AboAbonnieren

„Ich hätte weinen können“Kölner Künstlerin gibt Kindern Malunterricht

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Die Kölner Künstlerin Claudia Kremer gibt Kindern Malunterricht.

  1. Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  2. Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Diesmal geht es um eine Künstlerin, die eine Malschule in Köln betreibt und sich gerade ganz besonders über die Lockerungen freut.
  3. Als endlich wieder Menschen mit ihrem Kölsch an der Straße saßen, hätte sie vor Freude weinen können, sagt die 57-Jährige.
  4. Clara -.. möchte Jura studieren und später vielleicht in die Politik gehen

Köln – Es ist jetzt genau 214 Tage her, seitdem ich das letzte Mal draußen auf der Straße jemandem mit Porzellantasse in der Hand gegenübergesessen habe. Es war Aljoscha Thönneßen, ein junger Mann, der über die positiven Auswirkungen von Kälte sprach und darüber, dass er selbst im Winter regelmäßig in einen See oder Weiher eintaucht. Dass es mit dem nächsten Kaffee dauern würde, bis auch die weniger Unverfrorenen wieder baden gehen, hätte ich nie gedacht. Aber ich freue mich heute über Claudia Kremer, die ähnlich wie ich jubelt, dass diese Durststrecke vorüber ist.

Ich begegne der 57-Jährigen auf dem Gottesweg, und während die Eishungrigen vor der Manufaktur Savoca Schlange stehen, genießen wir auf einem Fenster-Mäuerchen den ersten Outdoor-Cappuccino seit Lockdown-Ende. Kremer ist freischaffende Künstlerin; sie malt jedoch nicht nur für sich, sondern sie bringt es in erster Linie anderen Menschen bei. Die Erleichterung darüber, dass sie das nun wieder darf, ist der gebürtigen Kölnerin in jedem Satz anzumerken. Ihre ebenfalls auf dem Gottesweg gelegene Malschule öffnet sie in diesen Tagen auch deshalb so strahlend, weil sie in den zurückliegenden Wochen ihr Umfeld noch mal von einer neuen Seite erlebt hat.

Monatsbeiträge in Form von Spenden erbracht

„Ich bin glücklich, dass ich noch hier bin. Und dass das so ist, habe ich meinem Klettenberg zu verdanken“, unterstreicht sie und erzählt, dass ihre Schüler ihr Monatsbeiträge in der Zwischenzeit einfach in Form von Spenden erbracht hätten. „Das ist traumhaft, und dafür kann man einfach nur dankbar sein.“ Wie viele andere Menschen auch hat Kremer sich monatelang wie in einer Depression gefühlt. „Ich konnte nicht mehr malen, es passierte nichts mehr. Als die Menschen jetzt endlich wieder hier auf der Straße mit ihrem Kölsch saßen und am Strahlen waren, hätte ich weinen können. Ach, war das schön!“

Die Kölnerin hat den Eindruck, dass die Leute gerade jetzt nach erbaulichen Erfahrungen dürsten. „Ich habe so viele Anfragen für Kurse. Man möchte wieder loslegen. Etwas Beglückendes erfahren. Etwas, was einen lächeln lässt – innerlich.“ Malen, so lautet ihre Überzeugung, „befriedet ungemein“, weil man sich dadurch aus dem Alltag rauslösen könne. „Man sitzt nur noch mit sich und der Leinwand, sonst ist da nichts.“

Kinder puschen sich gegenseitig

Ob sie glaube, dass grundsätzlich jeder fürs Malen geeignet sei, frage ich die Künstlerin. „Es kommt darauf an, an wen man gerät“, sagt Kremer und denkt dabei zunächst an die Lehrer. Den Schülern hingegen stehe vielfach der eigene Perfektionismus im Wege. Doch diejenigen, die sich wirklich einlassen auf diesen Prozess, es immer wieder versuchten und akzeptierten, „dass das auch schon mal Mist werden kann“, ohne deshalb gleich Frust zu schieben, die stellten fest, dass „irgendwann ein innerer Prozess in Gang kommt. Und dann fängt es an zu fließen. Die Dinge passieren und darauf muss man sich einlassen.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Ich finde, es braucht viel Mut für den ersten Pinselstrich auf einer Leinwand. Kremer lächelt. „Mut ist richtig. Aber wenn ich darüber hinaus bin, dann wird es leichter.“ Wichtig sei eine individuelle Anleitung, denn Malen habe viel mit Gefühl zu tun. Ob Kinder die besseren Schülerin sind, weil die noch nicht so die Schere im Kopf haben, will ich wissen. „Nein“, entgegnet Kremer. „Freier sind die Mäuse nicht. Die puschen sich so untereinander. Wenn einer nur eine Eins minus hat und der andere eine eins, dann wird schon geweint. Die haben einen hohen Leistungsdruck, und den übertragen sie auch auf die Kunst. Die wollen die Dinge bestmöglich machen, da bleibt für das Spielerische kaum Raum. Einfach drauflos klatschen, das geht vielleicht noch bei Vierjährigen.“ Die Älteren hingegen unterschieden sich in ihrem Anspruch kaum von Erwachsenen. Was den Kunstunterricht an den Schulen anbelangt, äußert die Künstlerin Kritik am zur Verfügung gestellten Material. Die Ausstattung sei ganz schlecht. „Wenn ich sehe, was die für Pinsel und Farbe haben, werde ich traurig.“