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Kölner Sanitäter auf „Infektionsfahrt“„Wir müssen immer vom Maximum ausgehen“

Lesezeit 4 Minuten
CoronaKrankentransport_05

Abholung einer Patientin von einem Altenheim in Köln-Weidenpesch.

  1. Sie stehen im Kampf gegen das Coronavirus an der Front.
  2. Wir haben Sanitäter des Rettungsdienstes beim Transport einer Patientin mit Covid-19-Verdacht begleitet – in gebotener Distanz.

Köln – Die Krise macht auch an diesem Morgen um kurz nach acht keine Pause. In einem Seniorenstift in Weidenpesch bekommt eine Bewohnerin kaum Luft, die Symptome lassen Schlimmes vermuten. Bei der Feuerwehr geht der Notruf ein: Verdacht auf Covid-19, die Seuche, die schon so viele in den Heimen dahingerafft hat. Für vier Sanitäter beginnt ein Kraftakt unter höchster Schutzstufe. Für den Rettungsdienst der Stadt ist es die erste Corona-Verdachtsfahrt dieses Tages. Die Frau muss ins Krankenhaus. Wir nennen sie Patientin eins.

Auf der nahen Feuerwache 5 an der Galoppbahn sind fast alle Rettungsleute im Einsatz, also müssen zwei Feuerwehrmänner ausrücken. Dazu kommen zwei Notärzte von Wache 4 in Ehrenfeld. „Als wir kamen, wussten wir, dass es Corona sein könnte“, sagt der Sanitäter, den wir Herrn Paul nennen. Die anderen drei, die gleich Kontakt zu Patientin eins haben werden, werfen sich eilig in Mondanzüge und verschwinden. Ein weißer Stoff-Overall, Mundschutz, Nasenschutz, Handschuhe, Plastikbrille, hellgraue Überzieher für die Schuhe. Paul hält Abstand. Er braucht nur eine Atemmaske. „Wir wollen nicht mehr Material verbrauchen als unbedingt nötig“, wird er später sagen.

24 Stunden im Dienst

Nach einer guten halben Stunde schieben die drei Mondmenschen die kreidebleiche Patientin eins auf einer Liege in den Rettungswagen, zu dem sie hier RTW sagen. Eine Notärztin und ein Feuerwehrmann werden hinten mitfahren. Der andere schält sich aus seinem Anzug, nur die Atemmaske bleibt. Ein Astronaut weniger. „Kann losgehen“, sagt er und nickt zufrieden, der Notarztwagen folgt. Es ist halb zehn. St. Vinzenz hat keine Kapazitäten gerade. Also geht es nach Ehrenfeld, Franziskus-Krankenhaus. Dort wissen sie, wer gleich kommt.

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Um diese Zeit sind die Sanitäter seit 24 Stunden im Dienst. Es wäre nicht normal, sähe man ihnen die Erschöpfung nicht an. Weil am üblichen Eingang niemand aufmacht, verstreichen ein paar Minuten. Also einmal ums Eck, zur neuen Tür. Hier warten zwei Krankenschwestern auf Patientin eins, die beiden Mondmenschen kommen mit, alles geht sehr schnell, die schwere Milchglastür fällt sanft ins Schloss.

Ankunft am St.-Franziskus-Hospital

Ob Patientin eins wirklich Covid-19 hat, wird sich erst in einigen Tagen herausstellen. Sollte die Probe positiv ausfallen, werden die Sanitäter informiert. Sie sollten sich dann testen lassen. In den Infektionsschutzzentren können sich Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur Abstriche machen lassen, die später in den Labors priorisiert werden. Bis dahin wird erstmal vom Schlimmsten ausgegangen. „Infektionsfahrt“ nennt die Feuerwehr das – ähnlich wie bei schweren Influenza-Fällen oder MRSA-Keimen. Jedes Mal bedeutet das einen riesigen Aufwand an Personal und Material. Volle Schutzmontur, höchste Vorsicht, später stundenlanges Reinigen von Hand. „Wir müssen immer vom Maximum ausgehen. Anders geht es nicht“, sagt Paul und zuckt mit den Schultern. Ob es für ihn eine besondere Zeit ist, in der es auf Menschen wie ihn ankommt? Ein bisschen vielleicht, sagt er. Ansonsten war Leben retten schon immer sein Job. Es ist sein fünfter Verdachtsfall seit Beginn der Krise, alle waren negativ.

Feuerwehr mit weniger EInsätzen

Noch lässt sich das enorme Programm leisten – auch weil die Feuerwehr insgesamt weniger zu tun hat als vor Corona. Etwa 320 statt wie üblich 420 Einsätze sind es jetzt täglich. Weniger Verkehrsunfälle, keine Veranstaltungen und Kneipenschlägereien, kaum Feiervolk, das sich in die Bewusstlosigkeit säuft. Wenn das öffentliche Leben stillsteht, atmet die 112 durch. Andere Städte melden weniger Herzinfarkte, weil die Menschen seltener draußen Sport machen. Die Kölner Feuerwehr wertet das noch aus.

Wolfgang Hauprich hilft Laurenz Koch aus dem Schutzanzug.

Im Franziskus-Krankenhaus hat es etwas gedauert. Übergabe, Einsatzprotokoll, Fieber messen, Blutdruck, EKG. Nach einer halben Stunde sind die beiden Menschen in den weißen Overalls fertig. Paul fährt mit der Notärztin zurück zu Wache 4, die Männer auf dem RTW zu Wache 5. Dort wird der letzte Mondmensch dieses Einsatzes mit einer Schere aus seinem Anzug geschnitten. Die äußere Schicht darf die Kleidung darunter nicht berühren. Der Anzug kommt in eine blaue Tonne und wird später von einer Spezialfirma verbrannt. Um kurz vor 11 müssen die beiden Männer unter die Dusche, danach ist der Dienst zu Ende. Die nächste Schicht übernimmt. Der Wagen muss zur Desinfektion – „Desi“ heißt sie hier. Jedes noch so kleine Teil, Rucksäcke, Kabel, Funkgeräte wird gewischt. Zwei Stunden dauert die Prozedur unter Aufsicht eines staatlich geprüften Desinfektors.

Desinfektor Lars Kesselheim (ganz links) mit seinem Team

Auch hier ist jetzt 24-Stunden-Betrieb. „Die Desi ist quasi permanent ausgebucht“, sagt Desinfektor Lars Kesselheim. Bis zu 15 Wagen kommen hier täglich zur Reinigung, vor Corona waren es fünf. Rosenmontag wurde hier der erste RTW nach einer Corona-Verdachtsfahrt gereinigt.

Es ist 11.11 Uhr in der „Desi“ auf Wache 5, der Wagen von Patientin eins ist noch gar nicht sauber, da kommt schon ein anderer RTW zurück, hier lag Patient zwei. Ein dritter Wagen ist auf dem Weg zur Wache. Bis zum Abend werden es fünf Corona-Fahrten geworden sein.