Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ war bei der internen Abschlussbesprechung im Polizeipräsidium dabei.
Sessionsauftakt in KölnSo bereitet sich die Polizei auf den Einsatz am 11.11. vor
Im Lagezentrum im Polizeipräsidium sind alle Plätze belegt, wer keinen freien Stuhl mehr bekommen hat, lehnt an der Wand. Es ist Donnerstag, 10 Uhr, in dem großen Raum am Ende des Flurs beginnt die abschließende Einsatzbesprechung für den Sessionsauftakt am Samstag. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ darf zuschauen. Einsatzleiter Frank Wißbaum hat seinen Führungsstab zusammengerufen, insgesamt fast 50 Personen – oder wie sich die Runde nennt: „BAO Alaaf 2023“.
Die Abkürzung steht für „Besondere Aufbauorganisation“. Eine solche wird immer dann eingerichtet, wenn eine größere Lage zu bewältigen ist, die über den polizeilichen Alltag hinausgeht. Zweifellos trifft das auf den 11.11. in Köln zu.
Köln: Polizei setzt am 11.11. ungefähr 1000 Einsatzkräfte ein
Ungefähr 1000 Polizistinnen und Polizisten werden am Samstag in der Stadt im Einsatz sein, die allermeisten im Zülpicher Viertel. In diesem Jahr setzt die Polizei einen besonderen Schwerpunkt auf den Schutz der Synagoge an der Roonstraße, sie liegt im Epizentrum der Feier.
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„Wir werden ein besonderes Augenmerk auf die Synagoge haben“, betont die stellvertretende Polizeipräsidentin Miriam Brauns mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten gleich zu Beginn der Einsatzbesprechung. „Unser Tenor ist: Die Polizei zeigt Haltung. Das ist mir wichtig.“ Zwei Gottesdienste finden am Samstag in der Synagoge statt. Sie wird mit Gittern abgesperrt sein, Polizisten wachen auf beiden Seiten des Zauns. „Wir sind am Samstag nicht nur für die Feiernden da, sondern auch für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger“, sagt Brauns.
In einer Pressemitteilung dreieinhalb Stunden später wird sie zitiert mit dem Appell: „Ich warne jeden vor, der den 11.11. für antisemitische Hetze, Provokationen, Straftaten oder Gewalt missbrauchen möchte.“ Einsatzleiter Wißbaum ergänzt: „Bei der Kostümwahl kann man sich über Geschmack streiten, aber bei Verkleidungen, beispielsweise als Terrorist mit echt aussehenden Waffen, hört der Spaß auf. Das werden wir im Einsatz schnell deutlich machen.“
Wegen der „Besonderheit der geopolitischen Lage“ sitzen bei der Einsatzbesprechung auch Ermittler der Abteilung Staatsschutz mit im Raum – ein Novum bei der Planung für einen Karnevalseinsatz. Die Experten können bei Personenkontrollen zum Beispiel auf Datenbanken zugreifen, auf die die „normale“ Polizei keinen Zugriff hat, etwa auf verfassungsschutzrelevante Informationen. Die Staatsschützer geben der Runde einen kurzen Überblick über die antisemitischen Vorkommnisse und Straftaten seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober.
Köln: Synagoge erhält am 11.11. besonderen Schutz durch die Polizei
3000 solcher Straftaten hat die Polizei seitdem deutschlandweit registriert, etwa 400 in NRW und knapp 100 in Köln – zumeist Sachbeschädigungen, Beleidigungen und volksverhetzende Äußerungen. Gewalttaten gab es in Köln bisher nicht. Die weiteren Erkenntnisse der Staatsschützer sind als Verschlusssache eingestuft, streng vertraulich. Während der Ausführungen muss der Reporter den Raum verlassen.
Ihre BAO hat die Polizei in acht so genannte Einsatzabschnitte aufgeteilt: Aufklärung (darunter fallen die Erkenntnisse des Staatsschutzes), Raumschutz für die Alt- und die Südstadt, Raumschutz für das Zülpicher Viertel, Verkehrsmaßnahmen, Öffentlichkeitsarbeit, Technik, Verpflegung der Einsatzkräfte und Strafverfolgung.
Dann spricht Andreas Sandvoß, der Leiter des Führungsstabs. Mehr als 50.000 Menschen hätten im Vorjahr im Zülpicher Viertel gefeiert, sagt er. Dieses Jahr werden es vermutlich mehr, weil der 11.11. auf einen Samstag fällt. Aber 150.000, wie der eine oder andere Teilnehmer des Runden Tischs Karneval befürchtet, erscheinen Sandvoß dann doch ein bisschen zu hoch gegriffen. Wie auch immer: „Wir müssen mit einer Vielzahl von alkoholisierten Menschen rechnen.“ Außerdem mit Taschendieben, Raubüberfällen, Sexualdelikten.
Köln: 146 von 3000 überprüften Security-Leuten sind polizeibekannt
Im Vorjahr und an Weiberfastnacht hatten die privaten Sicherheitsdienste, die den Einlass ins Kwartier Latäng kontrollieren, am Tag selbst spontan noch eine Vielzahl an Mitarbeitern nachgemeldet. So hatte die Polizei kaum oder keine Zeit mehr, sie der nötigen Sicherheitsprüfung zu unterziehen. Diesmal mussten die Firmen der Stadt die Personalien frühzeitig mitteilen – inklusive einer Reserve. Insgesamt 3000 Namen waren es, die die Polizei überprüft hat. „Das waren drei Wochen Arbeit, aber gut investierte Zeit“, sagt Sandvoß.
146 Personen waren polizeibekannt, ihre Personalien habe man der Stadt mitgeteilt, sagt Sandvoß. „Ob die trotzdem am 11.11. irgendwo eingesetzt werden, wissen wir nicht, das kann ich nicht ausschließen.“ Aber wenn, dann sollte das nicht in sicherheitsrelevanten Bereichen geschehen, wie Einsatzleiter Wißbaum später ergänzt – also zum Beispiel nicht an Absperrungen bei der Einlasskontrolle.
Nach etwas mehr als einer Stunde ist die Besprechung vorbei. Die Führungskräfte sind jetzt im Bilde, man ist allseits optimistisch – auch, weil die Wettervorhersage für Samstag mitspielt: kühl, grau, eher regnerisch. „Lausig“, wie Miriam Brauns es nennt. Früher hätte sie sich über so ein Wetter an Karneval geärgert, sagt sie. Jetzt hofft sie, dass Regen und Kälte dazu beitragen könnten, dass es auf der Zülpicher Straße am Ende „vielleicht nicht so aussieht wie sonst“ an einem 11.11. „Das wäre mir sehr willkommen.“