Köln – Käthe Kollwitz: Sie war ein Ausnahmetalent und 1919 die erste Frau, die in die Preußische Akademie der Künste berufen wurde; sie bot Ausbeutern und Kriegstreibern die Stirn; sie erzürnte das Kaiserpaar so sehr, dass dieses gleich zweimal gegen ihre Werke einschritt; sie war eine unerschrockene Humanistin und mitfühlende Kämpferin für die Unterdrückten; ihre Kunst ergreift die Menschen bis heute und bietet ihnen Hoffnung und Trost.
Und auch das darf man nicht vergessen: Während Deutschland Käthe Kollwitz nach der Hitlerzeit zu vergessen drohte, wurden ihre Kunst und sie selbst im Ausland zur Botschafterin des anderen und besseren Deutschland. Es gibt wahrlich genug Gründe, um der Künstlerin Käthe Kollwitz (1867–1945) ein eigenes Museum zu errichten.
Allerdings darf man sich durchaus ein wenig darüber wundern, dass es neben dem Käthe Kollwitz Museum in Berlin auch in Köln ein Museum desselben Namens gibt. Schließlich sind die Lebensfäden der Berlinerin ins Rheinland eher dünn gesponnen.
Die Geschichte des Kölner Kollwitz Museums beginnt – wie so vieles in Köln – mit einer monetären Verlegenheit. Im Wallraf-Richartz-Museum würde man 1983 gerne eine 60 Zeichnungen der Künstlerin umfassende private Sammlung erwerben, doch das städtische Haus bringt das nötige Geld nicht auf. Die Blätter drohen einzeln versteigert und in alle Winde zerstreut zu werden, und so springt die Kölner Kreissparkasse als Mäzenin ein.
Zwei Jahre später ist die Kollwitz-Sammlung des Kreditinstituts durch weitere Ankäufe und Schenkungen auf 100 Zeichnungen, 60 Druckgrafiken und 15 Plastiken angewachsen – genug für die Eröffnung des Kölner Käthe Kollwitz Museums am 22. April 1985.
Am Anfang sind die Schätze noch in den Räumen des Geldhauses zu sehen, 1989 zieht das Museum schließlich ins Dachgeschoss der Neumarkt-Passage ein. Es ist nicht gerade ein idealer Ort für ein Kunstmuseum, aber die weltweite Gemeinde der Kollwitz-Verehrer findet trotzdem hinein. Über eine Million Besucher haben im Lauf der Jahre das Museum besucht, die Einnahmen kommen der Kollwitz-Gedenkstätte in Moritzburg bei Dresden zugute.
Mittlerweile ist die Kölner Sammlung die größte zu Käthe Kollwitz überhaupt. Und das Museum ein Ort des Trostes und der Ergriffenheit. Wie wenige andere Künstler hat Kollwitz das Leid des Menschen mit virtuoser Anteilnahme dargestellt – und zugleich dessen Willen, sich vom Schicksal nicht brechen zu lassen.
Der Erste Weltkrieg als Zäsur
Am 24. Oktober 1914 notiert Käthe Kollwitz in ihr Tagebuch: „Die erste Nachricht von Peter. Er schreibt, sie hören schon Kanonendonner.“ Beide Söhne sind im Krieg, die Feldpost kommt regelmäßig mit großer Verspätung.
Anfang November blättert Kollwitz in ihrem Tagebuch zurück und trägt den 22. Oktober nach: „In dieser Nacht stirbt Peter.“ Schon immer ist es Kollwitz schwergefallen, die Rollen von Ehefrau, Mutter und Künstlerin auseinanderzuhalten. Jetzt wird dies vollends unmöglich: „Zur Arbeit muss man hart sein“, schreibt sie 1916, doch den Schmerz über den toten Sohn will sie nicht verdrängen.
Aus der Depression erwacht sie erst, als sie die große Frage beinahe aller Künstler dieser Zeit „Wie zeige ich den Krieg?“ für sich beantworten kann. 1918 beginnt sie ihre in ergreifende Düsternis getauchte Holzschnitt-Reihe „Krieg“. Auf dem siebten, „Das Volk“ betitelten Blatt zeigt sie eine Mutter, die das Kind in ihrem Bauch vor den geifernden Kriegshetzern verbirgt.
Der Erste Weltkrieg ist für Kollwitz eine schmerzhafte Zäsur, aber eines konnte das große Sterben auf den Schlachtfeldern nicht ändern: Sie bleibt eine Ausnahmeerscheinung in der Kunstwelt ihrer Zeit und stellt ihr von Malern wie Max Liebermann oder Adolph von Menzel gleichermaßen bewundertes Talent fortan in den Dienst des Pazifismus. 1918 tritt sie im „Vorwärts“ öffentlich der letzten Mobilmachung für den Krieg entgegen, ihr Plakat „Nie wieder Krieg“ für den Mitteldeutschen Jugendtag 1924 ist bis heute eine Ikone der Friedensbewegung.
Auch im NS-Staat verlässt Käthe Kollwitz nicht der Mut: 1936 drohen die Nazis der 69-Jährigen mit der Deportation in ein Konzentrationslager, doch Kollwitz lässt sich nicht einschüchtern und geht zur Beerdigung des von den Nazis verfolgten Bildhauers Ernst Barlach. Sie stirbt am 22. April 1945 – auf ihrem letzten Bild zeichnet sie den eigenen Tod.
Für Kinder
Käthe Kollwitz hat immer wieder Kinder gezeichnet, das Motiv der Mutter mit Kind gehört zu den bedeutendsten und ergreifendsten in ihrem Werk. Entsprechend gut eignen sich Kollwitz’ Bilder für den gemeinsamen Besuch mit Kindern.
Regelmäßig gibt es Führungen für Kinder ab sechs Jahre, dazu kommt die Samstagswerkstatt, in der die Kinder ihr eigenes zeichnerisches Talent mit Bleistift, Pinsel und Feder erproben können.
Zu jeder Sonderausstellung entwickelt das Museum ein Entdeckerquiz für Besucher ab sieben Jahren. Wer die Aufgaben gelöst hat, erhält ein Überraschungsgeschenk.
Leiterin Hannelore Fischer über das Museum
Unser Museum ist einer einzigen Künstlerin gewidmet: Käthe Kollwitz (1867–1945), deren 150. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern. Sie bringt in ihren Werken wie keine andere Themen wie Krieg, Armut und Tod, aber auch Liebe, Geborgenheit und das Ringen um Frieden in nachdrücklicher Weise zum Ausdruck. Aber nicht nur deshalb, vor allem auch aufgrund ihrer herausragenden künstlerischen Fähigkeiten als Zeichnerin, Grafikerin und Bildhauerin, zählt sie zu den bedeutendsten deutschen Künstler-Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.
Dass wir heute in Köln die umfangreichste Sammlung ihrer Werke präsentieren können, rührt daher, dass 1983 ein Konvolut von 60 Zeichnungen aus einer Kölner Privatsammlung veräußert werden sollte. Die Kreissparkasse Köln erwarb diese Gruppe, damit sie nicht auseinandergerissen wurde. Innerhalb kurzer Zeit kamen weitere Ankäufe und Schenkungen dazu, und schon 1985 konnte das erste Kollwitz-Museum überhaupt, an ihrem 40. Todestag, eröffnet werden.
„Einzigartige Möglichkeit, beinahe das vollständige Werk zu überblicken“
Inzwischen umfasst unsere Sammlung – nach über 30 Jahren – den international größten Bestand an Zeichnungen und druckgrafischen Blättern sowie alle ihre Plakate und das vollständige museal greifbare plastische Werk in frühen Güssen. Zusammen mit der Kopie der Skulpturengruppe „Trauernde Eltern“ in der Kirchenruine Alt St. Alban und dem Grabrelief Levy auf dem Jüdischen Friedhof in Bocklemünd ergibt sich in Köln auch die einzigartige Möglichkeit, beinahe das vollständige bildhauerische Werk der Künstlerin zu überblicken.
In mehreren Sonderausstellungen jährlich, begleitet von Vorträgen, Führungen und spannenden museumspädagogischen Angeboten für Erwachsene und Kinder, erweitern wir immer wieder den Blick auf Käthe Kollwitz. Besonders freue ich mich über die zahlreichen und bewegenden Reaktionen von Besuchern aus aller Welt, die ich bei Führungen kennenlerne oder die im Besucherbuch berichten, wie sehr sie vom Werk der Käthe Kollwitz beeindruckt sind. Das zeigt, wie wichtig und aktuell ihre Kunst, gerade in der heutigen Zeit, noch immer ist.
Steckbrief des Museums
Seit seiner Gründung im Jahr 1985 ist die Sammlung des Kölner Käthe Kollwitz Museums stetig gewachsen: Mit über 300 Zeichnungen und rund 550 Grafiken ist es mittlerweile die größte zu Leben und Werk der Künstlerin. Finanziert wird das Museum von der Kreissparkasse Köln.
Sonderausstellung
Anlässlich des 150. Geburtstags von Käthe Kollwitz zeigt das Museum die Sonderausstellung „AUFSTAND! Renaissance, Reformation und Revolte im Werk von Käthe Kollwitz“ als Höhepunkt des Jubiläumsprogramms. Im Fokus ist der graphische Zyklus „Bauernkrieg“ (1902/03–1908).Die Radierfolge steht in zweifacher Hinsicht für den Aufbruch in eine neue Zeit, schreibt das Käthe Kollwitz Museum über den Zyklus. Zum einen vergegenwärtigt sie mitreißend den Aufstand erniedrigter Bauern von 1524/25. Sie führt damit das Selbstverständnis des Menschen in der frühen Neuzeit vor Augen, das auf Freiheit und Würde pocht, wie es sich auch in der Reformation und im Renaissance-Humanismus spiegelt.
Öffnungszeiten und Informationen
Käthe Kollwitz Museum Köln, Neumarkt 18-24, 4. Etage der Neumarkt-Passage, Di.–Fr. 10–18 Uhr, Sa.–So. 11–18 Uhr. Tel. (0221) 227-2899/-2602
Anfahrt: Mit Bus und Bahn über die U-Bahn-Linien 16 und 18 zur Haltestelle Neumarkt oder ab Hauptbahnhof rund 15 Minuten zu Fuß über Hohe Gasse und Schildergasse. Mit dem Pkw Richtung Innenstadt, am Neumarkt ins Parkhaus der Kreissparkasse Köln, Einfahrt Richmodstraße.
Eintritt: 5 Euro/2 Euro ermäßigt. Für Kinder bis sechs Jahre ist der Eintritt kostenlos.
Eigentlich bietet der Internetauftritt des Museums alles, was das Herz begehrt: Ausführliche Informationen zum Museum, zur Sammlung und zu Leben und Werk der Künstlerin. Besonders gelungen ist das Glossar, in dem die Techniken der vielseitig begabten Kollwitz erklärt werden.
Auch das aktuelle Verzeichnis des plastischen Werks steht vollständig online. Technisch ist die Website allerdings hoffnungslos überholt. Es gibt weder bewegte Bilder noch ansprechende Bildergalerien, und auch der virtuelle Rundgang durchs Museum ist kaum dazu geeignet, das gerade Erlernte mit Anschauung zu unterfüttern. Hier geht es zur Webseite: www.kollwitz.de.