Holger Kirsch ist dreifacher Vater, Architekt, Ex-Prinz und nun auch noch Zugleiter beim Festkomitee Kölner Karneval.
Mit seinem ersten Vorschlag im neuen Amt, den Rosenmontagszug im Rechtsrheinischen enden zu lassen, hat der 45-Jährige für Aufsehen gesorgt.
Im Interview verrät Kirsch, was Beruf mit seinem Karnevals-Amt gemeinsam hat und wie er zur anhaltenden Diskussion über Pferde im Zoch steht.
Köln – Dass Holger Kirsch, Prinz Karneval von 2015, der neue Leiter des Kölner Rosenmontagszuges werden soll, war ja schon länger klar. Aber vergangenen Montag ist der 45-Jährige dann bei der Jahreshauptversammlung des Festkomitees von den Vertretern der rund 120 angeschlossenen Karnevalsgesellschaften auch offiziell zum Nachfolger von Alexander Dieper als Zugleiter gewählt worden. Ein weiteres Ehrenamt.
Herr Kirsch, sind Sie ein Vereinsmeier?
Ein Stück weit sicher schon. Im Karneval gehöre ich ja zum Festkomitee sowie zur Prinzen-Garde und zur Flittarder KG. Dazu bin ich noch Vizepräsident beim Fußballclub Viktoria Köln sowie Vorstand im Hilfsverein „Laachende Hätze“, den ich 2014 mit meinen Dreigestirns-Kollegen und Pfarrer Franz Meurer gegründet hatte. In allen Gruppierungen schätze ich das gesellschaftliche Zusammenleben und den Austausch untereinander. In dem Sinne ist Vereinsmeier nichts Negatives.
Beruflich sind Sie selbstständiger Architekt mit Büro in Rath-Heumar. Privat sind Sie verheiratet und haben drei Kinder. Da muss man schon gut organisiert sein, um das alles unter einen Hut zu kriegen.
Ja, das ist eine Herausforderung, aber meine Frau ist Tochter eines Unternehmers, die kennt die Anforderungen des Berufs. Die Viktoria mache ich, um runterzukommen. Und der Karneval ist keine Belastung, der macht Freude. Die ganze Familie lebt den Karneval. Alle drei Mädchen sind in der Kinder- und Jugendtanzgruppe der „Echte Fründe“ aktiv, die zur Flittarder KG gehört. Und meine Frau ist bei denen Betreuerin. Das ist alles eine Frage von Zeitmanagement.
Und jetzt noch Zugleiter – ist das zu manchen Zeiten nicht auch ein Vollzeit-Job?
Das ist richtig, aber mit meinem Beruf klappt das gut. In meinem Architekten-Büro habe ich 15 gute Mitarbeiter, und mit denen habe ich mein jeckes Engagement im Vorfeld diskutiert. Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse aus dem Dreigestirns-Jahr 2015 war: Wenn man Mitarbeitern Verantwortung überträgt, gehen sie auch verantwortungsvoll damit um. Alles ist klar organisiert. So weiß jeder, das ich mittwochs ab 12 Uhr nicht mehr ins Büro komme, sondern im Festkomitee sitze. Dann habe ich am Maarweg Sprechstunde. Dazu kommen noch zwei, drei weitere Termine pro Woche. Am liebsten mag ich den mit den Kritzelköpp. Das sind kreative Zeichner, Wagenbauer sowie mit Neuzugang Thomas Reis auch ein Kabarettist. Da entstehen die Ideen für den Zoch.
Das kommt dann ja irgendwie Ihrem Beruf nahe …
Stimmt. Der Rosenmontagszug durchlebt die gleichen Phasen wie ein Bauprojekt – von der Planung über die behördlichen Genehmigungen bis zum Richtfest. Der Unterschied ist nur: Der Zoch wird immer pünktlich fertig. Ein gutes Drittel des kommenden Zochs zum Motto »Et Hätz schleiht em Veedel« ist das auf dem Papier auch schon. Allerdings fahren die in unsern Köpfen schönsten Wagen nie. Da guckt man auf die Skizze und sagt: »Super. Aber geht nicht.« Denn auch ein Kind am Straßenrand muss das Thema verstehen können – ohne große Erklärungen. Und im Vergleich mit den Düsseldorfern wollen auch wir spitzfindig und pointiert sein, aber keinesfalls verletzend oder beleidigend.
Können Sie zu den Themen schon etwas verraten?
Konkret natürlich nicht. Lange Zeit haben wir die AfD ignoriert, um ihr keine Plattform zu bieten. Das geht nicht mehr. Die Bläck Fööss haben zu ihrem 50-jährigen Jubiläum meine Einladung angenommen und fahren mit. Auch die Blauen Funken, die ihren 150. Geburtstag feiern, werden im Zoch gewürdigt.
Apropos Traditionskorps. Die müssen ja immer als Beispiel herhalten, wenn es heißt, der Zoch sei zu lang.
Das ist richtig. Die Länge des Zuges ist mit die größte Herausforderung. Da brauchen wir dringend einen verbindlichen Teilnehmerschlüssel. Wir suchen gerade innerhalb des Festkomitees mit dem karnevalistischen Beirat nach einer Lösung. Es darf keine willkürliche Entscheidung sein, sondern sie muss verbindlich für alle sein. Das macht mir schon Druck. Ich kann kaum auf eine karnevalistische Veranstaltung gehen, ohne darauf angesprochen zu werden. Fürs kommende Jahr kriegen wir solch feste Regeln noch nicht hin, aber dann für 2021.
Die Traditionskorps haben den Zoch jahrelang getragen – gerade, als der noch nicht so gefragt war.
Das weiß ich. Bei vielen steht auch in der Satzung, dass die Teilnahme am Rosenmontagszug für die Mitglieder verpflichtend ist. Das muss man berücksichtigen. Zudem wünsche ich mir mehr Musik im Zoch. Nur eine Beschallung von den Tribünen oder über ein Lautsprechersystem ist auch für die Karnevalsgesellschaften nicht schön. Das elektronische Alarmierungssystem hat sich bewährt. Das soll so bleiben, aber bei der Musik möchte ich das gerne wieder etwas zurückfahren.
Was ist mit den vielen Kommentatoren auf den Tribünen?
Die helfen ja den Leuten, den Zoch zu verstehen. Aber die wollen wir künftig noch mehr an die Hand nehmen und mit Informationen versorgen. Wir haben für den Zoch ja stets ein Drehbuch.
Aber alles lässt sich nicht vorausplanen. Und so wären wir bei der leidigen Diskussion zu den Pferden im Zoch. Wie ist Ihre Position?
Pferde waren von jeher Begleiter des Menschen. Ich erfreue mich von Kind an an dem Bild eines stolzen Gardisten hoch zu Pferd. Das ist ein Bild, das ich liebe. Also klare Aussage: Ich befürworte Pferde im Zoch. Die Richtlinien zum Tierschutz und zur Qualifikation von Pferd und Reiter sind inzwischen so, wie sie sein sollen. Da darf man dann auch keinen Spielraum lassen. Da fahren wir eine Null-Toleranz-Strategie. Aber letztlich bin ich nicht der Entscheider. Als Karnevalisten sind wir durch die Ereignisse der letzten Jahre angezählt. Von unserer Seite aus wird das Sicherheitsrisiko auf ein Minimum heruntergeschraubt. In einem Zoch ohne Pferde ist beispielsweise die Ehrengarde doppelt gebeutelt. Das konnte man in diesem Jahr sehen, denn das Reiterkorps war zu Fuß unterwegs und auch auf viele Wagen und Kutschen musste man verzichten. Wir haben diesen Sommer mit dem TÜV und der Dekra einen Weg gefunden, dass diese Pferde-Kutschen zur Not auch von Traktoren gezogen werden können. Dafür muss man sie ein Stück umrüsten.
Ihr großes Vorhaben zum Start im neuen Amt war, den Zoch über den Rhein auf die Schäl Sick zu leiten.
Mit dieser Idee, bei der viele zunächst an einen Aprilscherz geglaubt hatten, weil ich die erste Anfrage bei der Stadt am 1. April gestellt habe, haben wir eine schöne Diskussion in der Stadt entfacht. Und ich weiß heute, dass der Weg über die Deutzer Brücke funktioniert. Wir haben mit allen zuständigen Ämtern und Behörden hervorragend zusammengearbeitet. Sogar mit der Wasserschutzpolizei. Ich habe die Genehmigung gehabt, den Rhein zu überqueren.
Der Zugweg ist kein statisches Konstrukt, seit 1823 immer mal wieder verändert worden. Halten Sie an der Rheinüberquerung fest?
Das kann ich jetzt noch nicht so genau sagen. Aber es ist schön zu wissen, dass es geht. Wir hätten ein Zeichen setzen können, denn die aktuelle Stadtentwicklung findet besonders auch im Rechtsrheinischen statt. Und Bilder, wie der Zoch vor dem Altstadt-Panorama und dem Dom den Rhein kreuzt, wären sicher um die Welt gegangen. 2020 machen wir das nicht, da bleibt der Weg wie 2019. Denn wir nehmen auch die Sorgen der KGs ernst, die fürchten, das alles sei so kurzfristig logistisch nicht hinzukriegen. Für die Zukunft möchte ich mir offenhalten, den Zugweg gegebenenfalls wegen eines Mottos zu verändern. Niemand hat ein Anrecht darauf, dass der Zoch für immer an seiner Haustür vorbeigeht. Und 2023 gibt es das große Jubiläum des organisierten Karnevals.
Wird der Zoch auch von den aktuellen Diskussion und Protesten zum Klimaschutz beeinträchtigt?
Ja klar. Mit Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz sollten wir uns schon auseinandersetzen. Aber ob das Kölsch aus dem Maisstärke-Becher jetzt das Nonplusultra ist, kann ich nicht beurteilen. Wir suchen gerade Fachleute, die uns da beratend weiterhelfen können. Aber alle Trecker werden nachgerüstet und erhalten einen Filter. Das geht auch bei den alten Schätzchen. Da wir an den Hochtagen des Karnevals ja bewusst raus aus den Sälen und in die Umwelt gehen, müssen wir verantwortungsvoll mit ihr umgehen. So gilt es, die Verpackungen zu reduzieren. Müssen Strüßjer in Plastiktütchen stecken? Setze ich beim Wurfmaterial eher auf Markenprodukte, die die Leute kennen und die nicht in der Gosse liegen bleiben oder auf fair gehandelte Kamelle? Wo ist da der Mehrwert? Das kann ich nicht entscheiden. Ich kann Häuser bauen.
Was bauen Sie?
Mein Schwerpunkt liegt derzeit bei Sozialimmobilien: Kindergärten, Pflegezentren und vor allem sozialer Wohnungsbau. Gute Architektur muss nicht teuer sein und wirkt sich positiv auf das Verhalten der Bewohner aus – das ist unstrittig. Bei den aktuellen Bodenpreisen ist das aber nicht einfach.
Könnte die Politik da nicht helfen?
Ich würde mir wünschen, dass die Stadt zusätzlich zur Landesförderung Geld bereitstellt, damit Grundstücke für sozialen Wohnungsbau deutlich vergünstigt auf den Markt gebracht werden können.
Was sagen Sie zur Stadtplanung?
Die darf sich nicht auf das Bewahren konzentrieren. Der Masterplan von Speer ist ein gutes Instrument. Der hat Schwachstellen der Stadt aufgezeigt, den sollte man umsetzen. Stadtplanung ist ein sich ständig verändernder Prozess: Jahrelang galt die autogerechte Stadt als das Ziel. Jetzt hat ein Umdenken eingesetzt. Mobilitätskonzepte werden immer wichtiger, die Menschen müssen schließlich in die Stadt hineinkommen. Inzwischen legt man auf den Straßen in der City breite Fahrradwege an. Aber die Vielzahl an rumstehenden E-Rollern verschandelt das Bild. Auch wenn ein gewisser Spaßfaktor nicht zu leugnen ist.