Köln – Die Botschaft aus dem Rathaus war so klar wie der Himmel über der Stadt: Die Parks in Köln bleiben offen für alle, keine Sperrzonen, keine Zulassungsbeschränkungen. Jeder darf raus und wohin er will, solange das allein, zu zweit oder mit der Familie geschieht. Gerade in diesen spektakulär schönen Frühlingstagen ist das ein Signal an die Kölner, dass die Corona-Krise nicht das komplette Leben der Großstadt zum Erliegen bringen wird. „Am gestrigen Sonntag haben die Kölnerinnen und Kölner bewiesen, dass alle die gemeinsame Verantwortung mittragen und bis auf ganz wenige Fälle die Kontaktsperre einhalten“, sagt OB Henriette Reker nach einem Wochenende, an dem die Grüngürtel und die Rheinufer fast aus allen Nähten zu platzen drohten, Mindestabstände kaum möglich waren, die Regeln aber weitgehend eingehalten wurden. „Wenn das so bleibt, müssen wir über Platzsperrungen gar nicht nachdenken“, sagt Reker.
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Die Stadt untermauert das mit Zahlen des Wochenendes: 168 Verstöße gab es gegen das Versammlungs- oder Kontaktverbot. Dem Vernehmen nach hätte die Zahl um ein Vielfaches höher liegen müssen, bevor Reker ihren Bürgern Sperrungen hätte verordnen wollen. Offenbar ist das Maß dessen voll, was die Stadt im Kampf gegen das Virus auf Dauer für zumutbar hält. Denn Reker machte am Sonntag auch klar: „Wir werden noch ein paar Wochen durchhalten müssen, bevor wir zum normalen Leben zurückkehren können.“ Bis dahin soll ein letzter Rest von Normalität bleiben.
Reker appelliert an die Kölner
Dass viele Kölner trotzdem nicht den dringenden Appellen aus Politik und Wissenschaft gefolgt sind, nur für die nötigsten soziale Kontakte das Haus zu verlassen, wird auch die OB vernommen haben. Am Sonntagmittag schaute Reker selbst am Aachener Weiher vorbei. „Die Kölner treffen sich nun mal gerne im öffentlichen Raum. Die Leute dürfen ja auch draußen sein und das Wetter genießen“, war Rekers Antwort auf Szenen überfüllter Parks, verbunden mit dem Appell: „Aber bitte auf Abstand gehen!“
Gesperrte Ausflugsziele waren in Köln also maximal Planspiele, sind in anderen NRW-Städten aber schon Realität. In Essen wurde eine Tribüne am Baldeneysee abgeriegelt. In Dortmund sollten Ausflügler den Phoenixsee nur im Uhrzeigersinn umkreisen, um Berührungen mit Entgegenkommenden zu verhindern. Voll wurde es trotzdem. In Münster sind Bänke und Treppen am Ufer des Aasees gesperrt. Sich in Gruppen auf ein Radler hinzusetzen, ist quasi unmöglich. In Bonn zieht es wieder Tausende zur Kirschblüte in die Altstadt. Viele aber hielten die Abstandsregeln nicht ein. OB Ashok Sridharan sah sich zu einem Appell an die Bürger genötigt: „Verzichten Sie darauf, selbst in die Altstadt zu gehen und unter dem Blütenmeer zu spazieren. Schauen Sie sich die Bilder im Internet an“, sagt der CDU-Politiker.
Zwölf Tage für die Verdopplung
Auch wenn die Städte unterschiedliche Wege gehen, bleibt das Ziel für alle gleich: Eine Durchmischung in der Bevölkerung zu verhindern, soziale Kontakte nicht nur zu beschränken, sondern an einigen Orten unmöglich zu machen. Dabei liegt Köln NRW-weit immer noch weit oben, was die Infiziertenquote innerhalb der Bevölkerung angeht – auf Rang sieben von 53 Kreisen und Städten. 160 von 100 000 Kölnern gelten nach Berechnungen des Gesundheitsministeriums (Stand Montag) offiziell als angesteckt. In Münster sind es zwar mit 176 etwas, in Heinsberg und Aachen mit 574 bzw. 229 sogar wesentlich mehr. Andere Großstädte wie Bonn (126), Düsseldorf (93) und die Ruhrgebietsstädte, die ihre Zugangsregeln für einzelne Plätze geändert haben, weisen aber eine mitunter deutlich geringere Rate auf als Köln.
Als Indikator für die Ausbreitung des Virus und die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen gilt die Verdoppelungszeit der Infiziertenzahl. Hier dagegen steht Köln mit seinen früh verschärften Regeln landesweit relativ erfolgreich da. Mit 12,3 Tagen hat die Stadt den neunt-höchsten Verdoppelungszeitraum aller 53 NRW-Kommunen. Der Landesschnitt liegt bei 11,1, der Bundesschnitt bei 9,1. Vor zwei Wochen lag er fast überall bei drei. Prof. Gerd Fätkenheuer, Infektiologe an der Universität zu Köln und Mitglied im Corona-Expertenrat des „Kölner Stadt-Anzeiger“ warnt aber: Man solle sich nicht zu sehr an der „magischen“ Verdoppelungszahl zehn festmachen. „Es ist schon richtig, dass mit zweistelligen Werten eine gewisse Entspannung verbunden ist. Aber wenn Sie nach Italien schauen, wo der Stand aktuell bei 17 Tagen liegt, dann wird deutlich, dass das allein noch keine Lösung bedeutet.“
Ob Platzsperrungen eine Lösung sind, ist auch bei Experten umstritten. Fätkenheuer sagt: „An den »Hotspots«, wo sich die Leute knubbeln, wird man nicht um Verbote herumkommen. Man sollte solch eine Maßnahme als ein weiteres Moment der Beschränkung bürgerlicher Freiheiten zwar so behutsam wie möglich einsetzen.“ Aber notwendig sei es, da die Leute es offenbar nicht schafften, sich aus freien Stücken so zu verhalten, wie die Abwehr des Virus es erfordere.
Für Einzelne hält auch Jürgen Zastrow, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, „Platzverbote im Sinne von Platzverweis“ für sinnvoll. „Wenn man zum Aachener Weiher geht und dort sind bereits viele: Bitte umdrehen und weggehen!“, sagt er. Das könne vor Ort durch Ordnungskräfte unterstützt werden. Aber: „Für mich ist immer die Frage, ob für das Fehlverhalten einzelner immer alle büßen sollen.“
Prof. Walter Möbius, der im Corona-Expertenrat mitwirkt, findet Verbote „zu apodiktisch“. Unvernunft verbinde sich nicht automatisch mit zentralen Orten. „Man kann sich auch an entlegenen Plätzen falsch verhalten.“ Er gehe davon aus, dass dies oft aus Gedankenlosigkeit oder vielleicht auch Sorglosigkeit geschehe, weil die Jungen angeblich nicht bedroht seien. „Beides muss man erschüttern. Gegebenenfalls auch durch Verbote. Aber ich fürchte, die gänzlich Bornierten wird man auch damit nicht erreichen.“
Maßnahmen zeigen Wirkung
Eine gute Nachricht gab es noch aus Köln: Die Kurve der registrierten Ansteckungen stieg zuletzt kaum. Stadtdirektor Stephan Keller wertete das als Erfolg der Maßnahmen: „Wir haben den zweiten Tag in Folge einen relativ geringen Anstieg der Infektionszahlen.“ Alle Einschränkungen, sagen Experten, zeitigen erst bis zu 14 Tage später ihre Wirkung. Im städtischen Krisenstab scheint man zu hoffen oder davon auszugehen, dass die bisherigen Beschränkungen reichen und die Kurve vielleicht sogar bald merklich sinkt. Auch auf die Gefahr hin, dass eine zweite Infektionswelle kommen könnte, wenn die Regeln doch nicht konsequent genug beachtet werden.
Zunächst aber sandte das Rathaus vor Ostern ein Signal der Normalisierung in die Stadt.