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Bürgerrat gegen DesinformationHilft dieser Kölner mit, die Demokratie zu retten?

Lesezeit 4 Minuten
Der Kölner Christian Erichsen sitzt mit einem Laptop am Tisch.

Der Kölner Christian Erichsen war Teil des neuen Bürgerrates und übergibt an diesem Donnerstag Innenministerin Faeser Empfehlungen zum Thema Desinformation. Was hat er bei der Arbeit im Bürgerrat über Demokratie gelernt?

Die Hoffnungen sind groß: Bürgerräte sollen für mehr Demokratie sorgen und am besten noch den Rechtspopulismus stoppen. Ein Kölner hat mitgemacht.

Das Problem seien nicht nur die offensichtlichen Lügen, meint Christian Erichsen. „Oft schleicht sich Desinformation durch die Hintertür ein, man bekommt etwas untergejubelt, ohne es zu merken.“ Wie schnell das gehen kann, habe er durch sein Hobby, die Musik, gemerkt. Seit Jahrzehnten spielt Erichsen Schlagzeug und Gitarre. Die Instrumente nehmen in der kleinen Wohnung des 60-Jährigen im Kölner Norden fast einen ganzen Raum ein. „Deshalb bin ich auch viel auf Instagram unterwegs, um mir Inspiration und neue Impulse zu holen.“

Doch mit der Zeit, so erzählt er, spülte der Instagram-Algorithmus nicht nur musikalische Inspiration in seine Timeline. Immer öfter sah er Influencer, die vordergründig Lifestyle-Tipps geben, „aber durch die Hintertür ein rechtes Weltbild propagieren“. „Das machen sie so geschickt, dass man es erst mit der Zeit merkt.“

Spätestens seit Corona wuchern Fake-News in den sozialen Medien

Spätestens seit der Corona-Pandemie, als Verschwörungstheorien über geheime Drahtzieher hinter dem Virus und Falschinformationen über Impfungen in Social-Media-Kanälen und Telegram-Gruppen wucherten, wird diskutiert, wie mit dem Problem grassierender Fake-News umzugehen ist. Doch die Antwort ist nicht einfach. Denn wo beginnt Desinformation? Und wo Zensur? Wie schützt man Deutschland vor Wahlbeeinflussung aus dem Ausland? Und wie schützt man gleichzeitig die Meinungsfreiheit?

Diesen Fragen ging das „Forum gegen Fakes“ im Auftrag des Bundesministeriums des Innern und der Bertelsmann Stiftung nach. Dazu wurden zwei Beteiligungsformate miteinander kombiniert: Eine Online-Befragung, bei der über 400.000 Bürger ihre Ideen einbrachten. Und ein Bürgerrat mit 120 zufällig ausgewählten Teilnehmern, der diese Ideen diskutierte und schließlich 15 Empfehlungen und 28 Maßnahmen zum Umgang mit Desinformation erarbeitete. Der Kölner Christian Erichsen war einer von ihnen. An diesem Donnerstag übergibt er die Empfehlungen an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Zu den Forderungen gehören unter anderem die Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten und die stärkere Eindämmung von Desinformation. Außerdem soll eine unabhängige Anlaufstelle zur Beratung, Prüfung und Richtigstellung von Fake News eingerichtet werden.

Die große Hoffnung auf die Bürgerräte

Zwei Wochenenden verbrachte Erichsen dafür in Berlin, den Rest der Zeit fanden die Diskussionen online statt, insgesamt neun volle Arbeitstage. Seit 30 Jahren engagiert sich Erichsen in seinem Beruf als Bibliothekar auch als Betriebsrat. Mit politischen Diskussionen kennt er sich aus. Die Organisation, aber auch die Diskussionen mit den anderen Teilnehmern beim „Forum gegen Fakes“ bezeichnet er als vorbildlich: „Es herrschte eine Debattenkultur, wie ich sie mir nur wünschen kann“, sagt er rückblickend. „Ich hatte den Eindruck, dass wirklich ein Querschnitt der Gesellschaft zusammengekommen ist. Und dass bei allen Meinungsverschiedenheiten und trotz des schwierigen Themas freundlich und respektvoll miteinander umgegangen wurde.“

Neben den Diskussionen gab es immer wieder Impulsvorträge, zum Beispiel von Vertretern von Youtube oder Wikipedia. Der Aufwand, der für die Diskussionsrunden betrieben wurde, hat bei Erichsen den Eindruck hinterlassen: „Die Organisatoren nehmen das hier ernst und wollen wirklich, dass etwas dabei herauskommt.“

Bürgerräte liegen im Trend

Bürgerräte liegen im Trend. Und mit ihnen verbinden sich viele Hoffnungen: Der Soziologe Steffan Mau etwa sieht in ihnen das Potenzial, die gerade in Ostdeutschland grassierende Politikverdrossenheit einzudämmen – und damit möglicherweise auch den Rechtspopulismus. Auch die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag für mehr solcher Beteiligungsforen ausgesprochen.

Erichsen ist aufgrund seiner eigenen Erfahrung davon überzeugt, dass Bürgerräte der Demokratie guttun. „Dass man damit nicht allen Demokratie-Skeptikern den Wind aus den Segeln nehmen wird, ist klar. Aber solche Formate geben den Bürgern das Gefühl: Wir hören auch zu und wir nehmen eure Belange ernst.“

Wie ernst der Bundestag die Anliegen des Bürgerrats tatsächlich nimmt, bleibt abzuwarten. Denn rechtlich bindend sind die Empfehlungen, die Erichsen und seine Mitstreiter erarbeitet haben, nicht. Im Februar 2024 hat ein ähnlicher Bürgerrat Vorschläge zur Ernährungspolitik gemacht. Bisher ist aus ihnen nichts gefolgt. Erichsen jedenfalls ist optimistisch, dass die Anliegen des „Forums gegen Fakes“ Gehör finden. „Entscheidend ist erst einmal, dass es solche Formate gibt und dass wir es versucht haben.“