Köln – Einmal im Jahr ist der Kölner Dom fest in der Hand der Karnevalisten. Seit 2007 ist der Gottesdienst zu Beginn der Session ein unverzichtbarer Bestandteil des Karnevalsfestes. In dieser besonderen Karnevalsmesse erbitten das Dreigestirn und das Kinderdreigestirn vor der Proklamation den Segen für eine gelingende Session.
Das jeweilige Kinderdreigestirn gestaltet für diesen Gottesdienst eine Karnevalskerze, die im Altarraum aufgestellt wird. Das Schlusslied ist stets „Am Dom zo Kölle“ von August Schnorrenberg aus dem Jahr 1946.
Am Dom zo Kölle
Bei der ökumenischen Feier der Karnevalsgesellschaften ertönt auch das Lied „Mer losse d’r Dom in Kölle“ von den Bläck Fööss. Dafür zieht der Organist an der Schwalbennestorgel ein besonderes Register. Dahinter verbirgt sich eine drollige Geschichte. Das Instrument mit 3956 Pfeifen hat 45 Register. Eins trägt die Aufschrift „Loss Jon“.
Wird dieser Knopf ganz rechts oben neben dem Spieltisch gezogen, ist nicht nur der Fööss-Titel zu hören. Unter der Orgel öffnet sich eine Klappe und eine Figur, die dem ehemaligen Dompropst Bernard Henrichs verblüffend ähnlich sieht, fährt heraus. Der Journalist Robert Boecker lüftet in seinem Buch „Ich fürchte, Herr Pastor, wir sind bestohlen“ eine Anekdote zu dieser Figur mit Narrenkappe.
Die Narrenkappe war im Entwurf Rot-Weiß gezeichnet
Als die Orgelbauer der Bonner Firma Klais dem Propst die Pläne für die Sonderausstattung zeigten, war der wenig begeistert. „Das kommt überhaupt nicht in Frage“, soll der eigentlich für seinen Humor bekannte Henrichs ausgerufen haben. Nach einer Schrecksekunde für die Orgelbauer erläuterte ihnen der Geistliche seine Reaktion.
Die Narrenkappe war im Entwurf Rot-Weiß gezeichnet. „Ich bin Feldkaplan der Ehrengarde und unsere Farben sind Grün-Gelb“, verkündete der Dompropst. Natürlich wurde das geändert und seither lässt sich die Figur ganz klar der Ehrengarde zuordnen. „Loss Jon“ und „Rubbididupp“ liegen ja auch wirklich nah beieinander.
Eigelstein
Vom Dom aus führt der Weg über Marzellenstraße und Eigelstein zur Eigelsteintorburg. Sie ist ebenso wie die Severinstorburg beim Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer in den 1880er Jahren erhalten geblieben. Um den Karnevalsbezug der Eigensteintorburg zu erkennen, muss man ein wenig in die Stadthistorie eintauchen. 1891 wurde eine überlebensgroße Steinfigur außen am westlichen Turm aufgestellt.
Sie stellt den „Kölschen Boor“ dar und soll an die Schlacht von Worringen 1288 erinnern, bei der die Kölner Bürgerschaft mit tatkräftiger Unterstützung der Bergischen Bauern über den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg triumphierten. Der „Kölsche Boor“ ist das Sinnbild für die Stärke und Wehrhaftigkeit der Stadt Köln und zugleich das Symbol für die einst errungene reichstädtische Freiheit. Heute verkörpert der Bauer im Dreigestirn genau diese Rolle. Der Hut mit Federbusch, der Dreschflegel und die Stadtschlüssel als Insignien „Seiner „Deftigkeit“ sind die äußeren Zeichen für Treue und Wehrhaftigkeit.
UKB
Noch vor der Eigelsteintorburg geht vom Eigelstein rechts die Straße Unter Krahnenbäumen (UKB) ab. Sie führte einst bis zum Rhein in Richtung der Kirche St. Kunibert. Mit dem Bau der mehrspurigen Nord-Süd-Fahrt, der Mitte der 1950er begann, wurde UKB im Bereich der Turiner Straße in zwei Teile gerissen. Vorher pulsierte das Leben in der etwa 300 Meter langen Straße. Es gibt etliche karnevalistische Anknüpfungspunkte, die alle aus der Zeit vor der Teilung stammen. Zum Beispiel schrieb der Textdichter Willi Ostermann 1909 das Lied „Kinddauf-Fess unger Krahnebäume“.
Grete Fluss
Aus diesem urbanen Kraftzentrum stammte eine der bedeutendsten Karnevalskünstlerin der Stadt. Grete Fluss wurde 1892 in der Straße „Unter Krahnenbäumen“ als Spross einer kinderreichen Familie geboren. Ihr Vater Anton war Polsterer, handelte nebenbei mit Kohlen und trat am Wochenende mit seiner Geige, mitunter auch mit dem Klavier, auf Kirmesplätzen auf. Die Tochter Grete trat als 15-Jährige zum ersten Mal im Karneval auf. Als Sängerin bei der „Greesberger Gesellschaft“ im „Fränkischen Hof“.
Grete Fluss war die erste Frau in der Bütt. Viele ihre Texte schrieb Hubert Ebeler. Von ihm stammte 1910 ihr erstes Mundartlied „Ech ben et Flusse, Flusse Griet“. Sie war ein Multitalent, konnte singen, sprechen, tanzen, improvisieren und schauspielern. Grete war komisch, direkt, derb, schlagfertig und witzig. Sie ging regelmäßig auf Tournee, trat in ganz Deutschland auf. Nur während der Karnevalszeit konnte sie kein noch so lukratives Angebot aus Köln weglocken.
Chargesheimer
Der Fotograf Chargesheimer widmete sich in seinem 1958 erschienenen Fotobuch „Unter Krahnenbäumen“ den Menschen und ihrem Leben, die dort lebten. Das Werk ist Momentaufnahme und Milieusstudie zugleich, Chargesheimer hat die Menschen im Ablauf eines Jahres fotografiert. Seine Kamera hielt Szenen aus dem Alltag, zur Kirmes, bei der Prozession und beim Karneval fest. Seine eigene Verbindung zum Karneval wird mit einem Querverweis deutlich, der mit Trude Herr zu tun hat. Die später sehr erfolgreiche Filmschauspielerin und Theaterchefin war zu Beginn ihrer Bühnenkarriere ein gefeierter Karnevalsstar.
Bereits in ihrer ersten Session 1954 hatte sie mehr als 50 Engagements. Weil sie keinen Führerschein besaß, fuhr ihre ältere Schwester Agathe „Agi“ sie von Saal zu Saal. War Agi verhindert, sprang häufig deren Freund als Chauffeur ein. Sein Name: Karl-Heinz Hargesheimer, der als Fotograf unter dem Künstlernamen Chargesheimer arbeitete.
Toni Steingass
Ein kurzer Schwenk zurück zur Torburg: Traditionell startet die Nippeser Bürgerwehr am Elften im Elften mit einer Feier an der Eigelsteintorburg in die Session. Mit Einbruch der Dunkelheit geht es mit einem Fackelzug und klingendem Spiel ins eigene Veedel nach Nippes. In dem Stadtteil lebte viele Jahre der Sänger und Komponist Toni Steingass. Im Toni-Steingass-Park, der zwischen Niehler Kirchweg, Gürtelstraße und Niehler Straße liegt, erinnert ein Gedenkstein mit Relief an den Künstler.
Zu den bekanntesten Liedern von Toni Steingass zählen „Der schönste Platz ist immer an der Theke“ und „De Haupsach es, et Hätz es jot“. Weil der Künstler in seinen Liedern auf zotenfreie Texte achtete, hatte er den Beinamen „dä Pastur vun Neppes“. Sein Grab befindet sich auf Melaten.
Ludwig Sebus
Die karnevalistische Spurensuche in Köln ist anhand der genannten Orte längst nicht erschöpfend darstellt. In Ossendorf zum Beispiel steht vor der Dreifaltigkeitskirche an der Rochuskirche der „Schnüsse-Tring-Brunnen“. Er ist dem selbstbewussten Ossendorfer Dienstmädchen „Schnüsse-Tring“ gewidmet, dessen Andenken die gleichnamige Karnevalsgesellschaft pflegt. Von der Existenz der couragierten jungen Frau berichtet der Texter und Komponist Joseph Roesberg 1862 im „Schnüsse-Tring-Lied“.
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In der Altstadt liegt im Schatten von Groß St. Martin das Rote-Funken-Plätzchen. Funken, die kurzzeitig den Funkeneid nicht präsent haben, können ihn auf dem Wandrelief an der Mauer nachlesen. Ludwig Sebus, ein langjähriger Roter Funk, soll schon bald ein Denkmal in der Stadt bekommen. Die „Große Kölner KG“ möchte den Sänger mit einem Brunnen ehren. Der soll in Anlehnung an dessen Hit „Et Rheinpanorama“ mit der Zeile „Luur ens vun Düx noh Kölle“ in Deutz stehen.