Teheran/Köln – Während auf den Straßen von Teheran aufgebrachte Menschen gegen den mutmaßlich gewaltsamen Tod der 22-jährigen Mahsa Amini demonstrieren, die laut iranischer Sittenpolizei ihr Kopftuch „nicht ordnungsgemäß getragen“ haben soll, ist die Kölnerin Nahid Taghavi froh, aktuell nicht im Gefängnis sein zu müssen.
Vermeintliche Mitgliedschaft in illegaler Organisation
Die 68-jährige Deutsch-Iranerin war am 16. Oktober 2020 in ihrer Teheraner Wohnung festgenommen worden. Mehrere Tage fehlte jede Spur von der ehemaligen Architektin, die seit vielen Jahren zwischen Köln und Iran pendelte. Im August 2021 wurde Taghavi wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu gefährden“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Weitere acht Monate erhielt sie wegen vermeintlicher „Propaganda“. Dafür könne schon ein Foto ohne Kopftuch reichen, sagt Taghavis Tochter Mariam Claren, die bis heute schockiert ist über das Urteil gegen ihre Mutter.
Am 19. Juli 2022 erhielt Nahid Taghavi Hafturlaub, der bis heute andauert. Die Kölnerin hat infolge ihrer Inhaftierung chronische Rückenschmerzen, die so stark sind, dass sie täglicher Behandlungen bedürfen. „Aktuell lebt meine Mutter bei ihrer Familie und muss sich regelmäßig bei der Justiz melden. Sie ist gesundheitlich stark angeschlagen, ihr geht es sonst aber den Umständen entsprechend gut“, sagt Mariam Claren.
Der Hafturlaub sei auch wegen Interventionen des Auswärtigen Amts und öffentlichen Drucks erreicht worden. „Wir hoffen, dass sie dauerhaft haftunfähig erklärt wird, ob das gelingt, ist aber leider völlig ungewiss“, sagt die Tochter.
Zuletzt gesprochen hat Mariam Claren mit ihrer Mutter am Donnerstag – kurz bevor das iranische Regime infolge der wütenden Proteste im Land gegen die Gewalt der Sittenpolizei und für die Gleichberechtigung von Frauen das Internet lahmlegte.
Für Mariam Claren ist es sehr wahrscheinlich, dass Mahsa Amini infolge von Misshandlungen ins Koma fiel und starb. Das legten die Fotos nahe, die Aminis Familie aus dem Krankenhaus postete und die um die Welt gingen. „Ich habe noch nie so eine Wut empfunden wie nach der Nachricht, dass eine Frau, die angeblich ein Kopftuch nicht richtig trug, deswegen sterben musste“, sagt Claren.
Hoffnung auf internationale Öffentlichkeit
Die Zwangsverschleierung sei „eine der Säulen der islamischen Republik“. Dass eine Revolte von Frauen, die von vielen Männern unterstützt wird, daran rüttelt, „gab es in dieser Form noch nicht“.
Sie hoffe, dass bei Verhandlungen mit dem Iran zum Atomabkommen und zu Energielieferungen „immer auch die Menschenrechte im Vordergrund stehen“, sagt Claren.
Außenministerin Annalena Baerbock hatte jüngst gefordert, der Fall Mahsa Amini müssen vor dem UN-Menschenrechtsrat behandelt werden. „Diese Forderung war sehr offensiv und ein ganz wichtiges Signal“, sagt Mariam Claren. Wie sich die aktuelle Lage im Iran auf die Zukunft ihrer Mutter auswirke, sei „völlig offen“. Wichtig sei es, dass „die Scheinwerfer der internationalen Öffentlichkeit jetzt weiter auf den Iran leuchten und Menschenrechtsverletzungen offensiv anprangern“.