Für den sogenannten Karnevalsmord von 1988 soll der Angeklagte nach dem Willen der Staatsanwaltschaft eine lebenslange Freiheitsstrafe erhalten. Die Verteidigung will Freispruch.
Spannung bei „Cold Case“ von 1988Staatsanwältin plädiert auf Mord, Verteidiger will Freispruch
Im „Cold Case“-Prozess um die an Karnevalssonntag 1988 getötete Petra Nohl hat die Staatsanwaltschaft eine lebenslange Gefängnisstrafe wegen Mordes gefordert. Die Ermittlerin sah die Mordmerkmale Habgier und niedere Beweggründe als erwiesen an. Der heute 57-jährige Norbert K. habe sein Opfer erdrosselt, der Frau dann einen Brustbeutel mit 100 D-Mark geraubt. Die Verteidigung hingegen sah es ganz anders und forderte einen Freispruch für den Angeklagten.
Kölner Staatsanwältin: „Kein Mörder kann sich sicher sein“
Es sei ein besonderer Fall, so die Staatsanwältin. Nicht nur, weil die Tat an Karneval stattgefunden habe und eine junge Mutter brutal getötet wurde – in skurrilen Szenen fuhren die Schull- un Veedelszöch am Tatort vorbei, der Leichenwagen musste sich einreihen. Sondern auch, weil das Geschehen sich vor nunmehr 36 Jahren abgespielt habe. „Es war ein sogenannter Cold Case, der nun keiner mehr ist.“ Das zeige: Kein Mörder könne sich in Deutschland in Sicherheit wähnen.
Für die Anklägerin stand fest, dass der Angeklagte seinem Opfer in der Tatnacht gefolgt war, nachdem diese die Diskothek „Chari Vari“ im ehemaligen Bierdorf in den Opernpassagen verlassen hatte. Petra Nohl habe zunächst ein Taxi nehmen wollen, sei dann aber zu Fuß in Richtung eines weiteren Lokals gegangen. Im Bereich Albertusstraße wurde sie angegriffen. Norbert K. habe die 24-Jährige zu Boden gewürgt und auf ihren Kopf- und Halsbereich eingetreten, bis sie verblutet sei.
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Köln: Staatsanwältin widerspricht sich bei Raubmotiv selbst
„Treten, Trampeln, Draufknien“, so habe es der Gerichtsmediziner beschrieben, der von 30 massiven Einwirkungen auf den Körper von Petra Nohl gesprochen hatte. Das zeuge laut Staatsanwältin von einem „menschenverachtenden Vernichtungswillen“. Das alleine rechtfertige schon die Annahme eines Mordmerkmals und zwar das des niederen Beweggrundes. Auch zeigte sich die Staatsanwältin überzeugt davon, dass Norbert K. es auf eine kleine Tasche der Geschädigten abgesehen hatte.
Der Inhalt des Brustbeutels mit „Biene Maja“-Aufdruck habe neben dem Opfer gelegen, der Beutel selbst und ein 100 DM-Schein seien weg gewesen. Das angenommene Raubmotiv für die Tötung entkräftete die Staatsanwältin allerdings im gleichen Atemzug. So habe ein Täter um 4 Uhr nachts bei einer Frau, die gerade eine Disko verlassen habe, wohl kaum von hohen Bargeldbeträgen ausgehen können. Die Staatsanwältin: „Das war ja purer Zufall, dass sie überhaupt noch 100 Mark dabeihatte.“
Köln: Verteidiger spricht von DNA-Übertragung in Disko
Stunden später hatten Anwohner die Leiche von Petra Nohl gefunden. DNA-Spuren am Körper der Getöteten hatten den Tatverdacht gegen Norbert K., der die Tat bestreitet, erhärtet. Auf die Spur des Angeklagten hatte ein früherer Freund von K. die Ermittler gebracht, nach einem Bericht in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ im Dezember 2022. Nach mehr als drei Jahrzehnten des Schweigens hatte der Zeuge sich schließlich offenbart, den Namen von Norbert K. ins Spiel gebracht.
Verteidiger Uwe Krechel zeigte sich in seinem Plädoyer von der Unschuld seines Mandanten überzeugt. „Fünf popelige Hautschuppen an der Kleidung des Opfers, reichen nicht aus, um meinen Mandanten wegen Mordes zu verurteilen“, sagte Krechel und bekräftigte seine These, dass die Spuren in der Diskothek übertragen worden seien. Etwa in der Garderobe des Bierdorfs durch die Berührung der Jacken, schließlich sollen Täter und Opfer dieses ja zeitgleich verlassen haben.
Kölner Verdächtiger im letzten Wort: „Ich bin unschuldig“
Auch beim gemeinsamen „Schunkeln“, wovon auch die Staatsanwältin gesprochen hatte, könnten die Hautschuppen übertragen worden sein. Tatrelevante Spuren, etwa am Hals von Petra Nohl, auf den massiv eingewirkt wurde, hätten sich gerade nicht gefunden. Auch der Hauptbelastungszeuge habe lediglich beschrieben, Norbert K. sei „ein paar Meter“ in die gleiche Richtung des Opfers gegangen. Der Tatort befand sich aber einige Gehminuten von der Disko entfernt außer Sichtweite.
Ein Mordurteil würde für den gesundheitlich angeschlagenen 57-jährigen Angeklagten laut Krechel bedeuten, „dass er das Gefängnis nur mit den Füßen voran wieder verlässt“. „Ich bin unschuldig“, sagte Norbert K. im sogenannten letzten Wort und weinte. Das mit Spannung erwartete Urteil will das Gericht am 1. März verkünden. Dann wird auch Petra Nohls Tochter, zur Tatzeit erst 18 Monate alt, wieder im Gerichtssaal anwesend sein. Ihre Anwältin Eva Kuhn sagt: „Wir wollen Gerechtigkeit.“