Köln – Am Donnerstag soll der Kölner Strafrechtler Björn Gercke sein mit Spannung erwartetes Gutachten zum Missbrauchsskandal im Erzbistum Köln vorstellen. Kardinal Rainer Woelki hat ein hartes Durchgreifen angekündigt, personelle Konsequenzen für Bistumsverantwortliche eingeschlossen, denen Verstöße gegen kirchliches Recht oder andere Pflichten nachgewiesen werden.
Staatsanwaltschaft Köln ermittelt im Fall des Wuppertaler Geistlichen Ue.
Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS) zeichnet in ihrer jüngsten Ausgabe akribisch den Fall des Wuppertaler Geistlichen Ue. nach. Es ist der derzeit einzige Fall aus dem von Gercke untersuchten Aktenbestand, in den – wegen noch nicht eingetretener Verjährung – auch die staatlichen Strafermittler einbezogen sind. Die Staatsanwaltschaft Köln erhob im Sommer 2020 Anklage gegen Ue., dem der fortgesetzte schwere sexuelle Missbrauch dreier Nichten vorgeworfen wird. Der Prozess vor dem Kölner Landgericht steht aus.
Der Fall Ue., den im September 2020 bereits die „Zeit“-Beilage „Christ&Welt“ aufgerollt hatte, lässt erkennen, wie Verantwortliche des Erzbistums mit Missbrauchsvorwürfen umgingen. Die FAS schreibt von der Geschichte einer „fast perfekten Vertuschung“. 2010 wurden die Vorwürfe gegen Ue. dem Erzbistum bekannt. Involviert waren – mit verteilten Rollen – der damalige Personalchef Stefan Heße (heute Erzbischof von Hamburg), der oberste Kirchenrichter, Offizial Günther Assenmacher und die damalige Justiziarin des Erzbistums. Um die Vorwürfe, die seinerzeit bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurden, gab es wenig öffentliches Aufsehen.
Die FAS zitiert aus einer Aktennotiz: „Die Wuppertaler Presse wurde sehr geschickt gehandhabt.“ Aus den Vermerken geht laut FAS weiter hervor, dass die Bistumsverantwortlichen sich aber nicht nur vor den Medien, sondern insbesondere auch vor den staatlichen Ermittlern fürchteten. So sei kein Protokoll der Befragungen von Ue. angefertigt worden, „da dieses beschlagnahmungsfähig wäre“. Es bestünden lediglich handschriftliche Notizen, die „notfalls vernichtet werden könnten“. Dieses, von Heße offenbar gebilligte Vorgehen verstieß gegen die bischöflichen Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch.
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Nachdem die Opfer ihre Beschuldigungen – offenbar auf Druck der Familie – zurückgezogen hatten, wurde Ue. voll rehabilitiert. Als die Justiziarin eine weitere Prüfung anregte, beschied Assenmacher sie laut FAS, er habe „die Unterlagen in den »Giftschrank« hier eingeschlossen und ganz aus dem Blick verloren“. Im Übrigen hänge sehr viel „an der Glaubwürdigkeitsfrage“. Im weiteren Verlauf verhinderte Assenmacher eine kirchliche Untersuchung.
Kölner Kardinal Woelki hatte 2018 Aufarbeitung angekündigt
Nachdem Kardinal Rainer Woelki 2018 die umfassende Aufarbeitung aller Missbrauchsfälle angekündigt hatte, geriet der Fall Ue. erneut in den Blick – und damit auch Pflichtverletzungen in der Ära Meisner. Als Woelki dies bekannt wurde, schrieb er im Frühjahr 2019 an die im Fall Ue. Verantwortlichen sowie an den vormaligen Generalvikar Dominik Schwaderlapp, inzwischen Weihbischof in Köln: Rom sei nunmehr informiert, auch die Presse sei im Bilde.
„Wir werden zum jetzigen Zeitpunkt mit Verweis auf die laufenden Untersuchungen nicht öffentlich über die damaligen Verantwortungen sprechen. Dennoch möchte ich Dich darüber informieren, dass zu diesem Fall Fragen aufkommen können.“
Bislang haben die Adressaten von Woelkis Schreiben ein Fehlverhalten bestritten oder geschwiegen. Björn Gerckes Antworten werden am 18. März in seinem Gutachten zu lesen sein.