Chlodwig Eck in der Südstadt„Früher war der Karneval in Köln weitaus exzessiver“
- 30 Jahre gibt es das Chlodwig Eck in der Kölner Südstadt bereits.
- Gerne bezeichnet Wolfgang Niedecken rückblickend die Veedelskneipe als das „zweite Wohnzimmer“ der Band. Hier gingen die Musiker ein und aus, schrieben Liedtexte, gaben kuschelige Konzerte.
- Wir haben Betreiber Robert Hilbers getroffen. Ein Gespräch über die Anfänge der Kneipe mit Clemens Böll, durchlebte Krisen, Karneval und die Südstadt.
Köln – Die selbstgebastelte Girlande hängt nach Silvester immer noch über der Theke, sie bildet die Worte: „Verdamp lang her“. Der Ausspruch ist zweierlei – die Erkenntnis, dass die drei Jahrzehnte, die Robert Hilbers das Chlodwig Eck bereits betreibt, sein halbes Leben ausmachen. Und bekanntermaßen der Songtitel einer der größten Hits von BAP. Anlässlich des 30. Jubiläums findet der BAP-Sänger Wolfgang Niedecken „unglaublich“, dass Hilbers seine Kultkneipe davor bewahrt habe „gentrifiziert zu werden“, wie Niedecken auf Facebook schreibt.
Das Chlodwig Eck gibt es seit 30 Jahren. Es gab Ende Dezember zwar keine offizielle Jubiläumsfeier, aber BAP-Sänger Wolfang Niedecken kam kurz vorbei, um zu gratulieren. Was bedeutet Ihnen dieses Jubiläum?
Robert Hilbers: Wir hatten normal geöffnet: Es waren viele Stammgäste von anno pief da, und auch Personal der letzten Jahre. Was zählt ist, dass wir immer noch keine fancy oder schicki-micki Bar sind. Und es fühlt sich nicht an wie 30 Jahre. Als wir das Eck 1989 übernommen haben, habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, wie lange wir bestehen würden. Damals lebte ich in den Tag hinein und auch heute tue ich das noch. Gerade habe ich meinen Pachtvertrag um zehn Jahre lang verlängert.
Das Chlodwig Eck gehörte vorher Clemens Böll, dem Neffen des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll. Er eröffnete die Kneipe 1979 zunächst am Chlodwigplatz, ein paar Jahre später zog sie dann in die Annostraße.
Durch den Heinrich war das hier ein kultureller Treff, er selbst ist auch ein- und ausgegangen. Er hat eine Menge Kulturprominenz angezogen. Ich habe nur die Endzeit vom Clemens mitbekommen, weil ich erst 1985 nach Köln gekommen bin. Clemens kannte ich zunächst vom Sehen, er war eine Institution in der Kölner Südstadt und sehr umtriebig.
Dass ich das Eck damals von ihm übernommen habe, gilt inzwischen als offizielle Historie, aber es waren zwischendurch auch andere hier: etwa Linus Büttgen, der die erste Cocktaillounge der Südstadt daraus gemacht hat und die gefloppt ist, weil er die Getränke zu hochpreisig angesetzt hat und einen Türsteher hatte. Die Leute, die vorher hier verkehrten, sind nicht mehr hergekommen. Später mit mir kam das Kulturpublikum aber wieder: Beispielsweise der Galerist Ingo Kümmel. Ich habe diese Leute oft nicht erkannt und mit den Bildenden Künsten hatte ich nicht viel am Hut.
Man möchte seine Gäste vielleicht auch in Ruhe lassen, statt sie ständig auf ihre Person anzusprechen.
Natürlich. Das war auch der Grund, weshalb die aktuellen BAP-Leute irgendwann nicht mehr kamen, weil die Leute sie ständig angesprochen haben. BAP-Tourismus gibt es auch heute noch. Immer wieder kommen Leute und fragen, ob Wolfgang noch hierhin kommt und dann wird die BAP-Ecke ehrfürchtig abgeknipst. Das ist mir schon fast suspekt.
Niedecken war mit BAP gerade zu Ihren Anfangszeiten ständig hier. Das Eck war ihr „zweites Wohnzimmer“, einige Songtexte sind hier entstanden wie zum Beispiel „Jupp“ oder „rut-wieß-blau querjestrieften Frau“. Wie kam das?
BAP hatte in seinen Anfängen einen Wettbewerb gewonnen und durfte sich ein Wohnzimmerkonzert wünschen: Das haben sie bei mir gemacht. Erst vor kurzem hat Niedecken mir wieder etwas vermacht, das in unserer BAP-Museumsecke hängt: das letzte T-Shirt der „rut-wieß-Rut-wieß-blau, quer jestrievten Frau“-Tour aus den Achtzigern. Zum 30. Geburtstag hat er uns ein weiteres Shirt und eine altes schwarz-weiß-Foto mit der Ursprungsformation mitgebracht. Das kommt da nun auch noch hin.
Was ist für Sie der größte Erfolg nach 30 Jahren und welche Krise hat Sie am meisten geprägt?
Zur Person und zur Kneipe
Robert Hilbers ist 1985 nach Köln gekommen. Der 59-Jährige ist mit Sabine Hilbers verheiratet. Beide stehen heute auch an der Theke des Chlodwig Eck. Das Ehepaar hat drei Kinder. Hilbers unterbrach in den Achtzigern sein Studium, weil sich die Chance ergeben hatte, das Chlodwig Eck zu übernehmen. Jahrelang war die Kneipe auch ein Restaurant. Im Zuge des Rauchverbots stellte Hilbers auf reinen Kneipenbetrieb um.
Das Chlodwig Eck ist eine Kneipeninstitution in der Kölner Südstadt. Charakteristisch für ihre Einrichtung ist das bunte Wandgemälde. Im Auftrag von Hilbers verewigte Künstler Markus Schöne ein paar „Köppe“: Er porträtierte sämtliche Stammgäste und Freunde der Kneipe. (gam)
Der größte Erfolg ist, dass ich noch hier bin. Ende der Neunziger war die Südstadt beim Ordnungsamt noch wegen der Stollwerck-Besetzung im Jahr 1980 nicht so beliebt. Sie wurde als Sanierungsviertel deklariert und das Stollwerck abgerissen, wo dann viele Neubauten hinkamen. Es wurde rigoros auf die Sperrzeit-Einhaltung geachtet. Die Südstadt war auch ein beliebter Treffpunkt für die Bergheimer, die wurden von Südstädtern aber gar nicht geschätzt, weil sie die Parkplätze wegnahmen und dann kam das Anwohnerparken. Daraufhin ist der Kneipentourismus aus dem Umland weggefallen. Damals kam parallel auch Ehrenfeld hoch und da haben wir Gastronomen eine existenzgefährdende Krise erlebt.
Wie konnten Sie sich wieder aus der Krise winden?
Ich habe weniger Tresen-Personal eingestellt und es auch verjüngt. Mein ältester Sohn kam ins passende Alter und der hat natürlich seine Leute hergebracht und seine Musik gespielt. Ich habe Musik wie Hip-Hop gar nicht gehört und wäre nicht auf den Trichter gekommen. Dadurch hat sich das Publikum flott verändert.
Karneval steht vor der Tür und das Chlodwig Eck platzt traditionell aus allen Nähten. Sie nicken schon vielsagend…
Zum Glück ist Karneval dieses Jahr relativ spät.
Sind Sie etwa schon genervt von den bevorstehenden, jecken Tagen?
Von Karneval selbst nicht, aber von der Vorbereitung. Ich bin immer noch total aufgeregt. Ich fange jetzt schon an, zu träumen und werde vom Karneval wach, weil ich an so vieles denken muss. Versteht keiner, weil ich das schon 30 Jahre lang mache. Aber ich bekomme da einfach keine Routine rein. Beispiel: Die Bänke und Podeste werden komplett mit dünnen Holzplatten verkleidet. Das ist eine Riesenarbeit. Nachher wird renoviert und alles neu gestrichen, weil die Wände schwarz sind.
Hatten Sie in all den Jahren an Karneval ein besonders nerviges Erlebnis?
Im Großen und Ganzen bin ich immer wieder fasziniert davon, dass das so harmlos verläuft. Klar, gibt es Rangeleien. Früher war der Karneval aber weitaus exzessiver und desaströser. Anfang der Neunziger war die Kreuzung hier immer voll und zwar schon donnerstags um 12 Uhr. Was heute Kiosktrinker sind, waren früher Sekt- und Weintrinker, die mit Flaschen auf der Straße standen.
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In den ersten Jahren habe ich mir mal Glas von einer Sektflasche durch die Sohle getreten, seitdem trage ich nur noch Sicherheitsschuhe. Und die Toiletten: Ich kann mich erinnern, dass irgendwer mal die Kloschüssel weggetreten hat. Mindestens ein- oder zweimal am Tag war das Urinal verstopft. Seit locker zehn, elf Jahren gibt es das so gut wie nicht mehr.
Wie hat sich das Nachtleben in der Südstadt verändert?
Heute gibt es deutlich mehr Möglichkeiten. Die Klientel hat sich sehr verändert durch den Rheinauhafen. Sie ist viel internationaler geworden. Auch altersmäßig ist es super gemischt. Gerade bei FC-Spielen sitzen hinten bei mir die 16-Jährigen und dann geht es immer weiter hoch. Das finde ich total cool.
Sie sind gebürtiger Westfale. Identifizieren Sie sich mit dem Veedel und seinen Bewohnern?
Die Südstadt ist doch eigentlich viel zu schnuckelig für diese Welt, oder? Ich finde sie manchmal zu kitschig und harmonisch. Im Vergleich zu früher ist sie echt harmlos. Damals zu Zeiten der Stollwerck-Besetzung war sie noch ein sozialer Brennpunkt.
Im Eck wird vor allem Kölsch gezapft und getrunken. Welche kuriosen Getränketrends haben Sie mitbekommen?
Kurios finde ich, was die jungen Leute sich vorstellen: Zum Beispiel Wodka-Red-Bull. Vor 20 Jahren meinte mein Sohn schon, „Papa, wir müssen Wodka-Red-Bull auf die Karte setzen“. Neu bei uns ist jetzt zum Beispiel der Longdrink Moscow Mule. Das setzt hier alles immer etwas zeitverzögert ein, denn ich schließe mich nicht gleich jedem Trend an. Auf Eintagsfliegen habe ich keine Lust. Insgesamt kann man sagen, dass pro Kopf einfach nicht mehr so viel Alkohol getrunken wird wie früher.