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„Barinton“-Betreiber über drohendes Aus„Vom Vermieter gab es schon Drohungen“

Lesezeit 7 Minuten
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Georges Sintcheu  vor dem Club „Barinton“ in Ehrenfeld

  1. Dem Ehrenfelder Live-Musik-Club „Barinton“ droht zum Jahresende die Schließung.
  2. Betreiber Georges Sintcheu spricht im Interview über die Hintergründe des drohenden Aus, seine Petition gegen die Schließung und Köln als Musikerstadt.

Köln – Ein roter Samtvorhang wellt sich über der Bühne, die Pflanze auf dem Bartresen ist in rotes Licht getaucht: Die Deko im Live-Club Barinton ist bis auf einzelne rote Akzente auf das Wesentliche reduziert. Seine Fassade mit dem rötlich-verblassten Anstrich ist in typisch Ehrenfelder Szene-Manier auf angenehme Weise heruntergekommen und scheint sich selbst überlassen. Willkürlich angebrachte Sticker und Poster versperren den Blick auf die Tür, während drinnen Bühne, Bar und Tanzfläche warten: Den Rest erledigen Funk und Jazz. Wir haben Betreiber Georges Sintcheu getroffen.

Herr Sintcheu, zum 31. Dezember droht dem Barinton die Schließung. Ihr Mietvertrag wurde nicht verlängert. Seit wann wissen Sie es?

Ich weiß es seit April. Ich habe ein Gespräch mit dem Vermieter gesucht, das jedoch nicht stattgefunden hat. Die Hausverwaltung würde mich zwar gern als Mieter übernehmen, aber die Verträge zwischen ihr und meinem Vermieter sind wasserdicht. Danach habe ich eine Mail an den Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld geschrieben, der schnell reagiert hat und auch das Kulturamt und Klubkomm (Interessengemeinschaft der Kölner Clubs, Anm. d. Red.) wurden informiert. Der Bezirksbürgermeister schlug erst mal vor, vorab mit allen Beteiligen zu sprechen, um eine Lösung zu finden. Eine Grünen-Politikerin sagte daraufhin, dass das Barinton wichtig für die Kultur sei, da wir Musiker fördern und wenn es so unter dem Tisch läuft, dann kann bald nichts mehr machen. Also habe ich es öffentlich gemacht: Die Teilnahme ist sehr groß.

Sie haben dann eine Petition gegen die Schließung gestartet. Nach jetzigem Stand haben rund 4000 Menschen sie unterschrieben. Gibt es denn eine reale Chance der Rettung oder ist die Schließung eigentlich unumkehrbar?

Denkbar wäre die Möglichkeit, an die Eigentümerin heranzutreten, die selber Künstlerin, Fotografin, ist und eine eigene Galerie in Köln hat. Wenn die Hausverwaltung mit ihr spricht und ihr klar macht, dass es auch hier um Kunst geht… Allerdings kenne ich die Vertragsverhältnisse nicht, aber vielleicht kann sie ein „Machtwort“ sprechen.

Das Barinton

Die Zukunft des Clubs ist unklar. Der Bezirksbürgermeister Josef Wirges sagte Anfang November seine Unterstützung zu und schlug Lösungen vor: So könne ein Schallschutz-Sachverständiger den Club begutachten, die Finanzierung einer Schallschutz-Maßnahme durch die Stadt sei gewährleistet. Diese Lösung setzt eine Verlängerung des Mietvertrages voraus, das lehnt der Vermieter ab. Er hat nun eine Bedenkzeit von etwa drei Wochen, dann gibt es ein weiteres Gespräch. (gam)

Der Grüne Weg, wo sich das Barinton befindet, war eine Zeit lang eine richtige Partymeile. 2010 eröffnete die Papierfabrik. Auch der Club Sensor befand sich hier sowie der Club Jungle. Alles weg: Haben Sie das nicht schon immer befürchtet, dass es Sie auch treffen würde?

Irgendwann kommt immer ein Ende. Papierfabrik und Jungle waren Zwischennutzungen, sie wussten selbst, dass es zu Ende gehen würde. Beim Barinton geht es aber nicht um Wohnungs- oder Bürobauten, nicht um Abriss: Es gibt also keine Dringlichkeit. Der Hauptmieter will vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen sein Hotel und seine Airbnb-Unterkünfte erweitern. Die Mitbetreiber des Hotels haben mir sogar schon mal Geld angeboten, weil sie hier ihr Restaurant bauen wollen. Vom Vermieter gab es im Laufe der Jahre schon Drohungen, auch vor Gästen. Ich konnte immer vorweisen, dass ich entsprechende Genehmigungen habe. Dabei wollte ich stets ein gutes Verhältnis haben.

Ist das für Sie gut oder schlecht, dass Sie der einzige Club in der Straße sind?

Für mich und die Kultur in Köln ist es ein schmerzhafter Verlust, dass es diese Clubs und auch das Underground nicht mehr gibt. Bei den Leuten gibt es eine Hopping-Mentalität und das Dreieck Underground-Barinton-Jungle hat Leben nach Ehrenfeld gebracht. Das Jungle unterstützte beispielsweise eine andere Sparte. Jetzt steht ein Bagger vor der Tür. Mir persönlich geht es ohnehin nicht darum, einen riesigen wirtschaftlichen Profit zu machen. Wir wollen die Kultur fördern und nehmen daher für die meisten Programmpunkte keinen oder nur einen geringen Eintritt. Das Barinton wird von der Stadt nicht unterstützt und wir sind froh, dass es sich bisher aus eigener finanzieller Kraft trägt.

Zur Person

Georges Sintcheu ist 51 Jahre alt und lebt in Köln. Seit 2010 betreibt er das Barinton. 2018 führte er zehn Monate lang das Restaurant „Soulkitchen“ am Bonner Wall. Das Barinton ist ein Treffpunkt für Musiker sowie für Jazz-, Funk- und Soulliebhaber. Bands wie Kempest Finest sind hier entstanden, Comedians wie Luke Mockridge oder Bülent Ceylan standen auf der Bühne. Sintcheu setzt sich für kreative Experimente ein und ermöglicht Musik-Studenten, Projekte durchzuführen.

Die Jam Sessions jeden Donnerstag sind legendäre Abende. Sie eröffnen den Abend zunächst mit Ihrer Hausband „The Barintones“, in der Sie auch selber singen. Was befeuert die Kreativität der Musiker besonders?

Das lässt sich nicht mit Worten definieren. Das ist Kreativität und die Musik ist Kommunikation. Bei den Jam Sessions kann man nicht wissen, was kommt. Das ist wie eine Wundertüte, die man öffnet. Die Musiker sind frei, wer spielen möchte, geht auf die Bühne und spielt oder singt. Eine der besten Band in der Welt ist Snarky Puppy und als sie in Köln waren, kamen sie auch zwei Mal ins Barinton und ich habe es nicht mitgekriegt! Einmal merkte ich, dass gerade eine tierische Trompete spielt. Unglaublich! Und der Bassist von Snarky Puppy stand direkt hinter mir. Auch die Jungs von Sting und Fanta Vier waren hier. Immer wieder neue Überraschungen. Das ist das Interessante: Dass Professionelle und Amateure sich treffen.

Was machen Sie, wenn es gerade mal nicht so gut klingt?

Ich gehe nach vorne und versuche sanft, eine Richtung vorzugeben, ohne unverschämt zu sein. Ich stelle mich an die Seite und gebe Hinweise, was noch Pfeffer in die Sache bringen könnte. Das hat bisher immer geklappt. Die Musiker sind offen.

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Wie sieht es mit der Konkurrenz aus: Der Club Bahnhof Ehrenfeld veranstaltet neben Partys auch Konzerte im Bereich Soul, HipHop, Jazz, Latin. Sehen Sie sich als direkte Konkurrenten?

Nein. Ich kenne die Jungs vom CBE und ich schätze ihre Arbeit, sie machen einen coolen Job. Man ergänzt sich. Konkurrenz belebt ja auch das Geschäft. Die Salsa-Band, die hier jeden ersten und dritten Mittwoch spielt, tritt bei der „Radio Sabor“-Party im CBE auf. Man unterstützt sich.

Wie schätzen Sie Köln als Musikerstadt ein?

Köln ist eine sehr gute Musikerstadt. Auf dieser Bühne habe ich Musiker kennengelernt, die weltweit mithalten können. Eine der ältesten Musiker ist 89 und einer der jüngsten war 17, als er hier zum ersten Mal gespielt hat – er kam mit seinen Eltern. Was er am Schlagzeug spielt, hat keinen Namen. Es gibt immer Stammmusiker, aber auch viel Nachwuchs durch die Musikhochschule.

Wie setzt sich ihr Publikum zusammen?

Es ist sehr altersgemischt. Bei der letzten Salsa-Party war der älteste Gast 90. Man wird nicht schief angeguckt und es gibt hier auch kein Krawall vor der Tür. Ich bin dankbar, dass wir keine Türsteher brauchen. Ich habe auch ein paar Rollstuhlfahrer als Gäste und ein Stammgast, der ein bisschen betrunken war, hat neulich ausversehen einen geschubst. Aber man hat ihn darauf aufmerksam gemacht und es friedlich gelöst.

Sie wurden in Kamerun geboren, sind in Frankreich aufgewachsen und leben nun seit mehr als 25 Jahren in Köln: Wieso hat es Sie nach Köln verschlagen und wie kam dann die Idee für das Barinton?

Ich habe hier an der Fachhochschule Informatik studiert, ich war immer Hobbymusiker. In Kamerun und in Paris bin ich mit Musikern groß geworden, mein Vater wollte aber, dass ich einen anständigen Beruf lerne. Hier in Köln hatte ich schon früh Kontakte zu Musikern. Ich stand zum Beispiel mit den Höhnern auf einer Bühne. Ich hab viel gejammt, beispielsweise in einer Halle in Nippes oder bei der Jam Session im Herbrandt’s. Das war irgendwann weg und ich musste zum Jammen nach Paris fahren, weil es keine Plattform mehr in Köln gab. So kam ich auf die Idee, selbst etwas zu starten. Am Anfang hieß es: Georges, dein Funk- und Soulprojekt kannst du begraben, weil Köln Elektro und Techno ist. Dann schien es erst tatsächlich nicht zu funktionieren, aber ich habe daran. Und wie man sieht, hat es geklappt.