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Hells Angels und BandidosAufträge für Rocker-Schießereien in Köln kamen von ganz oben

Lesezeit 4 Minuten
Rocker Köln Einschusslöcher dpa

Einschusslöcher in einer Glasscheibe vor einer Spielhalle in Köln-Buchheim

  1. Seit Jahren versuchen die Bandidos, ihre Macht in Köln mit Gewalt auszudehnen. Die Folge sind Schießereien, wie etwa die in Buchheim im Januar 2019 mitten in der Innenstadt.
  2. Vier Mitglieder der Bandidos sind nun vor zwei Wochen wegen der Vergeltungsaktion angeklagt worden.
  3. Eine europaweit operierende Kommandoebene der Bandidos soll Anschläge und Angriffe in Köln steuern.
  4. Lesen Sie hier detaillierte Hintergründe.

Köln – Die Schüsse aus der Maschinenpistole fielen gegen halb elf Uhr am Freitagabend: Das gute Dutzend Gäste des Cafés „Jokers“ in Buchheim warf sich auf den Boden, als die Projektile in Kopf- und Bauchhöhe durch die Tür einschlugen. Die Attacke dauerte wenige Sekunden. Einem Wunder gleich wurde niemand verletzt, die Täter entkamen zunächst unerkannt.

Bei dem Angriff auf das „Jokers“, einem Treff der Hells Angels, ging die Polizei von einer Racheaktion im Rockermilieu aus. Nur Stunden zuvor hatte ein führender Hells Angel den Chef der Kölner Bandidos an jenem 4. Januar 2019 mitten in der City zu einer Schießerei herausgefordert. Es war der Höhepunkte einer schwelenden Fehde.

Überwachungskamera eines Cafés in Buchheim vom 7.1.2019

Viele Monate sollten vergehen, ehe abgehörte Telefonate auf die Spur des mutmaßlichen Schützen und seiner drei Komplizen führten. So wurden die Ermittler Zeuge, wie einer der Verdächtigen einen Kombattanten warnte: „Egal, was in Köln passiert ist, egal, was ihr wisst: Keiner darf ein Wort sagen.“

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Es geht vor allem um versuchten Mord

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Staatsanwaltschaft Hagen die vier Mitglieder der Bandidos vor zwei Wochen wegen der Vergeltungsaktion angeklagt. Wie ein Sprecher des Landgerichts Hagen mitteilte, geht es vor allem um versuchten Mord. Der mutmaßliche „Jokers“-Schütze G., 22, Mitglied der Bandidos in Leverkusen, sitzt bereits wegen einem weiteren Verfahren in Untersuchungshaft.

Die restlichen Angeklagten gehören offenbar zu einer Truppe, die während der Revierkämpfe im Kölner und Hagener Raum verfeindete Rocker-Gruppen angreifen sollten. Ende Juni erst wurden die drei wegen einer tödlichen Messerattacke auf einen gegnerischen Freeway Rider zu hohen Haftstrafen verurteilt. „Mein Mandant ist gerade erst durch das Essener Schwurgericht zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden“, erklärt Strafverteidiger Burkhard Benecken. „Ich hoffe, dass das neue Verfahren in Hagen schnell abgeschlossen wird, damit der Klient mit der dringend erforderlichen Drogentherapie beginnen kann.“

Brisante Einblicke in die Führungsstrukturen der mächtigsten Motorrad-Gang in NRW

Die Anklage zum Angriff auf das „Jokers“ gewährt brisante Einblicke in die Führungsstrukturen der mit etwa 800 Mitgliedern mächtigsten Motorrad-Gang in NRW. Seit Jahren versuchen die Bandidos, ihre Macht mit Gewalt auszudehnen. In Köln geht es gegen die Hells Angels, in der Region Hagen gegen die Freeway Rider, auch in anderen Städten ereigneten sich insbesondere seit 2017 Jahren Vorfälle. Schießereien, Auftragsmorde, Geiselnahmen, Überfälle, Massenschlägereien, Waffendiebstähle – die Liste der Straftaten ist lang. Inzwischen stellen die Ermittler für Organisierte Kriminalität (OK) bei den Bandenkriegen in Köln und Hagen massive Überschneidungen fest. Den Erkenntnissen zufolge soll eine europaweit operierende Kommandoebene der Bandidos die Angriffe in beiden Regionen gesteuert haben. In dem Gremium namens „Federation West Central“ geben so genannte „Nationals“ den Ton an. Laut dem Hagener Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli „reicht ihre Zuständigkeit von Belgien über Deutschland bis nach Ungarn“. Wie diese Zeitung erfuhr, haben die Strafverfolger gegen fünf Rockerbosse aus dem Gremium ebenfalls Anklage erhoben. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Bildung einer kriminellen Vereinigung, versuchten Mord und Waffendelikten, berichtete ein Gerichtssprecher in Hagen.

E. als „Sargento des Armas“ (Security-Chef und Waffenmeister) soll laut Anklage unter anderem auch die Schüsse auf das Hells-Angels-Café „Jokers“ angeordnet haben. Als der Anschlag ohne Opfer blieb, soll der Bandido-Chef einen der Attentäter wegen des Fehlschlags zusammengestaucht haben.“ Ein Aussteiger berichtete den Ermittlern zudem, dass E. etliche Tötungsdelikte in Auftrag gegeben habe. Der Bandido-Anführer managte offenbar die Revierkämpfe. So verschob E. Personal von der Ruhr an den Rhein, um „Köln“ im Kampf gegen die Hells Angels „stabil“ zu machen.

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Zu den Angeklagten der Bandido-Kommandoebene gehören auch so illustre Figuren wie Peter Maczollek. Unvergessen wie der „Vice President Europe“ vor gut zehn Jahren in einer inszenierten Veranstaltung mit Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth vor laufenden Kameras Frieden schloss. Der Pakt hielt nicht lange. Nun soll sich der 56-jährige Ober-Boss als einer der Initiatoren einer kriminellen Vereinigung vor Gericht verantworten.

Durch die Ermittlungsoffensive seit dem vergangenen Jahr und diverse Anklagen sitzen viele Hauptfiguren der Bandidos in Untersuchungshaft. Entgegen der zahlreichen Zusammenstöße bis 2019 stellt etwa die Kölner Polizei auf Anfrage derzeit „keine weiteren Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Rockergruppe fest“.

Razzia Rockerbande

Die Kölner Polizei hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Rocker-Treffpunkte kontrolliert. 

Nach Angaben des Leitenden Kriminaldirektors Klaus-Stephan Becker, „hat der massive Kontrolldruck die Szene beeindruckt“.Thomas Jungbluth, leitender OK-Experte im Landeskriminalamt, traut dem Frieden nicht: „Vermutlich hängt die derzeitige Ruhe auch mit dem anstehenden Urteil beim Bundesverfassungsgericht zusammen.“ Regionale Rockerguppen hatten vor gut zwei Jahren Beschwerde in Karlsruhe gegen das neue Vereinsgesetz eingelegt. So dürfen die Hells Angels nicht ohne Weiteres mit dem geflügelten Totenkopf auf der Jacke herumlaufen, und den Bandidos ist es untersagt, die Abbildung eines Sombrero tragenden und bewaffneten Mexikaners auf ihren Lederwesten zu zeigen.