Der Klima-Nutzen bleibt beim Deutschlandticket bislang überschaubar – denn dafür müssten es deutlich mehr Menschen nutzen.
Preisfrage ab 2025 ungeklärtBilanz nach einem Jahr Deutschlandticket – Viel Luft nach oben bei Jobtickets
Ein Jahr nach der Einführung des Deutschlandtickets am 1. Mai 2023 verfolgen die Verkehrsbetriebe in Deutschland ein ehrgeiziges Ziel. Sie wollen die Zahl der Nutzer von derzeit 11,2 Millionen bis zum Jahresende auf 15 Millionen steigern. Die Führungsriege des Verbands der Verkehrsunternehmen (VDV) betonte bei ihrer Tagung in Köln aber auch, dass dieses Ziel nur zu erreichen sei, wenn die Finanzierung des Tickets langfristig gesichert ist. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
11,2 Millionen Menschen nutzen das D-Ticket. Das klingt gewaltig. Aber wie viele sind davon neue Kunden?
Rund eine Million, also knapp acht Prozent. Die überwiegende Mehrzahl hatte vor der Einführung des D-Tickets andere Abos, die in den meisten Fällen zum Teil deutlich teurer waren. Laut VDV müsste die Zahl der D-Ticketnutzer um 20 Prozent steigen, damit es sich selbst finanziert. Unter der Voraussetzung, dass die Zuschüsse des Bundes und der Länder von jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr über 2024 hinaus langfristig gesichert sind. Die Bundesländer haben das bereits zugesagt, die Zustimmung des Bundes steht noch aus.
Wo gibt es noch Potenzial?
Aus Sicht der Branche und von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) vor allem bei der Jobticket-Variante, bei denen Unternehmen einen Teil der monatlichen Kosten übernehmen. Der Anteil der Jobtickets an allen D-Tickets beträgt 17 Prozent. „Dort liegt das größte Potenzial“, sagt Krischer. „Es sollte in Deutschland zum Standard werden, dass ein Unternehmen, das etwas auf sich hält und Fachkräfte gewinnen will, das Ticket anbietet. Das muss unser Ziel sein.“
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Warum sollten Unternehmen ihren Mitarbeitenden Jobticket-Varianten anbieten, wenn nicht einmal klar ist, ob Bund und Länder sie über 2024 hinaus subventionieren werden?
Vom Grundsatz her seien sich die Verkehrsminister der Länder mit dem Bund einig, dass das D-Ticket langfristig Bestand haben soll, sagt Krischer. Spätestens im Herbst müsse die grundsätzliche Finanzierungsstruktur stehen. „Der Bund muss noch liefern.“ Er sei optimistisch, dass das gelingt. „Wir haben viele große Arbeitgeber, die uns sagen, solange es nicht sicher sei, dass es das Ticket auch noch in drei oder vier Jahren gibt, führen wir das Jobticket nicht ein, weil der Aufwand viel zu hoch ist“, sagt Stefanie Haaks, Vorstandschefin der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB).
15 Millionen D-Tickets pro Monat will die Verkehrsbranche verkaufen. Und droht gleichzeitig mit Angebotskürzungen bei Bahnen und Bussen. Wie passt das zusammen?
„Momentan fließt jeder Euro in den Erhalt des bestehenden Angebots und selbst das genügt nicht, um die Kostensteigerung bei Personal, Energie oder Instandhaltung aufzufangen“, sagt Ingo Wortmann, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und Präsident des VDV. „Für den Ausbau und die Modernisierung fehlen die Mittel. Wir waren im ÖPNV nie weiter weg von den im Zuge der Verkehrswende politischen vereinbarten Ausbauzielen als heute.“ Nahezu alle großen Verkehrsunternehmen hätte Ausbaupläne in der Schublade, „doch wir hören nichts davon, ob der geplante Ausbau- und Modernisierungspakt überhaupt zustande kommt.“
Alle reden von der Verkehrswende. Welchen Anteil hat das Deutschlandticket? Lässt sich das nach einem Jahr schon sagen?
Für eine genaue Analyse ist es noch zu früh, aber erste Trends sind erkennbar. Bei den Nutzern des Deutschlandtickets sinkt laut Marktforschung, die der VDV in Auftrag gegeben hat, die Zahl der Pkw-Fahrten um durchschnittlich 16 Prozent. 25 Prozent der Fahrten mit dem D-Ticket wären ohne nicht gemacht worden. Davon sind zwölf Prozent verlagerte Fahrten aus anderen Verkehrsmitteln. 53 Prozent der D-Ticket-Nutzer fahren häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln, 16 Prozent über die Grenzen des eigenen Verkehrsverbundes hinaus. Sie legen dabei weitere Entfernungen zurück, im Durchschnitt 16 Kilometer. 35 Prozent der Nutzer sind zwischen 14 und 29 Jahre alt. Auf dem Land spielt das Ticket eine untergeordnete Rolle. Nur 21 Prozent leben außerhalb der Ballungsgebiete.
Wie lange wird der Ticketpreis von 49 Euro Bestand haben?
Auf die Frage zu Preiserhöhungen reagieren der VDV und der NRW-Verkehrsminister äußerst zurückhaltend. Oliver Krischer geht davon aus, dass sich das Ticket mit den insgesamt sechs Milliarden Euro, die Bund und Länder für die Jahre 2023 und 2024 zur Verfügung stellen, „ohne Probleme finanzieren lässt“. Das liegt vor allem daran, dass es 2023 erst im Mai statt wie ursprünglich geplant im Januar eingeführt wurde und deshalb aus 2023 noch eine Milliarde übertragen werden konnte.
„Es sind drei Komponenten, die das Ticket finanzieren. Der Zuschuss des Bundes, der Länder und die Einnahmen, die von der Zahl der verkauften Abos abhängen wird. Wir haben mehrere Unbekannte. Preisdiskussionen für 2025 machen zurzeit keinen Sinn. Wir werden sie im Herbst aber führen müssen.“ Man habe das Ziel, dann zu einer langfristigen Lösung zu kommen. „Wir können die Finanzierungsdiskussion nicht jedes Jahr aufs Neue führen“, so Krischer.