Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman hat am Dienstagabend über die Lücken im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gesprochen.
„Es braucht ein Grundrecht auf Wohnen“Ferda Ataman spricht in Köln über Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Beleidigungen, gewalttätige Übergriffe, geklaute Post oder Kinderwägen und Sturmklingeln zu jeder Tages- und Nachtzeit – all das sei täglicher Begleiter für viele Familien mit Migrationshintergrund, schildert Lara Nicolaysen vom Antidiskriminierungsbüro der Caritas Köln. Mehr als vierzig Prozent Kölner hätten eine internationale Geschichte, die sie im Alltag vor schwere Herausforderungen stelle.
„Vor einem Jahr kam der Nachbar einer betroffenen Familie auf uns zu und schlug vor, dass eine Mutter ja einfach den Tag über mit ihren beiden Kindern auf den Spielplatz gehen und dann nur abends zum Schlafen nachhause kommen könnte, um die Nachbarschaft nicht zu stören. Dass das kein Zustand ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen“, sagt Nicolaysen. Sie ist im Antidiskriminierungsbüro die erste Anlaufstelle für Beschwerden. Damit hatte sie im vergangenen Jahr gut zu tun, denn aus dem aktuellen Jahresbericht zur Antidiskriminierung geht hervor, dass die Anzahl der Beratungsanfragen wegen Diskriminierung noch nie so hoch waren wie heute. In etwa 41 Prozent der Fälle handelt es sich um rassistische Diskriminierung.
In einem zweijährigen Projekt setzt sich der Kölner Runde Tisch für Integration daher vor allem mit der Chancengerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt auseinander. Nach einer umfänglichen Bestandsaufnahme zur rassistischen Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe in Köln wurden schließlich Lösungsansätze und Handlungsmöglichkeiten für die Stadt erarbeitet, auf dessen Beschluss zum aktuellen Zeitpunkt noch gewartet wird.
Um dem Thema Nachdruck zu verleihen, trafen sich am Dienstagabend engagierte Verbände und Zuständige mit der unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, die den gegenwärtigen Zustand stark kritisiert. „Es braucht ein Grundrecht auf Wohnen. Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist ein Grundbedürfnis, das jedem Menschen erfüllt werden sollte“, betont Ataman.
Warum auf dem Wohnungsmarkt so viel diskriminiert werden kann
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet jede Diskriminierung wegen Alter, Behinderung, Geschlecht, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung, sowie jeder Rasse und Herkunft. Diese Regel greift auch für Wohnraum. „Das klingt dann ja auch erstmal super“, sagt Ataman, fährt aber fort, dass „zwei Ausnahmeklauseln den privaten Vermietern, die bis zu 49 Immobilien alleine besitzen dürfen, so viele Freiheiten und Auslegungen einräumen“, dass das Gesetz Schlupflöcher für Diskriminierung lasse.
Betroffene hätten zwar das Recht, gegen diese Fälle der rassistisch motivierten Diskriminierung vorzugehen. Dafür müssen sie aber nicht nur eine sehr kurze Frist von zwei Monaten einhalten, sondern darüber hinaus auch einen Anwalt engagieren, dessen Kosten sie alleine tragen müssen.
Auch Franz-Xaver Corneth findet als Vorsitzender des Kölner Mietervereins scharfe Worte für die desaströse Situation des Wohnungsmarkts und nimmt die Stadt in die Verantwortung. „Wenn 100 Menschen bei einer Besichtigung vor der Tür stehen, wird natürlich gesiebt, und das ist absolut kein Zustand. Es gibt so viel potenziellen Wohnraum in der ganzen Stadt, der permanent verschwendet wird. In Köln wird nur gespart und nichts geregelt“, meint Corneth.
In seiner Argumentation stützt der Vorsitzende des Mietervereins Ataman in der Forderung nach einem Grundrecht auf Wohnen. Er betont weiterhin, dass mehr mit den Organisationen der Vermieter gesprochen werden müsse, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass sich die Situation verändern muss.
Es braucht Verantwortung, Verständnis und mehr Beratungsstellen
Eine Frau, die besonders eng mit den von rassistischer Diskriminierung betroffenen Familien und Einzelpersonen zusammenarbeitet, ist Özlem Esen vom Kölner Flüchtlingsrat. Esen begleitet vor allem Flüchtlinge bei der Wohnungssuche und leitet Workshops für bessere Chancen bei der Wohnungsvergabe. Sie stelle immer wieder fest, dass neben Vorurteilen auch schlichtes Unwissen der Vermieter ein Hindernis für diese ist, Menschen mit Migrationshintergrund in ihre Immobilie einziehen zu lassen.
Von der finanziellen Unsicherheit bis hin zu kulturellen Unterschieden liegen viele Hemmnisse oft persönlich bei den Vermietern. Je länger sich dieser Teufelskreis weiterdrehe, desto mehr Menschen verbringen einen Großteil ihres Lebens in Wohnheimen, so Esen. Manche von ihnen bleiben dort bis zu zwanzig Jahre lang. „Was es braucht, ist mehr erschwinglicher Wohnraum und schnelle bürokratische Prozesse für Familien mit Migrationshintergrund. Man darf nicht vergessen, dass auch eine anhaltende Wohnungslosigkeit hohe Kosten für Stadt und Verwaltung hervorruft. Das kann nicht das Ziel sein“, sagt Özlem Esen.
Kölner Initiativen setzen sich gegen Diskriminierung ein
Auch die vom Runden Tisch eingereichten Handlungsoptionen fordern den besseren Ausbau des Wohnraums und eine bessere Kommunikation, die den Austausch zwischen Vermietern und allen angehenden Mietern fördert. Solange eine entsprechende Anpassung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch nicht von offizieller Seite des Bundes und der Länder stattgefunden hat, werden die Initiativen gegen Diskriminierung sehr kreativ.
Der Integrationsraum Köln beispielsweise entwickelt eine Kampagne, in der eine Million Menschen, die nur einen einzigen Euro spenden würden, ausreichen, um gleich mehreren diskriminierten Familien ein sicheres Zuhause zu bieten.