Kölner Clubs„Der 13. März war einer der traurigsten Momente meines Lebens“
Köln – Sie waren mit die ersten und werden vermutlich die letzten sein: Die Corona-Pandemie hat die Clubs in eine beispiellose Krise gestürzt. Der 13. März 2020 hat sich den Betreiberinnen und Betreibern als traurige Zäsur in ihre Erinnerung eingebrannt. Viele Kölner Clubs zogen an jenem Freitag selbst die Notbremse und sagten ihre Veranstaltungen ab – noch bevor die städtische Anordnung einen Tag später folgte. Wie ist die Stimmung ein Jahr später? Wie geht es mit den Clubs weiter? Wir haben mit vier Akteuren aus dem Nachtleben gesprochen.
Stefan Bohne, 56, vom Artheater in Ehrenfeld, fragt sich, wie man Clubkultur zukünftig wieder positiv besetzen kann
Bohne: Nach unserer Krisensitzung am 13. März war ich allein im Club und habe mich mit zwei Flaschen Gin betrunken. Das war einer der traurigsten Momente meines Lebens, weil wir an unserem erfolgreichsten Punkt waren: Wir wurden für unser Programm ausgezeichnet, hatten eine solide wirtschaftliche Basis, gerade unser 20-Jähriges gefeiert, ein tolles Team – und dann wird dir das aus der Hand gerissen und es gibt keinen Schuldigen.
Keiner konnte wissen, dass eine Pandemie eintritt, die nicht nur eine gesamte Kultur zum Stillstand bringt, sondern in deren Folge auch die Gesellschaft aus den Fugen gerät. Jetzt ein Jahr später definiert sich dieses Gefühl immer pessimistischer. Wenn ich im Rahmen der Verbandsarbeit (mit Livekomm) mit Politikern und Virologen spreche, ist von Öffnungen im Jahr 2022 oder sogar 2023 die Rede.
Verschwitze Körper, die die Arme hochreißen? Das wird es nur sehr langsam geben, zumal wenn weiter so holpernd geimpft wird. Die Frage ist, unter welchen Umständen können wir Clubleben auch mit Einschränkungen wieder ermöglichen? Wenn man für Geimpfte öffnen würde, entsteht wieder eine Ethikdiskussion und die Befürchtung eines versteckten Impfzwangs.
Gerade bin ich für drei Monate in Süditalien in unserem Haus. Ich stehe das so besser durch als in Köln. Ich kann mit meinem Hund ans Meer. Alle meine Freunde aber sind nervös, zu Tode gelangweilt, trinken viel zu viel, oder sind depressiv. Pläne für den Sommer gibt es auch schon: Wir bauen derzeit outdoor im Artheater um. Wir wollen wieder unter Auflagen Gäste im Garten empfangen. Aus der Katastrophe sind dort vergangenen Sommer schöne Momente geboren: Als der erste DJ die Nadel auf die Platte gelegt hat, haben wir fast alle vor Freude geweint.
Kölner Club Subway im Belgischen Viertel
Das Ehepaar Melanie (51) und Marcell Birreck (46) hat sich übergangsweise andere Beschäftigungen gesucht
Melanie Birreck: Wir sind zur Zeit in anderen Bereichen tätig. Ich bin beim Film gelandet und arbeite dort als Corona-Schutz-Koordinatorin. Denn die Krise bedeutet für viele Clubbetreiber und Kulturschaffende den Wechsel vom Geschäftsführergehalt zu Hartz IV, ein Aspekt, der oft unter den Teppich gekehrt wird.
Marcell Birreck: Das perspektivische Arbeiten für unseren Club bleibt natürlich dennoch ganz wichtig. Leider wurde das im vergangen Jahr immer wieder gestoppt. Das zermürbt, man kommt nicht von der Stelle. Man kann sich der Ohnmacht erlegen oder man geht nach vorne und versucht, Alternativen zu finden: Ich bin Musiker und habe das Subway quasi zum Tonstudio umfunktioniert, nehme dort auf, um weiterzumachen, denn der Stillstand ist quälend. Parallel läuft die Planung bezüglich eines Re-Openings nach Corona weiter.
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Melanie Birreck: Als am 14. März die Anordnung zur Schließung kam, kam die große Panik. Wir wurden regelrecht von einer Angstwelle überrollt: Was wird aus uns, was machen wir mit dem Personal? Wann wir wieder in unserem alten Job arbeiten können werden, weiß derzeit niemand. Mit Parties rechnen wir dieses Jahr jedenfalls nicht mehr.
Marcell Birreck: Selbst mit den Impfungen wird das zunächst nicht vollumfänglich wieder möglich sein. Von dieser Vorstellung müssen wir uns befreien und realistisch sein. Es ist daher umso wichtiger, dass die Hilfen weitergehen, damit wir unsere Fixkosten weiter decken können.
Punk-Kneipe Sonic Ballroom in Köln-Ehrenfeld
Christoph Linder, 53, setzt seine Hoffnung auf einen Biergarten-Sommer
An den Freitag, 13. März erinnere ich mich gut: Der Bandbus stand vor der Tür, die Musiker waren schon da. Und dann die Entscheidung: Nein, wir machen das Konzert nicht. Also haben wir die Rollladen runter gemacht. Da waren wir noch der Meinung, wir lassen ein paar Monate zu und können unser Festival im Sommer machen. Die Stimmungslage ist wechselnd, manchmal bin ich genervt, dann wieder gelangweilt. Da wir unter Kulturbetrieb laufen, sind wir von Anfang an vom Finanziellen her gut versorgt, anders als Betriebe, die möglicherweise durchs Raster gefallen sind. Wir haben außerdem eine ganz große Community, Stammgäste, die ohne Ende T-Shirts gekauft und Geld gespendet haben.
Wir sind klein, haben wenig laufende Kosten, dadurch sind wir für die nächste Zeit halbwegs abgesichert. Ich habe manchmal Gelegenheitsjobs. Im Dezember und Januar habe ich mit dem Fahrrad alle T-Shirts persönlich geliefert. Das war schön, denn so habe ich ein paar Gäste vor der Tür getroffen. So habe ich auch die Stadt anders kennengelernt. Der Tag war gefüllt und man wartet nicht nur auf bessere Zeiten. Ich freue mich auf die potenzielle Biergarten-Öffnung. Ich denke, wir können wie letztes Jahr ein kleines Programm fahren: akustische, gemütliche Open-Air-Konzerte, auch wenn das nicht vergleichbar ist mit dem normalen Geschäft.
Wenn alles richtig losgeht, weiß ich nicht, ob es genauso unbeschwert wird wie früher. Manchmal befürchte ich, dass das Publikum da nicht mehr so viel Lust drauf haben könnte. Gerade bei uns ist es sehr eng und sehr schwitzig. Wenn es voll ist, dann fühlt man sich wie in einer Mischung aus Sauna und Waschmaschine.
Aufgezeichnet von Maria Gambino