehr so viel verdienen wie als Fußballprofi. Ich mache nichts mehr aus dem Motiv, Geld zu verdienen. Es ist die große Herausforderung, sich früh damit zu beschäftigen, was man mit seinem Leben anfängt. Deswegen probiere ich neue Dinge aus und suche Antriebe. Schreiben treibt mich an und ist auch eine Art Meditation für mich.

Wie schwer war es denn, sich während der Karriere anderen Input zu holen?

Es ist ein krasser Mythos, dass Fußballprofis so viel trainieren. Mehr Zeit als als Fußballprofi werde ich in meinem Leben nie wieder haben. In der Jugend neben der Schule war es hart, da waren meine Tage wirklich von 7 Uhr morgens bis 21:30 Uhr abends durchgetaktet. Aber wenn du es geschafft hast und Profi bist, fährst du zum Training, das war’s. Mein Tag ging von Haustür zu Haustür von 8.30 bis 13 Uhr. Da kann man sich schon mit anderen Dingen beschäftigen, wenn man möchte.

Das kriege ich auch nicht aus mir raus, dass ich so getrieben bin von Bestätigung
Christoph Kramer

Und macht man das dann auch?

Man ist in einer ganz eigenen Bubble, und das ist auch ok. Man hat sehr früh finanzielle Unabhängigkeit, dann beschäftigt man sich nicht unbedingt mit Sachen, die einen fortbilden. Ich habe das auch nicht gemacht. Ich will mich nicht intellektueller darstellen als die anderen.

Sie sind Weltmeister geworden, mehr geht nicht. Ist es schwer zu akzeptieren, dass Sie vielleicht nie wieder in irgendetwas der Beste sein werden?

Das ist nicht einfach, aber mich treibt der Ehrgeiz schon weiterhin sehr an, weil ich ein Tabellenkind bin.

Sie wollen mit dem Roman auf die Bestsellerliste?

Ja. Das kriege ich auch nicht aus mir raus, dass ich so getrieben bin von Bestätigung. Wenn mir jetzt alle sagen würden, „War ganz nett“ würde mich das nicht befriedigen. Dann würde ich auch niemals ein zweites Buch schreiben. Ich möchte, dass das Buch gelesen wird.

Wie gehen Sie damit um, dass Sie nie wissen werden, ob Sie die Aufmerksamkeit als Schriftsteller nun vor allem wegen Ihres Romans oder wegen der Tatsache, dass Sie Christoph Kramer sind, bekommen?

Die Frage habe ich mir häufig gestellt. Ich habe eine Leseprobe an ein paar Verlage geschickt. Alle wollten es haben, bei einigen hatte ich das Gefühl, nur wegen des Namens. Bei KiWi war das anders. Aber ich weiß natürlich, dass das eine Rolle spielt. Die würden keine Pappaufsteller drucken, wenn ich nicht Christoph Kramer wäre. Damit kann ich gut umgehen. Ich bin nicht Benedict Wells, das ist mein erster Roman. Aber ich bin überzeugt, dass der Text gut ist und ich das vernünftig gemacht habe.

Und wenn der Roman nicht gut ankommt, ist es kein Drama?

Dann habe ich es probiert. Mich nerven Leute, die Träume und Ideen haben, aber nichts machen. Dann darf man sich auch nicht beschweren. Es geht doch im Leben darum, es zu probieren. Ich hatte immer diesen Traum, jetzt bin ich unglaublich stolz. Wenn alle sagen, es ist blöd, dann ist das so. Lieber wäre es mir natürlich anders. Aber das kann ich nicht steuern. Wenn es gut läuft, bin ich Schriftsteller – und wenn nicht, dann nicht. Es gibt immer wieder neue Projekte. Ich werde auch in meinem Leben sicher mal eine Bar eröffnen.

Sie haben Ihre gesamte Karriere über immer in NRW gespielt, aber nie in Köln.

Stimmt, ich habe in Leverkusen gespielt, in Gladbach und bei Fortuna Düsseldorf in der Jugend. Eigentlich fehlt nur noch Köln.

Wie stehen Sie denn zum FC?

Natürlich gibt es da eine Rivalität. Aber wenn man Kölner und Gladbacher Fans ein Wahrheitsserum geben würde, würden alle sagen, dass der andere Verein in der ersten Liga spielen soll. Keiner in Gladbach will Köln in der zweiten Liga, denn dann gibt es das Derby nicht.

Dann muss natürlich die letzte Frage an den Fußballexperten lauten: Wird es was mit dem Derby im nächsten Jahr?

Köln steigt auf. Aber ich hätte nicht gedacht, dass sie so eine Schwächeperiode wie gerade haben. Die Ergebnisse passen noch, aber sie spielen nicht gut. Ich hätte gedacht, sie setzen sich klarer ab.


Christoph Kramer, geboren 1991 in Solingen, ist Fußballspieler, TV-Experte, Podcaster und Autor. Er spielte zuletzt für den Bundesligisten Borussia Mönchengladbach und war von 2014 bis 2016 Nationalspieler. 2014 wurde er Weltmeister. Sein Roman „Das Leben fing im Sommer an“ ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.

Bei der lit.Cologne, deren Programm an diesem Montag startet, stellt er seinen Roman mit Tommi Schmitt am 27. März, 21 Uhr, im WDR Funkhaus am Wallrafplatz vor. Die Veranstaltung ist ausverkauft. Wir verlosen für den Abend 2 x 2 Tickets. Wenn Sie gewinnen möchten, schicken Sie eine Mail mit dem Betreff „Christoph Kramer“ und Ihrem vollständigen Namen bis 20. März an: ksta-kultur@kstamedien.de