Ein Team für AilinPatenprojekt sucht neue Ehrenamtler
Köln – Ailin hat jede Menge Energie. Vor dem großen Wohnhaus am Rand von Bocklemünd verabschiedet sie sich eilig von ihrer Mutter. Den Weg zum Spielplatz, vorbei an kleineren Häusern und niedrigen Garagen, will sie mit Barbara Mundt um die Wette rennen, „wer erster ist, hat gewonnen.“ Es ist einer der diesjährigen Sommertage, an denen die Luft abends steht und der Schweiß auch ohne Sprint langsam die Beine herunterrinnt. Im Vorbeirennen grüßt Ailin zwei ihrer Schwestern, die ihr entgegen kommen.
Tom Mundt folgt lachend und mit großen Schritten, er hat eine blau-gelbe Sprühflasche dabei, mit dessen fein verstäubtem Wasser er sich immer mal abkühlt. Der 48-Jährige und seine Frau kennen Ailin seit fast einem Jahr. Das Mädchen ist immer in Bewegung und aufgekratzt, wenn ihre Paten sie abholen.
Die Freizeitangebote von Köln kennenlernen
Das Paar engagiert sich im Projekt „Patenschaften für die außerschulische Begleitung von Kindern mit Fluchtgeschichte“ der Kölner Freiwilligen Agentur (KFA) und des Kölner Flüchtlingsrats. Ein langer Name, der beschreibt, was Ailin, Barbara und Tom zusammengebracht hat. Ailins Eltern sind Kurden aus dem Irak. Bei der Frage nach ihren Geschwistern muss die Neunjährige kurz überlegen. Es sind zehn und ein Hase im Käfig, erzählt sie. Ailin wurde von ihrer Lehrerin für das Projekt vorgeschlagen. „Außerschulisch“ heißt, dass das Ehepaar die Drittklässlerin trifft nicht zum Lernen und Hausaufgaben machen trifft, sondern zum Schwimmen, Inlinerfahren, ins Kinogehen oder Pizzabacken. Ein Highlight für alle drei war ein Besuch mit den anderen Patenpaaren im Schokoladenmuseum.
Tom und Barbara Mundt fragen Ailin, wozu sie Lust hat und planen möglichst einmal in der Woche ein Treffen mit ihr. Mit ihrer Hilfe kann Ailin Köln und die deutsche Kultur, in der sie aufwächst, besser kennenlernen. Die Paten sind dazu angehalten mit den Kindern möglichst niedrigschwellige und kostenlose Freizeitangebote zu testen, sagt Gabi Klein von der KFA. „Nicht jeden Monat ins Phantasialand, sondern lieber etwas unternehmen, dass die Familien dann auch einmal machen können.“
Persönlichkeitsentwicklung und Sprache stehen im Vordergrund
Das Programm fördert das so genannte „Informelle Lernen“ – ein unstrukturiertes Lernen nebenbei, das viele Bildungsexperten für essenziell halten, um Chancengleichheit zu ermöglichen. Die Kinder erkunden zum Beispiel mit ihren Patinnen und Paten Orte, die ihre Eltern ihnen eher nicht zeigen können und lernen nebenbei, wie man sich dort bewegt. Das hilft ihnen dann oft auch, im System Schule besser klarzukommen. „Die Förderung innerhalb der Patenschaften ist je nach Kind sehr individuell“, sagt Gabi Klein. „Manchmal steht die Persönlichkeitsentwicklung und das Selbstbewusstsein im Fokus, manchmal eher die Sprachförderung.“
So können Sie helfen
wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird
Mit unserer Aktion „wir helfen: damit in der Krise kein Kind vergessen wird“ bitten wir um Spenden für Projekte, die Kinder und Jugendliche wieder in eine Gemeinschaft aufnehmen, in der ihre Sorgen ernst genommen werden.
Bislang sind 1.328.993,90 Euro (Stand: 27.09.2022) eingegangen.Die Spendenkonten lauten:„wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.“Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
Mehr Informationen und Möglichkeiten zum Spenden unter www.wirhelfen-koeln.de.
An Selbstbewusstsein mangelt es Ailin nicht. Auf dem Spielplatz angekommen, kraxelt sie auf die Schaukel, will ein Foto mit ihren Paten auf der Rutsche. Anschließend hängt sie sich huckepack auf Barbara Mundts Rücken und strubbelt ihr immer wieder durch ihr kurzes blondes Haar. Auf die Idee, eine ehrenamtliche Patenschaft zu beginnen, hat das Ehepaar ein Artikel im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gebracht. „Man denkt ja, mit sowas tust du einem Kind was Gutes“, sagt Tom Mundt schmunzelnd. „Aber eigentlich tust du dir selbst was Gutes.“ Sie lernen von Ailin genau so viel wie Ailin von ihnen, sagt er.
Mit der ganzen Familie angefreundet
Wie es war, als die drei sich das erste Mal getroffen haben? Komisch, sagt Ailin, aber dann sei es cool gewesen. Es habe auch anstrengende Treffen gegeben, sagt Barbara Mundt, die Beziehung musste sich natürlich erst entwickeln. Schließlich sind sie nicht Ailins Eltern, aber trotzdem verantwortlich, wenn sie mit der quirligen Neunjährigen unterwegs sind. „Man muss eben auch mal »Nein« sagen können.“ Das Programm der KFA sieht eigentlich vor, dass nur eine Person die Patenschaft übernehmen kann. Weil Barbara und Tom Mundt oft beruflich unterwegs sind – er ist Medientechniker, sie Nachhaltigkeitsmanagerin –, treten sie als Team an. Wenn einer auf Dienstreise ist, trifft sich der andere auch mal alleine mit Ailin.
Vor einigen Wochen haben sie der Familie beim Umzug geholfen, von Höhenberg nach Bocklemünd in eine größere Wohnung. Sie haben Möbel bei Ebay Kleinanzeigen besorgt und das Etagenbett von Ailin und ihrer Schwester zusammengebaut. „Mittlerweile sind wir eigentlich mit der ganzen Familie befreundet“, sagt Barbara Mundt. Das sei in vielen Patenschaften der Fall, bestätigt Gabi Klein von der Freiwilligen Agentur. „Ein Vater hat einmal zu mir gesagt: »Die Patin hat unsere Welt größer gemacht«. Das finde ich ein sehr schönes Bild.“ Das Programm haben die KFA und der Kölner Flüchtlingsrat bewusst auf ein Jahr beschränkt, „damit sich niemand erklären muss“, sagt Gabi Klein. Doch sie wisse von vielen Patinnen und Paten, die den Kontakt auch nach dem Ende des offiziellen Projekts noch halten. So wollen es auch Tom und Barbara Mundt machen.
Ehrenamtler gesucht
Gemeinsam mit dem Kölner Flüchtlingsrat sucht die Kölner Freiwilligen Agentur neue Ehrenamtliche für das Projekt „Patenschaften für die außerschulische Begleitung von Kindern mit Fluchtgeschichte“. Das Projekt ist 2014 entstanden und hat bereits etwa 500 Patenschaften vermittelt.
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Interessierte müssen sich für ein Jahr verpflichten. Außerdem gibt es einen Vorbereitungsworkshop und regelmäßige Treffen mit anderen Patinnen und Paten. Infoveranstaltungen finden unter anderem Dienstag, 6. September, 18 Uhr und am Donnerstag, 8. September, 18 Uhr, via Zoom statt.