Köln – Die Kölner Heimatpfarrei von Kardinal Rainer Woelki hat sich mit scharfer Kritik in die Debatte über die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum, Woelkis Rolle und die Lage der katholischen Kirche eingeschaltet. Im Umgang der Bistumsleitung mit dem Missbrauchsskandal fehlt der Laienvertretung „umfassende Übernahme von moralischer Verantwortung gegenüber den Missbrauchsopfern. Daran ändern auch die bisherigen personellen Konsequenzen wenig“, heißt es mit Anspielung auf die Rücktrittsangebote und Beurlaubungen unter anderem der Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff. Die Verfasser des vierseitigen Papiers vertreten die Pfarrei „Christen am Rhein / Sankt Hubertus und Mariä Geburt“. Zu ihr gehört die 1947 für Ausgebombte und Kriegsflüchtlinge gegründete „Bruder-Klaus-Siedlung“. Hier wurde neben dem 1956 geborenen Woelki auch der fünf Jahre ältere „Sozialpfarrer“ Franz Meurer groß.
Widerstand regt sich
Die heute aktiven Laien monieren „ein hierarchisches und feudal anmutendes System“ in ihrer Kirche. Gegen „Auffassungen, Haltungen und konkrete Umsetzungen im Erzbistum regt sich seit langem in uns Widerstand.“ Verhalten und Haltung der Bistumsleitung würden als „eklatante Missachtung des von Gott gegebenen Auftrags“ gesehen und passten zudem nicht zu demokratischen Prinzipien, „mit denen wir aufgewachsen sind und in unsere Positionen demokratisch gewählt wurden“. Mit Blick auf den von Woelki angestoßenen Reformprozess „Pastoraler Zukunftsweg“ ist von nur „vorgegaukelter Beteiligung“ und einem „absurden Vorgehen“ in Verhandlungen zwischen Gemeinde und Erzbistum die Rede. Das vermutete Ziel könne nur sein, „den Kirchenvorstand so mürbe zu machen, dass niemand mehr diese ehrenamtliche Arbeit machen möchte“ und das Bistum in der Folge „alleine schalten und walten kann“.
Zu den Reformforderungen der Gemeinde gehören die Zulassung der Frauen zu allen Weiheämtern, die Aufhebung des Pflichtzölibats, die Wahl der Bischöfe durch ihr Kirchenvolk und eine offenere Sexualmoral. Die Segnung homosexueller Paare wird ausdrücklich begrüßt. Sämtliche Forderungen sind Thema beim „Synodalen Weg“ auf nationaler Ebene, werden dort aber von Woelki teils vehement bekämpft. „Wir wissen, dass viele unserer Forderungen und Wünsche nicht in Köln zu regeln sind“, schreiben die Katholiken aus Woelkis Heimatpfarrei. Der Kardinal solle sich aber in Rom für die entsprechenden Änderungen starkmachen.
Kölner Stadtdechant greift Kardinal an
Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine hat mit einem kritischen Facebook-Posting über Kardinal Rainer Woelki ein intensives Echo ausgelöst. Kleine, der auch Stellvertreter des Dompropstes ist, bezeichnet es als „gravierenden Fehler, das Fehlverhalten von Geistlichen danach zu bewerten, ob es strafrechtlich oder kirchenrechtlich justiziabel war oder ist“. Er spielte darauf an, dass Woelki 2017 den Düsseldorfer Priester D. zum stellvertretenden Stadtdechanten beförderte, obwohl er von sexuellen Übergriffen wusste, etwa vom Kontakt mit einem Strichjungen aus der Obdachlosenszene 2001.
Die Kirche müsse sich an moralischen Kategorien wie Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Übernahme von Verantwortung messen lassen, so Kleine. Sein Posting wurde mehr als 100-mal geteilt und fast einhellig mit Applaus bedacht, unter anderem vom Chefredakteur der Kölner Kirchenzeitung. (jf)
Die Gemeindevertreter betonen, sie wollten weder ihr Engagement beenden noch der Kirche den Rücken kehren, wünschten sich aber eine veränderte, am Gebot der Nächstenliebe orientierte Kirche.
Im Fall des Missbrauchstäters Richard T. (Name geändert) aus Limburg, der mit Wissen der Kölner Bistumsleitung von 2015 bis 2018 als Seelsorger zur Aushilfe in einer Kölner Citypfarrei eingesetzt und jahrelang als Tutor und Lehrbeauftragter an der Katholischen Hochschule NRW (KatHO) tätig war, wurden die Gläubigen am Wochenende über den Stand der Dinge informiert. Citypfarrer Dominik Meiering, vormals Generalvikar, will sich um Aufklärung der Hintergründe für T.s Einsatz bemühen. Zur Frage, ob neben Meierings Vorgänger als Pfarrer auch das Seelsorgeteam über T.s Vorgeschichte informiert war, liegen widersprüchliche eidesstattliche Versicherungen vor. Dies könnte nun juristische Folgen haben.
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Fehlende Transparenz
Der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats warf dem Erzbistum fehlende Transparenz vor. Viele in der Gemeinde fühlten sich nun „mitschuldig“, weil sie nicht kritischer nachgefragt hätten, wie es zum Einsatz eines ortsfremden Priesters kam. „Wie konnte die Bistumsleitung so mit uns umgehen? Immer wieder ist von der Kirche als einem männerbündischen System mit systembegründeten, eklatanten Mängeln die Rede. Das erleben wir genau so.“