Köln – An zwei Seilen gesichert, bewegt sich Christian Stock im strömenden Wasser vorwärts. „Noch zwei Meter vom Ufer weg, du läufst genau darauf zu“, ruft ihm ein Mann zu, der am Geländer der Kaimauer steht. Stock, von einem Neoprenanzug gegen die Kälte der Rheinfluten geschützt, watet weiter. „Jetzt müsstest du drauf stehen“, lässt sich der Mann von oben vernehmen. „Ja, ich spüre es“, gibt Stock zurück.
Dann holt der 39-Jährige einen verschlammten E-Scooter aus dem Wasser und hängt ihn in die Schlaufe eines Bandseils, an dem zwei Männer das Gefährt hochziehen. Und weiter geht die Arbeit, die am Dienstag gegen neun Uhr am linken Rheinufer im Bereich der Hohenzollernbrücke begonnen hat. Das Ziel ist, so viele Elektroroller wie möglich aus dem Rhein zu bergen. Die Bilanz um Viertel nach zehn: sechs Scooter und vier Fahrräder.
Als in der vergangenen zweiten Septemberwoche Taucher im Auftrag der Plattform Shared Mobility (PSM), zu der sich E-Scooter-Verleiher wie Lime, Tier und Voi zusammengeschlossen haben, im Rheinauhafen nach solchen Rollern suchten, fiel die Ausbeute mager aus. Nach zwei Tagen Einsatz waren nur elf geborgen worden. Später kamen im Deutzer Hafen neun dazu.
Was sonst noch zum Vorschein kam, reichte vom Bürostuhl über eine Metallplatte bis zum Fernsehapparat. Die Aktion am Dienstag organisierte PSM zum ersten Mal gemeinsam mit der Müllsammel-Initiative „Krake“, die seit 2020 ein gemeinnütziger Verein ist. Dessen Name ist die Abkürzung für „Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit“.
Sorge vor Giftstoffe im Kölner Rhein
Schon im vergangenen Jahr hatten freiwillige Helfer von Krake 39 Scooter und Leihräder aus dem Rheinwasser gefischt. In diesem Jahr seien 50 hinzugekommen, sagte Krake-Vorsitzender Christian Stock, als er eine Pause zwischen zwei Bergungsgängen machte. Der Verein schätzt die Zahl der Roller, die Menschen aus purer Zerstörungswut in den Fluss geschmissen haben, auf rund 500; dagegen geht PSM von etwa 100 aus. Befürchtet wird, dass Giftstoffe austreten, wenn die Akkus der Gefährte korrodieren.
Um die versenkten Scooter ausfindig zu machen, ließen die Anbieter im August den Rhein im Innenstadtbereich von einem Sonarboot befahren. Mit Schallimpulsen ortete es an 105 Stellen der untersuchten Areale Mietroller auf dem Grund. Die Aktion am Dienstag fand unabhängig von den Ergebnissen der Untersuchung statt, denn gearbeitet wurde „auf Sicht“.
Dafür war ein Mitglied des Bergungstrupps als „Späher“ bestimmt, der Christian Stock, der als Einziger im Wasser im Einsatz war („Die Aktion steht und fällt mit mir“), Richtungsanweisungen gab. Die Bedingungen waren günstig, denn der Rheinpegel lag bei nur 1,70 Metern. Zwei Männer hielten die Sicherungsseile, zwei weitere Helfer zogen die Ausbeute an der Ufermauer hoch.
Künftig werde man weiter mit dem Verein Krake zusammenarbeiten, sagte Caspar Spinnen, der beim Verleiher Voi arbeitet und für PMS sprach, und betonte: „Wir engagieren uns dafür, dass der Rhein sauber bleibt“. Dabei dürften Imagegründe keine geringe Rolle spielen. Die Kosten der Scooter-Bergung nannte Spinnen sechsstellig. Kaum möglich sei es, die Täter, deren „Vandalismus sich gegen unser Geschäftsmodell“ richte, dingfest zu machen, denn es seien nicht die registrierten Kunden, die Scooter in den Rhein werfen würden, sondern Passanten. Nach Angaben von PSM können in Köln derzeit etwa 14.000 E-Roller gemietet werden.
Bisher hat sich die Bergung auf Bereiche in Ufernähe beschränkt. Vermutet wird, dass noch viele Scooter in der Mitte des Rheins liegen, teilweise in der Fahrrinne. Sie herauszuholen ist wegen der starken Strömung und des regen Schiffsverkehrs um einiges aufwändiger. Dafür werde ein Spezialkranschiff mit einem Strömungsschild benötigt, sagte Spinnen. Die Schiffe dieser Art seien zurzeit woanders unterwegs, unter anderem um Flutschäden zu beseitigen. Die Bergung in der Flussmitte solle aber „so schnell wie möglich“ beginnen.
Am Ende der Aktion am Dienstag waren 30 E-Scooter, sieben Fahrräder, ein Rollator, ein Baustellenschild, ein zehn Meter langes dickes Kabel, eine Eisenstange und eine Abdeckplane an Land gezogen worden. Die Elektroroller werden zerlegt und recycelt.