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GAG-Chefin zur Wohnungsnot„Warum sind Grundstücke erst an Projektentwickler gegangen?“

Lesezeit 7 Minuten
Monika Scholz, Leiterin des Johanneshauses, und Kathrin Möller, Vorständin der GAG.

Monika Scholz (l.), Leiterin des Johanneshauses, und Kathrin Möller, Vorständin der GAG.

Im Interview sprechen die GAG-Vorständin und die Sozialarbeiterin über die Wohnungsnot in Köln und darüber, ob es bei der GAG erneut Mieterhöhungen geben wird.

Frau Möller, Frau Scholz, warum treibt Sie das Thema Wohnungsnot und Obdachlosigkeit um?

Kathrin Möller: Für uns als große kommunale Wohnungsbaugesellschaft ist das natürlich ein Thema, das uns interessiert und seit Jahren beschäftigt. Wenn Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden, wie man der nicht abreißenden Wohnungsnachfrage begegnen kann, dann finden wir es immer wieder spannend, unsere Expertise da auch mit einzubringen. Mein ganz persönliches Statement ist: Mit Geld alleine ist es nicht getan, den Wohnungsbau zu befördern. Und ich glaube auch, das Thema Obdachlosigkeit zu bekämpfen, ist nicht nur ein finanzielles Problem. Da glaube ich, braucht es ein bisschen mehr.

Monika Scholz: Wir haben im Johanneshaus in der Annostraße etliche Menschen in der Betreuung, über die Notschlafstelle und unser betreutes Wohnen. Das Thema ist überall und immer präsent. Als Träger mieten wir auch Wohnungen an und vermieten die weiter. Und wir versuchen auch, unseren Klienten Zugang zu einer Wohnung zu verschaffen, weil sie diese selber oft nicht anmieten können. Damit steht und fällt auch der Erfolg unserer Arbeit. Es ist natürlich immer das Ziel, die Menschen in eine Wohnung zu bringen. Unsere Klienten stehen oft ganz, ganz hinten an, wenn es um die Vergabe von Wohnungen geht.


Kathrin Möller (60) bildet zusammen mit Anne Keilholz den Vorstand der GAG. Die Architektin ist seit 2009 im Vorstand und für Technik und Immobilienwirtschaft zuständig. Vor rund einem Monat kündigte sie an, ihren am 30. Juni 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen.Monika Scholz (45) ist Diplom-Sozialarbeiterin und leitet seit zwei Jahren das Johanneshaus in der Südstadt, eine Einrichtung für obdachlose Männer. Zuvor hatte sie bereits 20 Jahre im Johanneshaus gearbeitet.


Frau Scholz, wie zeigt sich die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt in Ihrer Arbeit im Johanneshaus?

Scholz: Wir haben sowohl für unsere festen Plätze als auch in der Notschlafstelle eigentlich immer mehr Nachfrage, als wir anbieten können. Das geht den anderen Trägern genauso. Jetzt ist am 31. März die Winterhilfe ausgelaufen. Bei uns stehen jeden Tag teilweise bis zu 30 Menschen vor der Notschlafstelle, die 14 Plätze hat. Die städtischen Hotels sind voll. Es wird immer schwieriger, die Leute selbst in ein Hotel, also eine städtische Unterbringung, zu vermitteln.

Dazu kommt, dass sich der Mietspiegel extrem verschärft hat. Wir liegen jetzt bei 650 Euro plus Heizung, die das Jobcenter für eine Einzelperson übernimmt. Wir können den Menschen also oft nur teure Wohnungen anbieten. Wenn sie dann aber in eine Anstellung kommen, und vielleicht 1400, 1500 Euro netto verdienen, macht die Miete bereits die Hälfte ihres Einkommens aus. Da ist noch kein Strom, da ist noch kein Telefon dabei.

Möller: Das können wir nur bestätigen. Es wird für die Menschen immer schwieriger, die Kosten selbstständig zu stemmen, gerade im prekären Wohnbereich. Bei der GAG haben wir rund 10.000 Wohnungen im sogenannten Belegungsrechtsvertrag, den wir mit der Stadt geschlossen haben. Darüber können Menschen, die sonst nur schwer Zugang zum freien Wohnungsmarkt haben, bei uns eine Wohnung finden.

Geld allein hilft nicht
GAG-Chefin Kathrin Möller

Scholz: Wobei ich in 20 Jahren nur zwei Leute in so eine Wohnung habe vermitteln können.

Möller: Deshalb sage ich, Geld allein hilft nicht. Wir müssen an ernsthafte bürokratische Hürden ran. Es gibt sehr viele Regularien. Im GAG-Bestand haben wir viele Zwei- oder Dreizimmerwohnungen. Dann sagt das Sozialamt, da dürfen aber nur Familien mit soundso vielen Kindern rein. Dann sagen die Sozialraumkoordinatoren: Diese Familie kommt aus der Südstadt, dann darf sie auch nur in der Südstadt eine Wohnung bekommen.

Wir haben aber nun mal den größten Teil unseres Wohnungsbestandes im Rechtsrheinischen. Das heißt, wenn eine Wohnung aus dem Belegungsrechtsvertrag in Vingst oder Mülheim leer steht, werden die Menschen erst gar nicht dahin vermittelt. Ich würde doch aber denken, wenn ich eine Wohnungsnot habe, bin ich froh, wenn ich eine gute Wohnung bekommen kann.

Scholz: Das sind Dinge, die vielleicht mal gut gemeint gewesen sind, aber im aktuellen Markt nicht mehr sinnvoll sind.

Porträt von GAG-Chefin Kathrin Möller

Kathrin Möller ist im GAG-Vorstand.

Also sehen Sie die Verwaltung in der Pflicht?

Möller: Die Bürokratie, die sich dort im Zusammenspiel zwischen den Ämtern und dem Jobcenter aufgebaut hat, die muss wirklich abgebaut werden. Auch erschwert ein übervorsichtiger Umgang mit dem Thema Datenschutz häufig pragmatische Lösungen.

Scholz: Wenn ich immer erst zum Jobcenter und mir ein Okay geben lassen muss, bin ich immer die letzte Person, die sich auf eine Wohnung bewirbt.

Möller: Ich glaube, dass das gar nicht an der Unwilligkeit der Stadtverwaltung oder der Ämter liegt. Sondern, dass viel an Kommunikation und an Wegen verloren gegangen ist durch Corona, wo letztendlich viele Ämter einfach auch nicht zu erreichen waren.

Die GAG ist ja eine der großen Vermieterinnen in der Stadt. Wie gehen Sie denn mit Menschen in Not um?

Möller: Menschen, die bei uns wohnen, sollen möglichst ihre Wohnung nicht verlieren. Wir tun alles, um die Bewohner da zu unterstützen, mit Sozialarbeitern, und auch um zu schauen, wie die Leute nicht in Mietrückstände geraten, durch Stundungen, Teilzahlungen, etc.

Sie haben im vergangenen Jahr im freifinanzierten Bereich die Mieten teilweise um den maximal erlaubten Prozentsatz von 15 Prozent erhöht. Hat das auch dort funktioniert?

Möller: Menschen, die in Not waren, haben entweder gar keine Mieterhöhung bekommen, oder wir haben mit ihnen Lösungen gefunden, wie sie damit umgehen können. Oberste Priorität bleibt, dass Menschen ihre Wohnung nicht verlieren.

Wird es in diesem Jahr denn noch weitere Mieterhöhungen der GAG geben?

Möller: Dass jedes Jahr Mieterhöhungen stattfinden, ist normal.

Monika Scholz ist Leiterin des Johanneshauses.

Monika Scholz ist Leiterin des Johanneshauses.

Aber nicht in so einem Umfang wie im vergangenen Jahr?

Möller: Nein, etwas Ähnliches ist nicht zu erwarten.

Um den Wohnungsmarkt in Köln zu entspannen, braucht es ja aber auch neuen Wohnraum. Den zu schaffen, ist aber aktuell schwierig. Wie blicken Sie darauf?

Möller: Ich glaube, die Rahmenbedingungen, um das zu realisieren, wären in den letzten Jahren deutlich besser gewesen als im Moment. Wir reden aktuell über hohe Baukosten, hohe Regulatorik, hohe Zinsen. In den vergangenen Jahren konnten sich Projektentwickler am Kölner Immobilienmarkt aufgrund der damaligen günstigen Preise gut mit Grundstücken versorgen. Dadurch haben wir einen relativ auskömmlichen Wohnungsbestand im hochpreisigen Segment und im Eigentumsbereich. Aber nicht im preisgünstigeren Bereich, in dem wir Wohnungen zur Verfügung stellen wollen. Man hat immer wieder davon geredet, die städtische Gesellschaft mit Grundstücken versorgen zu wollen. Doch passiert ist vergleichsweise wenig. Man darf schon die Frage stellen: Warum sind Grundstücke erst an Projektentwickler gegangen und nicht gleich an uns?

Dazu kommt, dass in den kommenden Jahren sehr viele preisgedämpfte Wohnungen in Köln aus der Bindung fallen.

Möller: Ja, aber man muss sagen, dass wir in Nordrhein-Westfalen die beste Wohnraumförderung im gesamten Bundesgebiet haben. Über Modernisierungszuschüsse des Landes können wir Wohnungen wieder in die Bindung bekommen. Und wir haben ein gutes Programm zum Kauf von Belegungsbindungen. Wir können also über Förderprogramme des Landes Wohnungen wieder in die Bindung nehmen.

Scholz: Aus unserer Sicht denke ich natürlich: Warum sorgt man nicht dafür, dass erst weniger Wohnungen aus der Bindung herausfallen? Das klingt für mich einfacher, als neue zu bauen. So oder so: Mit immer weniger günstigen Wohnungen in der Stadt wird es für uns immer schwieriger, Wohnraum für unsere Klienten zu finden.


Monika Scholz und Kathrin Möller diskutieren zu dem Thema gemeinsam mit weiteren Gästen am Montagabend, 15. April, um 18.30 Uhr in der Karl-Rahner-Akademie. Der Titel der Veranstaltung lautet: „Köln konnte es – und kann es heute noch! Wohnungskrise und Obdachlosigkeit beenden!“

Zu Gast sind unter anderem Gerhart Baum, Jürgen Becker und Konrad Adenauer. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist erforderlich unter karl-rahner-akademie.de. Die Veranstaltung kann auch im Livestream verfolgt werden.