Merkenich – Gut ein halbes Jahr ist es inzwischen her, dass der Kölner Stadtrat im Mai die Gründung der KLAR GmbH beschloss. Ziel dieser Gesellschaft, an der die Stadtentwässerungsbetriebe (StEB) und die Stadwerke Köln (SWK) den Großteil der Anteile halten, ist der Bau einer Anlage zur Klärschlammverbrennung am Standort des heute noch bestehenden Heizkraftwerks in Merkenich, dessen Betrieb 2025 eingestellt werden soll. Die Anlage soll ab 2029 neben der Klärschlammtrocknung und -verbrennung perspektivisch auch der Rückgewinnung von Phosphor aus den Rückständen dienen.
Stadt sucht Partnerkommunen
Zurzeit sucht die Stadt unter den Kommunen der Region nach Partnern, die sich an der Anlage beteiligen, um die Menge von 30.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr zu erreichen, die nötig sind, um die Anlage wirtschaftlich betreiben zu können. Eitorf, Troisdorf und Pulheim sollen bereits zugestimmt haben.
Doch bei den Bürgern im Kölner Norden schwelen Frust und Wut über diesen Beschluss weiter. Unter den Bürgervereinen der umliegenden Stadtviertel verfestigt sich der Eindruck, nicht nur übergangen, sondern betrogen worden zu sein. „Wir haben im Frühjahr im Vorfeld sehr intensiv versucht, gegen diesen Beschluss zu intervenieren“, sagt etwa Helga Wagner, Vorsitzende des Bürgervereins Lindweiler. „Damals hat man uns damit beschwichtigt, es ginge bei diesem Beschluss nur um die Gründung einer Gesellschaft, bei allen weiteren Beschlüssen würden die Bürger mit im Boot sitzen.“
Gemeinsam mit Bruno Klais, dem Vorsitzenden des Merkenicher Bürgervereins, plante sie im vergangenen Sommer ein Bürgerbegehren anzustoßen, um die Stadt dazu zu bringen nach Alternativen zu suchen. Doch nach Beratung mit dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Robert Hotstegs, einem Experten für Verfahren zur Bürgerbeteiligung, mussten sie feststellen, dass dieser Weg verbaut ist. „Es gilt eine Frist von drei Monaten ab dem Beschluss, in der ein Bürgerbegehren angestrengt werden kann. Wir haben also keinerlei Möglichkeit mehr, über diesen Weg grundsätzlich Einfluss zu nehmen“, sagt Wagner.
Es geht nicht mehr um das Ob, nur um das Wie
Hotstegs bestätigt dies: „Diese starren Fristen sind eine Besonderheit von NRW, in Bayern gibt es das zum Beispiel nicht“, sagt er. Natürlich würden in weiterem Verlauf des Prozesses auch Verfahren zur Bürgerbeteiligung stattfinden. „Dabei wird es dann jedoch um die Ausgestaltung der Details gehen, nicht mehr um das Ob.“ In diesem Rahmen würden die Bürger ihre Sorgen und Anregungen äußern können, „aber der Rat ist nicht daran gebunden, er wird sie nicht berücksichtigen müssen“, so Hotstegs, der auch das Verfahren um das Bürgerbegehren zur Klimawende Köln begleitet hat – in diesem Fall auf Seiten der Stadt.
„Für mich ist das eine Kampagne zur Förderung der Bürgerverdrossenheit“, sagt Klais. Für ihn und Wagner ist die Klärschlammverbrennungsanlage der Tropfen, der das Fass im Kölner Norden zum Überlaufen bringt. „Wir sind nicht nur von Betrieben der chemischen Industrie umgeben, wie der Wacker Chemie oder Bayer in Leverkusen – die Stadt ist schon seit einiger Zeit dabei, uns zum Abfallzentrum der Region zu machen.“
Klais zählt auf: Im Umkreis von zweieinhalb Kilometer seien die Müllverbrennungsanlage der AVG, eine Plastikaufbereitungsanlage von Remondis, Asphalt- und Altholzverwertungsanlagen, sowie am anderen Rheinufer in Leverkusen eine Sondermüll- und eine Hausmüllverbrennungsanlage zu finden. „Man versichert uns zwar, dass die geplante Anlage die Emissions-Grenzwerte einhalten wird“, so Klais, „aber wird das auch in der Summe aller Emissionen betrachtet?“
Schlamm kommt per Schiff
Politik und Verwaltung argumentieren, dass der Standort gerade auch ökologische Vorteile habe, denn durch die Lage am Fluss könne der Schlamm anderer Kommunen per Schiff angeliefert werden, während derjenige aus dem Klärwerk Stammheim durch einen bereits vorhandenen Düker per Druckleitung transportiert werden könne.
Die Anlieferung per Lkw könne dadurch deutlich reduziert werden, in Stammheim etwa würden 4800 Lkw-Fahrten wegfallen. „Das nutzt uns hier aber nichts“, so Klais. „Uns sagt man, es würden lediglich 23,5 Lkw-Fahrten am Tag hinzu kommen – nach meiner Rechnung wären das 11.200 Fahrten im Jahr.“
Verbrennungsanlage in Hürth-Knapsack
Umweltverbände wie Greenpeace oder der Naturschutzbund (NABU), bei denen die Bürgervereine um Unterstützung warben, folgen der Argumentation der Stadt. „Die sehen keine Alternative, weil man ihnen keine Alternativen aufgezeigt hat“, sagt Wagner. Sie und Klais hingegen schon, nämlich in Hürth-Knapsack, wo RWE plant, bis 2025 eine Monoverbrennungsanlage für Klärschlamm in Betrieb zu nehmen. „Dort gibt es auch bereits eine Infrastruktur zur Phosphor-Rückgewinnung, man müsste die Rückstände praktisch nur über die Straße tragen“, so Klais. Dass aus dem geplanten Bürgerbegehren nichts wird, tut Klais' und Wagners Streitlust daher keinen Abbruch.
„Wir werden uns mit dem Baurecht und dem Vergaberecht auseinandersetzen, das sind die Baustellen, an denen wir noch ansetzen können“, so Wagner. Zunächst aber soll der Protest auf die Straße getragen werden: Für den 29. Januar planen die Bürgervereine des Bezirks Chorweiler mit weiteren aus dem angrenzenden Nippes eine Demonstration, die von Nippes über die Neusser Straße bis zum Ebertplatz im Innenstadtbereich führen soll. „Wir werden laut sein wie die Wahnsinnigen, wir wollen ganz Köln wach rütteln“, kündigt Wagner an.