Köln – Auch sechs Wochen nachdem Russland die Ukraine angegriffen hat, fliehen Zehntausende Menschen aus dem osteuropäischen Land. Etwa 320.000 Geflüchtete haben mittlerweile Deutschland erreicht, etwa 5000 davon Köln. Die Kommune hat alle Hände voll zu tun, um die Menschen unterzubringen, sie zu verpflegen und zu betreuen.
Derweil drohen die Städte auf einem guten Teil der Kosten sitzen zu bleiben. „Denn das Land unterstützt die Stadt bislang nicht auskömmlich“, sagt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. „Massiv unterfinanziert“ fühlt sich auch der Leiter des städtischen Wohnungsamts, Josef Ludwig. Noch unklar ist, inwieweit die Stadt durch den Bund-Länder-Kompromiss vom Freitagmorgen entlastet wird.
Mehr als 21.000 Euro pro Geflüchteten und Jahr
Schon im Jahr 2019 hatte Professor Thomas Lenk von der Universität Leipzig festgestellt, dass die Kommunen nicht genügend Geld von Bund und Ländern erhalten. Er bezifferte die Kosten pro Geflüchteten und Jahr für kreisfreie Städte wie Köln in einem Gutachten für das NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration und die kommunalen Spitzenverbänden auf 13.500 bis 15.900 Euro.
Der Kölner Sozialdezernent Harald Rau geht sogar von noch höheren Kosten aus - von mehr als 21.000 Euro pro Geflüchteten und Jahr. Grund hierfür sei, dass die Stadt bei der Unterbringung geflüchteter Menschen aufgrund des besonders engen Kölner Wohnungsmarktes auch auf zum Teil sehr teure Lösungen wie Hotels oder eigens errichtete Interimsbauten setzen musste.
Land überweist zu wenig Geld
Berechnet werden die Kosten, die das Land NRW der Stadt überweist nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz. Hier ist eine Pauschale pro Flüchtling von 1125 Euro pro Monat vorgesehen. Diese ist zwar in den vergangenen zwei Jahren um 259 Euro erhöht worden, reicht aber immer noch nicht aus. Rau rechnet aktuell mit 10.000 ukrainischen Geflüchteten, die die Stadt unterbringen muss. Falls der Krieg in der Ukraine sich noch hinzieht und die geflüchteten Menschen lange in Köln bleiben sollten, dürften der Stadt damit Kosten in Millionenhöhe entstehen.
Werden Geflüchtete in Wohnheimen untergebracht, entstehen der Stadt Kosten, die in einer entsprechenden Satzung geregelt sind. Die Beträge variieren zwischen 15,48 und 54,09 Euro pro Quadratmeter und Monat. Für einen Flüchtling, der zum Beispiel in einem Zimmer in einem Wohnheim mit 20 Quadratmetern untergebracht ist, kommen bei einem Preis von 30 Euro pro Quadratmeter Kosten von 600 Euro pro Monat zustande. Weiter fallen aber auch Kosten für Verpflegung, soziale Betreuung, Gesundheit oder Schule und Kita an, erläutert Wohnungsamtsleiter Ludwig.
Hotels sind am teuersten
Noch teurer wird es, wenn Geflüchtete in Hotels untergebracht werden müssen. Hier fallen Kosten von 32 bis 45 Euro pro Flüchtling und Nacht an. Bei einem mittleren Satz von 38 Euro und 30 Tagen ergibt dies eine Summe von 1140 Euro. Hinzu kommen erneut Beträge für Essen und anderes. Momentan leben 1200 Geflüchtete in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, darunter zahlreiche Menschen aus der Ukraine. Die Stadt hat solche Einrichtungen angemietet, weil die Wohnheime bereits belegt und auf die Schnelle keine weiteren Unterkünfte verfügbar sind.
Zudem erhalten derzeit Geflüchtete Geld aus dem Asylbewerberleistungsgesetz. Der Satz liegt unter dem Hartz-IV-Satz (449 Euro) und seit 2021 bei 364 Euro pro Monat. Die finanzielle Unterstützung wird in den ersten Monaten von den Sozialämtern ausgezahlt. Anschließend erhalten die Geflüchteten den Hartz-IV-Satz, der über die Jobcenter vom Bund gezahlt wird und die Kommunen nichts kostet, erläutert Prölß.
Mehr Geld für ukrainische Flüchtlinge
Bei den nun geführten Gesprächen von Bund und Ländern ging es genau um diese Frage. In der Nacht auf Freitag hatte man sich darauf geeinigt, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ab dem 1. Juni eine staatliche Grundsicherung erhalten, also die gleichen Leistungen wie etwa Hartz-IV-Empfänger. Für die Kriegsflüchtlinge hat das Vorteile: Sie erhalten höhere Leistungen und eine bessere Gesundheitsversorgung. Außerdem bekommen sie früher Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt und haben mit den Jobcentern eine zentrale Anlaufstelle für ihre Belange.
Der Bund will sich auch maßgeblich an den Kosten für die Unterkunft beteiligen. Mit der Entscheidung für die Grundsicherung seien nicht alle finanziellen Belastungen für Länder und Kommunen abgegolten, sagte Scholz. „Deshalb werden wir den Ländern pauschal zwei Milliarden Euro für dieses Jahr zur Verfügung stellen, wovon 500 Millionen gedacht sind für die Kommunen, um ihre zusätzlichen Kosten für die Unterkunftsfinanzierung abzusichern, die nicht bereits abgedeckt sind durch die Grundsicherung für Arbeitssuchende.“
OB Reker begrüßt Kompromiss
Oberbürgermeisterin Henriette Reker begrüßte den Kompromiss: „Ich finde es gut, dass der Bund seiner Verantwortung nachkommt, die Kommunen von den finanziellen Mehraufwendungen, die durch die Aufnahme der vielen Geflüchteten aus der Ukraine entstehen, zu entlasten, auch wenn das in der Konsequenz bedeutet, dass damit eine weitere Arbeitsbelastung auf die Kommunen zukommt.“ Unbefriedigend sei, dass die Entscheidungen der Kommune keine echte Planungssicherheit verschaffen, da viele Fragen zur Finanzierung nicht geklärt seien. (mit dpa)