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Erzbistum KölnMissbrauch von Elfjähriger – Neue Vorwürfe gegen katholischen Priester

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Das Erzbistum Köln kommt nicht zur Ruhe (Symbolbild).

Köln – Der katholische Priester und mutmaßliche Missbrauchstäter Hans Ue. muss sich wegen eines weiteren Tatvorwurfs vor Gericht verantworten. Wie das Landgericht Köln am Dienstag mitteilte, hat die Staatsanwaltschaft Köln wegen zweier Missbrauchsfälle im Jahr 2011 Anklage gegen den 70-Jährigen erhoben. Das Opfer soll ein damals elf Jahre altes Mädchen gewesen sein. Einen der beiden Fälle stuft die Anklage als schwer ein.

Am kommenden Dienstag, dem 23. November, beginnt in einem weiteren Verfahren der Strafprozess gegen Ue. Hier wirft ihm die Anklage vor, von 1993 bis 1999 in Gummersbach seine damals sieben bis 13 Jahre alten Nichten mehr als 30 Mal missbraucht zu haben. Drei der Tatvorwürfe sind als schwerer Missbrauch einzustufen.

Pfarrer Ue. drohen bis zu 15 Jahre Haft

Im Fall einer Verurteilung hat Ue. eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren zu erwarten. Die drei Nichten treten als Nebenklägerinnen auf und sollen auch als Zeuginnen aussagen. Die 2. große Strafkammer des Landgerichts unter Leitung des Vorsitzenden Richters Christoph Kaufmann hat für den Fall Ue. 20 Verhandlungstermine angesetzt. An allen Tagen ist ein psychiatrischer Sachverständiger anwesend, der Ue. begutachten soll. Die Urteilsverkündung ist für den 31. Januar terminiert (Az. 102 KLs 17/20).

Früheres Prozessende im Fall von Priester Ue. möglich

Offen, aber nicht unwahrscheinlich ist, dass die beiden Verfahren zusammengelegt (verbunden) und gemeinsam verhandelt werden. Der Verlauf des Verfahrens wird maßgeblich davon abhängen, wie sich der Angeklagte zu den Vorwürfen äußert. Sollte er geständig sein, könnte das Gericht auf die Anhörung einer ganzen Reihe von Zeugen verzichten. Möglicherweise könnte dann noch in diesem Jahr ein Urteil fallen.

Auch wenn sich ein etwaiges Geständnis strafmindernd auswirkt, müsste Ue. bei einer Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs für mindestens zwei Jahre in Haft.

Kirchenvertreter als Zeugen

Besondere Brisanz hat das Verfahren, weil das Gericht nach derzeitigem Stand auch hochrangige kirchliche Funktionsträger als Zeugen hören will. So ist der frühere Personalchef und Generalvikar der Kardinäle Joachim Meisner und Rainer Woelki, Stefan Heße (heute Erzbischof von Hamburg), nach derzeitigem Stand für den 18. Januar geladen. Ebenfalls auf der Liste der mehr als 30 Zeugen stehen nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ der frühere Offizial (oberster Kirchenrichter) des Erzbistums, Günter Assenmacher und der frühere Interventionsbeauftragte Oliver Vogt (Ladung für den 13. Januar).

Eine Anhörung des derzeit vom Papst beurlaubten Erzbischofs, Kardinal Rainer Woelki, ist nicht vorgesehen. Woelki war als Weihbischof seit 2006 für den Pastoralbezirk Nord mit den Großstädten Wuppertal und Düsseldorf zuständig. Gerichtssprecher Jan F. Orth machte deutlich, dass die Aufklärung einer etwaigen Vertuschung der Missbrauchstaten durch die Bistumsleitung nicht Gegenstand des Strafprozesses gegen Ue. ist.

Fall Ue. im Gercke-Gutachten enthalten

Der Fall Ue. ist im Bereich des Erzbistums Köln momentan der einzige, in dem der Tatverdächtige unter Anklage steht. Das im Auftrag des Erzbistums erstellte Missbrauchsgutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke stellt den Fall ausführlich als Aktenvorgang 22 dar. Alle anderen im Gutachten beschriebenen Taten und Tatvorwürfe sind entweder verjährt oder fallen nicht unter das weltliche Strafrecht.

Gegen Ue., der seit 2019 nicht mehr im Dienst des Erzbistums ist, erhob die Staatsanwaltschaft erst 2020 Anklage, obwohl ihr und dem Erzbistum die Missbrauchsvorwürfe bereits 2010 bekannt geworden waren. In drei von insgesamt 31 angeklagten Vergehen soll es zu „beischlafähnlichen Handlungen“ gekommen sein. Am häufigsten stehen laut Landgericht Berührungen und Manipulationen der Mädchen an der Brust, am Po und im Genitalbereich als Vorwürfe im Raum.

Nichten zogen Anzeige gegen den Onkel zurück

2010 hatten die Opfer die Anzeige gegen ihren Onkel – dem Vernehmen nach auf Druck der Familie – allerdings nach wenigen Monaten zurückgezogen und sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Im Gercke-Gutachten ist von Geldzahlungen des Tatverdächtigen an die Mutter die Rede. Nach Einstellung der Ermittlungen 2011 wurde Ue. im Erzbistum wieder als Krankenhausseelsorger eingesetzt. Das Erzbistum beteiligte sich auch an seinen Anwaltskosten.

2018 ging dann der frühere Interventionsbeauftragte des Erzbistums auf die Anwältin einer der Betroffenen zu und informierte auch die Justiz. Dadurch kam das Verfahren erneut in Gang, in dem inzwischen alle drei Betroffenen ausgesagt haben. 2020 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage.

Im Generalvikariat „alles erzählt“

Sollte Erzbischof Heße als früherer Personalchef im Prozess gehört werden, dürfte ein handschriftlicher Vermerk zur Sprache kommen, der sich in den Bistumsakten findet. Über in Gespräch zwischen der Ex-Justiziarin des Bistums und Heßes Sekretärin zu einer kircheninternen Vernehmung von Ue. am 3. November 2010 heißt es darin, Ue. habe im Generalvikariat „alles erzählt“.

Darüber wurde aber laut Vermerk kein formelles Protokoll angefertigt, um eine etwaige Beschlagnahmung durch die Staatsanwaltschaft zu verhindern. „Aus diesem Grund sollten nur handschriftliche Notizen existieren, die notfalls vernichtet werden könnten.“ Prälat Heße habe dazu „sein Einverständnis“ gegeben. Die Notiz ist mit Heßes Kürzel versehen.

Erzbischof Heße bestreitet Vertuschungsabsicht

Heße hat sich zu diesem Sachverhalt ausweichend geäußert. Der „Bild“-Zeitung gegenüber schloss er es aus, „einem Vorgehen zugestimmt zu haben, bei dem in Fällen sexuellen Missbrauchs von Gesprächsinhalten kein Protokoll angelegt oder gar Protokolle, Akten oder Gesprächsnotizen im Zweifel vernichtet werden sollen“. Dies hätte „zutiefst“ seinen Überzeugungen wie auch seinem Umgang mit Missbrauchsfällen widersprochen. So stellte er es laut Gercke-Gutachten auch in den Befragungen durch die Gutachter dar.

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Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ging es seinerzeit um die Frage, ob sich Ue. angesichts der gegen ihn laufenden staatlichen Ermittlungen überhaupt gegenüber seinem Dienstherrn äußern würde. Auf anwaltliches Anraten soll Ue. nur unter der Voraussetzung zu einem Gespräch bereit gewesen sein, dass es darüber keine schriftlichen Aufzeichnungen gäbe.

Gutachter hält Pflichtverletzungen fest

Das Gercke-Gutachten attestiert Heße, sich nicht strafbar verhalten und sich keiner Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht zu haben, wirft ihm aber eine Verletzung seiner Aufklärungspflicht vor. Papst Franziskus kam auf Basis des Gutachtens und des Berichts zweier nach Köln entsandter Visitatoren im September zu dem Ergebnis, Heße habe nicht absichtlich vertuschen wollen. Das Rücktrittsgesuch des Hamburger Erzbischofs lehnte der Papst ab.

Beim früheren Offizial Assenmacher sieht das Gutachten im Fall Ue. eine falsche Rechtsauskunft für gegeben an. Assenmacher wurde im März von Woelki zunächst beurlaubt. Inzwischen ist er als Offizial abgelöst, fungiert aber weiter als Domkapitular.