Köln – In Sondergutachten sowie Berichten verschiedener Zeitungen sind – neben dem Fall Ue. und dem Fall O. – weitere Missbrauchstaten von Priestern des Erzbistums Köln bereits vor der Veröffentlichung der von Kardinal Rainer Woelki in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten ausführlich dargestellt worden. Aus den Berichten ergeben sich auch Vorwürfe gegen führende Würdenträger, die ihre Amtspflichten verletzt und Missbrauch vertuscht haben sollen.
Die Fälle im Überblick
Pfarrer A.: Vorbestraft und in drei Bistümern tätig
Pfarrer A. wurde 1972 wegen „fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen“ zu einer Haftstrafe verurteilt. 1988 erhielt er wegen erneuter Vorfälle eine Bewährungsstrafe. Dennoch war er weiter als Seelsorger aktiv – in den Bistümern Köln, Münster und Essen. Erst 2019 verbot Kardinal Rainer Woelki ihm die Ausübung des priesterlichen Dienstes. Inzwischen wurde er aus dem Klerikerstand entlassen.
Dem früheren Kölner Personalchef und heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße wird angelastet, einen Verdacht gegen den Priester nicht weitergeleitet zu haben. Heße weist das zurück. Der damalige Generalvikar Dominik Schwaderlapp sei informiert gewesen.
Kölner Kardinälen werden Fehler vorgeworfen
In dem Fall wird auch den verstorbenen Kölner Kardinälen Joseph Höffner und Joachim Meisner sowie dem Münsteraner Bischof Heinrich Tenhumberg Fehler sowie dem früheren Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff Fehlverhalten vorgeworfen. Der amtierende Essener Bischof Franz-Josef Overbeck nannte es ein Versäumnis, dass er sich die Personalakte von A. nicht habe kommen lassen, als er kurz nach seinem Amtsantritt von den Vorwürfen erfahren habe.
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Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlichte ein geheim gehaltenes Gutachten, das die Bistümer Köln, Essen und Münster zu dem Fall A. bei der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl angefordert hatten. Es listet eine Reihe von Versäumnissen und Pflichtverletzungen früherer Amtsträger auf.
Eines der Opfer von Pfarrer A. berichtete dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass sich Kardinal Woelki vor wenigen Tagen in einem persönlichen Brief bei ihm entschuldigt habe – mehr als zehn Jahre, nachdem sich der Mann beim Erzbistum gemeldet hatte, dort aber seinerzeit keine Anerkennung erfahren hatte.
Pfarrer F. – Verfasser von Kinderbüchern
Der 73-jährige Kölner Priester und religionspädagogische Sachbuchautor F. soll in den 1990er Jahren eine Mutter mit mehreren Söhnen aufgenommen und die Kinder missbraucht haben. Laut „Bild“-Zeitung hat der Pfarrer sich das Stillschweigen der Mutter für damals 30 000 Mark erkauft. Obwohl im Jahr 2000 und 2004 in den endgültigen Ruhestand versetzt, soll es danach wieder zu Beschwerden gegen den Geistlichen gekommen sein. Das Erzbistum ließ sowohl die pastoralen Mitarbeiter als auch die Gemeinden, in denen F. tätig war, im Unklaren.
Verstorbener Pfarrer F. – Opfer als unglaubwürdig hingestellt
Die Beilage „Christ&Welt“ der Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte in der vorigen Woche den Fall des inzwischen verstorbenen Pfarrers F. Er soll ab 1968 einen Schüler und späteren Messdiener vergewaltigt haben. 2011 meldete sich der Betroffene beim Erzbistum. Der damalige Personalchef Stefan Heße führte – außerhalb des vorgesehenen Rahmens und ohne Hinzuziehung der Opferbeauftragten – Gespräche mit dem Betroffenen, in denen er dessen Geschichte für unglaubhaft erklärte. Heße informierte auch Kardinal Meisner über den Vorgang. Weitere Klärungen erfolgten nicht.
Anzeige eines Kölner Priesters folgte erst Jahre nach Geständnis
Verstorbener Pfarrer M. – Vier Jahre keine Anzeige
Nach Medienberichten soll der 1943 geborene Geistliche im September 2014 der Personalabteilung im Erzbistum Köln gestanden haben, von 1971 bis 1996 Kinder und Jugendliche beiderlei Geschlechts missbraucht zu haben. Eine Strafanzeige erfolgte erst 2018. Allerdings wären sämtliche Taten bereits 2014 lange verjährt gewesen. 2016 zeigte Kardinal Woelki dem Vatikan den Fall an.
Pfarrer E. – Missbrauch im Internat
2015 rollte das Erzbistum in einer wissenschaftlichen Studie Missbrauch im früheren Collegium Josephinum in Bad Münstereifel auf. Die Untersuchung ergab Missbrauchsvorwürfe gegen den früher im Internat beschäftigten Pfarrer E. in den 1980er Jahren. Der Geistliche soll sich 2002 auch sexuell grenzüberschreitend gegenüber einer Jugendlichen verhalten haben.
Woelki versetzte E. nach Angaben der Erzdiözese Köln am 1. September 2017 in den einstweiligen Ruhestand und meldete den Fall der Glaubenskongregation. Im November 2016 nahm E. an einer Privatmesse mit dem Papst teil, der den Priester segnete und von diesem unter anderem eine Karnevalsmütze geschenkt bekam. Ein 2020 angelaufenes Strafverfahren gegen E. ruht, weil der Priester nicht verhandlungsfähig sei.
Verstorbene Pfarrer S. und Kaplan P. – Opfer wegen „Ungehorsams“ suspendiert
Der Priester Michael Schenk zeigte dem Erzbistum 2002 an, dass er als Kindergartenkind von mehreren Priestern vergewaltigt worden sei. Ein Gutachter, der sich lediglich auf die Aktenlage stützte und nie mit Schenk sprach, stufte die Angaben des Geistlichen als unglaubwürdig ein. Auch Meisner glaubte dem Geistlichen nicht und suspendierte ihn 2002 stattdessen wegen „Ungehorsams“ vom Dienst.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlichte Schenks Geschichte im November 2020. Das Erzbistum hat Schenk 2019 als Opfer anerkannt, weigert sich aber, die damaligen Vorgänge von unabhängiger Seite prüfen zu lassen. (mit kna)