Eine Schnecke legt bis zu 400 Eier. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die Tiere Gärtnerinnen und Gärtner zur Verzweiflung treiben.
„Brutal, was für Schäden entstehen“Warum so viele Schnecken die Gärten in Köln und der Region kahl fressen
Eine Plage! Da sind sich fast alle, die man fragt, einig: Profigärtner, Hobbygärtnerinnen, Kleingärtner mit Jahrzehnten Erfahrung im Gemüseanbau, Städter mit Hochbeeten und Dorfbewohnerinnen mit üppigen Gärten. Sie haben einen gemeinsamen Feind: Die Nacktschnecke. Nein, die Nacktschnecken. Hunderte, Tausende, Unzählige. Kommen in der Dämmerung aus ihren Verstecken und fressen sich durch den Garten, löchern junge Hortensienblätter, vernichten Funkien, verputzen Salat, knabbern Erdbeeren an und sind überhaupt unansehnlich, schleimig, unerwünscht. Eine Plage eben.
Otto Müller kann über Schnecken noch lachen
„Es ist brutal, was für Schäden entstehen“, sagt Otto Müller, Inhaber und Namensgeber von Garten Müller in Köln-Weiden. Er ist einer, der es wissen muss. Pflanzen-Doc nennt er sich, gibt Kundinnen und Kunden Tipps, wie es prächtig sprießt im Garten. Auch er ist betroffen von der Schneckenplage, die 2024 über das Rheinland gekommen ist. „Ich habe in der ersten Etage noch eine Terrasse mit Minipetunien in herrlichen Pflanzgefäßen. Selbst die sind abgefressen! Dass die Schnecke da hochkommt, das hätte ich nicht gedacht.“
Otto Müller kann aber noch über die Plage lachen, erzählt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ einen Witz über eine Schnecke, die im Kölner Stauchaos lieber über die Straße kriecht, als in ein Auto einzusteigen. „Danke, ich hab’s eilig“, sagt sie. Wer Otto Müller zuhört, ahnt: Die Schnecke muss schnell in einen Garten, ins Beet, Pflanzen fressen und die Menschen zur Verzweiflung treiben.
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Wolfgang Müller, einst Erster Vorsitzender des Kleingärtnervereins Ruhlach in Leverkusen-Opladen, ist seit dem Hochwasser 2021, in dem sein Garten unterging, katastrophenerprobt. Er will nicht verzweifeln: „Ich kaufe immer mehr Pflanzen, als ich brauche – damit die Schnecken auch was haben.“ 192 Kleingärten gibt es in der Anlage, die direkt an die Wupper grenzt. „Alle, die hier einen Kleingarten haben, kämpfen mit den Schnecken“, sagt Müller. „Ein Drittel der Ernte fällt aus. Man kann sich das nicht vorstellen. Wenn ich zehn Salate pflanze, sind am nächsten Morgen nur noch acht da.“ Kleine Setzlinge, fünf bis zehn Zentimeter hoch, pflanzt Müller ein. „Wenn ich sie nicht abdecke, ist nach einer Woche keiner mehr da.“
Der Regen ist schuld
„Ich habe dieses Jahr die Bohnen zweimal gepflanzt“, sagt Anja Klein am Telefon. Klein und ihrem von ihr so getauften „kleinen Horrorgarten“, einem 350 Quadratmeter großen naturnahen Schrebergarten im Kölner Blücherpark, folgen auf Instagram knapp 140.000 Menschen. Gemüse baut sie in der Regel in Hochbeeten an, auch die waren kein Problem für die Schädlinge, es seien einige „alpine Schnecken“ bei ihr im Garten gewesen, „echte Kletterkünstler“, sagt sie. „Ich habe die Bohnen zuerst in die Erde gepflanzt, da wurden sie schnell gefressen. Also musste ich sie vorziehen, bis sie eine gewisse Größe hatten. Dann habe ich sie ausgepflanzt und auch sie sind angefressen worden. Aber sie haben es geschafft.“
Der Regen ist schuld an der Misere, die Schnecke liebt es nass. Nach mehreren Trockenjahren, in denen die Grundwasserspiegel bedenklich sanken, Rasen vertrockneten und die Zahl der Schnecken zurückging, schüttete es schon 2023 in Massen. Das Landesumweltamt registrierte gar die höchste Jahresniederschlagsmenge seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881. 1198 Liter Niederschlag ergossen sich vergangenes Jahr demnach pro Quadratmeter in NRW – 2022 waren es nur 716, 2021 bloß 841 Liter.
Es folgte ein milder Winter, der im Mittel 2,7 Grad wärmer war als die schon historisch warme Vergleichsperiode 1991 bis 2020. Und es regnete weiter: Der Zeitraum vom 1. Oktober 2023 bis 31. März 2024 werde „in die Wetterannalen eingehen“, verkündete der Deutsche Wetterdienst (DWD) im Frühjahr, denn es sei „das niederschlagsreichste Winterhalbjahr“ seit Messbeginn gewesen. „Sehr bemerkenswert und bisher beispiellos“, lautete das Fazit des DWD. Der Winter ging vorüber, der Regen aber bleibt dem Rheinland bis heute zuverlässig erhalten. Längere Trockenphasen wie in Vorjahren sind diesen Sommer bislang ausgeblieben.
Perfekte Bedingungen für die Nacktschnecke, korrekter Name: Spanische Wegschnecke. Seit fünf bis sechs Jahrzehnten breitet sie sich von Süddeutschland kommend unaufhaltsam aus. Studien haben zuletzt gezeigt, dass sie keineswegs aus Spanien kommt, womöglich gar keine invasive Art ist, sondern uns nur so vorkommt, weil sie sich explosionsartig vermehrt hat. Dazu trägt jedes Exemplar bei: Die Spanischen Wegschnecken sind Hermaphroditen, haben männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale. Eine einzelne Schnecke legt jährlich bis zu 400 Eier. Nicht auf einmal, sondern in Gruppen von bis zu 50 Stück. Und der junge Nachwuchs ist wiederum nach einigen Wochen geschlechtsreif.
Der Kampf gegen die Schnecken beginnt bei den Eiern
Der Kampf gegen die Schneckenplage beginnt dann auch schon bei den Eiern. Von Ende Juni bis in den Spätherbst werden sie in Erdlöchern, unter losen Brettern und Steinen und in dunklen Höhlen unter Pflanzkübeln abgelegt. Stecknadelgroß, weiß oder gelblich – wer die Eier entdeckt, kann die Plage des folgenden Jahres direkt bekämpfen. Sie können einfach freigelegt und in der Sonne getrocknet werden, die Vögel werden sich über das Futter freuen.
Ebenso ist es hilfreich, das Beet im Herbst und im Frühjahr umzugraben, die Gelege so zu zerstören und die Eier für Fressfeinde auszubuddeln. Tigerschnegel sind solche Feinde – getigerte Weichtiere, die den Nacktschnecken in Körperform und Größe ähneln, in den Gärten aber alleine deshalb schon nützlich sind, weil sie die Schneckenpopulation dezimieren und alte Pflanzenreste fressen.
Anja Klein setzt auf Glühwürmchen in ihrem „Horrorgarten“: „Die Larven fressen Schneckeneier.“ Der Nachteil: „Die kommen nur freiwillig, halten kann ich Glühwürmchenlarven nicht.“ Das gilt auch für Igel, auf deren Speiseplan die Schnecken stehen. Aber man kann es ihnen so angenehm machen, dass sie gerne den eigenen Garten besuchen: In Laubhaufen fühlen sie sich wohl, windgeschützte dunkle Höhlen können sie sich darin bauen. „Unser Garten ist nicht der ordentlichste“, sagt Klein. „Deshalb kommen die Igel auch zu uns.“
Bei entsprechender Gartengröße und der nötigen Fürsorge und Pflege helfen auch Laufenten: Sie erschnüffeln die Tagesverstecke der Schnecken und fressen sie zuverlässig. Manch Bauer in der Region hat in der Vergangenheit seine Tiere schon an Gartenbesitzer vermietet. Das Problem: Sind die Schnecken verputzt, machen die Enten nicht Halt und rupfen gerne auch an den Pflanzen auf der Suche nach Futter.
Schneckenkorn tötet alle Schnecken
Kupferbänder, Kaffeesatz, Schneckenzäune, Eierschalen, Holzspäne, Schafwolle – wer nach Mitteln gegen den Schneckenbefall sucht, findet zahlreiche Tipps und liest Berichte von sehr wechselhaften Ergebnissen. Eines, das in jedem Fall hilft, ist bei Gärtnerinnen und Gärtnern umstritten: Schneckenkorn. Egal, ob es biologischen Ursprungs und für Tiere und Umwelt nicht schädlich ist oder eine pure Chemiekeule ohne Rücksicht auf Verluste: Keiner der Experten setzt das Mittel, das die Schädlinge tötet, gerne ein. Zumal es alle Schnecken dahinrafft, auch die weniger gefräßigen Gehäuseschnecken und Tigerschnegel. „Nur, wenn es gar nicht anders geht“, sagt Anja Klein. „Wenn jemand aber echt Stress mit Schnecken hat, ist ein biologisches Schneckenkorn auch in Ordnung.“ Der Leverkusener Kleingärtner Wolfgang Müller sagt hingegen: „Schneckenkorn will ich nicht einsetzen, die Chemie kommt mir nicht in den Garten.“
Er habe durchaus „hochwirksame Schneckenkörner“ im Programm, die umwelt- und tierfreundlich seien, sagt Otto Müller von Garten Müller in Weiden. Er ist pragmatisch: „Ein Schild aufzustellen wird Schnecken nicht davon abhalten, den Salat zu fressen.“ Patrick Stapper, Gärtner des Seeberger Pflanzenhofs, ergänzt, Mittel mit Eisen-3-Phosphat seien für Igel, Katzen und Hunde nicht gefährlich und würden im Boden abgebaut. Von Schneckenlinsen und anderen Mitteln mit dem Wirkstoff Metaldehyd rät er dringend ab. Tatsächlich kann dieser für Tiere und Kleinkinder gefährlich sein.
Wer auf die Biozide gänzlich verzichten, den Garten aber nicht kampflos der Spanischen Wegschnecke überlassen will, hat noch diese Möglichkeit: Frühmorgens aufstehen, die Schnecken aus dem Beet sammeln und möglichst weit vom eigenen Garten entfernt entsorgen. Wer besonders hart gesotten ist, durchtrennt sie mit Schere oder Spaten, viele Gärtner geben diesen Ratschlag. Nicht weniger grausam finden manche das alte Hausmittel Bierfalle. Wer allerdings eine Schale mit Bier füllt und die Schnecken so des Nachts ersaufen lässt, lockt wohl nur etliche weitere Exemplare an. Kleingärtner Wolfgang Müller weiß das, ist vom Erfolg dennoch überzeugt: „Einmal habe ich 27 Stück in einer Nacht so gefangen“.
Einen Ratschlag hat Müller noch: „Ich gieße immer morgens, nicht abends. Über den trockenen Boden kriechen die Schnecken nachts nicht gerne. Also stehe ich um vier oder fünf Uhr im Garten und bin am Wässern. Der frühe Wurm fängt den Fisch.“