Die Taucher arbeiten in kompletter Stille, Dunkelheit und Einsamkeit – Kontakt halten sie nur über Telefon und eine Leine.
Allein unter WasserDie Einsamkeit der Retter – Unterwegs mit den Tauchern der Feuerwehr Köln
Kurz bevor Feuerwehrtaucher Marco Schwan die lebensgroße Übungspuppe im Fühlinger See versenkt, möchte er noch auf Nummer sicher gehen. „Willst du nicht ´ne Boje dranmachen?“, schlägt er seinem Chef Volker Dittmann vor. Aber der Leiter Tauchwesen der Berufsfeuerwehr Köln lehnt ab, kurz und knapp. „Nö“, antwortet er. „Nur falls wir die Puppe nicht finden“, sagt Schwan. Dittmann lächelt und zieht die Schultern hoch. „Dann wird’s eben ein langer Tag für euch.“
Ein sonniger Vormittag Anfang September, 10 Uhr, 22 Grad, keine Wolke am Himmel. Die Tauchergruppe der Feuerwehr trifft sich hinter den Bootshallen an See 5, in Sichtweite des Blackfoot Beach. Jeden Montag, Dienstag und Mittwoch üben die Kölner Feuerwehrtaucher auf einem der Gewässer in und um Köln. Sie wollen die Anfahrtswege verinnerlichen, die Beschaffenheiten und Tücken der einzelnen Seen und Flüsse kennen lernen und vor allem ihre eigenen Fähigkeiten und das technische Equipment testen.
Feuerwehr Köln: Taucher finden Waffen, Schmuck und Müll im Wasser
In See 5, dem größten der insgesamt sieben Gewässer des Fühlinger Sees, trainieren vier Männer der Tauchergruppe an diesem Tag die Rettung einer ertrunkenen Person. Fahrräder haben sie bei ihren Übungstauchgängen schon aus den verschiedensten Gewässern gezogen, Müll, Autos, Tresore, Pistolen, eine Schrotflinte – und Juwelen, Beutestücke aus einem Raub. „Haben wir natürlich abgegeben“, sagt Dittmann. „Reich werden wir durch unsere Funde nicht.“
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Die Puppe in See 5 befindet sich irgendwo in etwa acht Metern Tiefe. Es ist so dunkel dort, dass Marco Schwan die Hand vor Augen kaum erkennt, er muss sich mit den Händen vortasten. Systematisch sucht er den Grund ab, Zentimeter für Zentimeter.
Die Dunkelheit, die Stille, die Kälte und vor allem die Einsamkeit unten in der Tiefe – das seien die Hauptgründe, warum manche Feuerwehrleute ihre Zusatzausbildung zum Taucher nach einiger Zeit wieder abbrächen, sagt Dittmann. Anders als in einem brennenden Haus, wo die Einsatzkräfte in Köln grundsätzlich in Dreierteams unterwegs sind und sich gegenseitig schützen, ist der Feuerwehrtaucher am Grund eines Gewässers völlig auf sich alleine gestellt. „Das erfordert schon eine gewisse psychische Stabilität“, sagt Dittmann.
Feuerwehr Köln: Tauchergruppe ist 24 Stunden einsatzbereit
Kontakt zu den Kollegen über Wasser hält Marco Schwan über ein kabelgebundenes Tauchtelefon. Und über die Leine, die am Taucheranzug befestigt ist. Das andere Ende hält der so genannte Leinenführer in der Hand, der im Trockenen steht und dem Taucher die Richtung vorgeben kann, in die er sich bewegen muss. Denn unter Wasser ist Orientierung kaum möglich. Fällt das Telefon mal aus, können sich Taucher und Leinenführer über das Ziehen an der Leine verständigen: dreimal ziehen heißt „nach rechts“, zweimal ziehen „nach links“, fünfmal ziehen bedeutet „alles in Ordnung“ und ein Mal ziehen ist das Mayday-Signal: „Holt mich sofort raus.“
Die Tauchergruppe der Kölner Berufsfeuerwehr ist 24 Stunden einsatzbereit, jeweils vier Einsatzkräfte gehören zu einem Trupp. Außer Leinenführer und Taucher sind das der Tauchtruppführer und ein weiterer Sicherheitstaucher; er steht in voller Ausrüstung an Land bereit, um seinem Kollegen im Notfall helfen zu können. Ihre komplette Ausbildung zum Taucher absolvieren die Interessenten in mehreren Lehrgängen bei der Feuerwehr.
Ein weiteres Szenario, das die 40-köpfige Tauchergruppe regelmäßig am Fühlinger See trainiert, ist das Bergen eines versunkenen Autos. Das geschieht in der Regel mit so genannten Hebesäcken, die mit normaler Atemluft aufgefüllt werden und unter Wasser schwere Gegenstände anheben können – seltener mit einem Kran. Um das zu trainieren, hat die Feuerwehr in See 5 einen Kleinwagen versenkt. Er liegt in etwas mehr als sechs Metern Tiefe. „Es handelt sich aber nur um ein Fahrgestell, ohne Motor“, sagt Dittmann. Und es ist auch an diesem Morgen noch da, Marco Schwan hat es ertastet.
Bis zu 20 Meter tief dürfen er und seine Kollegen tauchen, in Ausnahmen zur Menschenrettung bis zu 30 Meter. Für größere Tiefen sind sie weder ausgebildet noch ausgerüstet. Ein Tauchgang dauert maximal 40 Minuten.
Wegen eines Badeunfalls in einem See hatte die Feuerwehr Köln dieses Jahr bisher erst einen Einsatz. Voriges Jahr waren es sechs, ein Mensch konnte nur noch tot geborgen werden. Wegen einer Person im Rhein erreichten die Feuerwehr dieses Jahr bislang zwölf Notrufe, ein Mensch starb. Im Vorjahr waren es 48 Meldungen, und zwei Menschen starben.
Entscheidend sei, sagt Dittmann, dass die Augenzeugen möglichst exakt die Stelle beschreiben können, an der eine Person untergegangen ist. Und dass sie außerdem nach einem Notruf möglichst vor Ort blieben und ihr Handy anließen, um für Rückfragen der Leitstelle erreichbar zu sein.
Nach knapp zehn Minuten hat Marco Schwan die Puppe gefunden und an die Wasseroberfläche gehievt. Triefend sitzt er jetzt auf einer Plastikkiste auf einem Ponton und ruht sich aus. Übung erfolgreich absolviert. „Die Puppe stand im Wasser“, erzählt Schwan. Gegenstände oder Personen zu ertasten, sei jedes Mal „ein kleiner Schreck“. Die Einsamkeit, Dunkelheit, Stille und Orientierungslosigkeit unter Wasser bekämpfe er mit einem kleinen Trick, sagt Marco Schwan: „Ich halte immer eine Hand an der Leine, die Leine ist mein Ruhepol.“ Sein ständiger Kontakt zur Außenwelt. „Und es ist beruhigend zu wissen, dass draußen immer einer ist, der mich im Notfall sofort rausholt.“