Das Kölner Dreigestirn berichtet im Interview über die Karnevals-Session und zieht eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit.
Interview Kölner Dreigestirn„Wir haben früher mehr aufeinander achtgegeben“
Seit fünf Wochen sind Prinz Boris I. (Boris Müller), Bauer Marco (Marco Schneefeld) und Jungfrau Agrippina (André Fahnenbruck) als Kölner Dreigestirn unterwegs. Bei einem Besuch in der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben wir mit ihnen über den Venedig-Trip, die Zülpicher Straße, das Erdbeben in der Türkei und Rosenmontag gesprochen.
Sie sind das erste Dreigestirn, dass in Venedig den Kölner Karneval repräsentieren wird an diesem Wochenende. Was erwarten Sie?
Prinz Boris: Wir freuen uns sehr darauf. Andere Dreigestirne waren bei der Bundeskanzlerin in Berlin oder beim Papst in Rom, wir sind die Ersten in Venedig, und das macht uns ein bisschen stolz. Wir hoffen, dass Bauer Marco, wenn er mit Hut auf der Gondel steht, nicht ins Wasser fällt. (lacht)
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Was steht auf dem Programm?
Prinz Boris: Nach der Anreise am Samstag besuchen wir eine Maskenmanufaktur und gucken uns ein bisschen in der Stadt um. Abends sind wir zu Gast bei einem der traditionsreichen Maskenbälle. Ein Höhepunkt des Programms wird am Sonntag der Besuch des „Engelsfluges“ („Volo dell’Angelo“) auf dem Markusplatz sein. Umrahmt von einem bunten Fest schwebt der „Angelo“ vom Markusturm zum Dogenpalast. Wir werden Teil der Zeremonie sein und eine offizielle Grußbotschaft des kölschen Fastelovends überbringen. Sonntagabend geht es dann zurück nach Köln.
Gehen Sie maskiert auf den Maskenball?
Prinz Boris: Das ist noch nicht ganz klar, wir gehen auf jeden Fall im Ornat. Wenn der Türsteher das vorgibt, werden wir auch eine Maske anziehen.
Bauer Marco: Ich mache mir zwei Löcher in den Hut und ziehe ihn was tiefer. (lacht)
Kann man dort etwas lernen?
Prinz Boris: Ich denke schon. Sie haben dort eine andere Kultur zu feiern. Wir lassen uns überraschen. Für innovative Ideen sind wir immer offen. Parallel findet ja ein Maskenball der Roten Funken im Gürzenich statt. In der Tradition des 19. Jahrhunderts sind bis 24 Uhr Masken Pflicht.
Bauer Marco: Ich bin sehr gespannt auf die Kostüme, da freue ich mich am meisten drauf. Ob es wirklich so opulent ist, wie man sich das klischeehaft so vorstellt.
Sie sind jetzt seit fünf Wochen proklamiert. Wie erleben Sie die Zeit?
Prinz Boris: Das Schöne, was wir erleben dürfen, sind diese kleinen Momente, wo man Menschen trifft, die nicht auf der Sonnenseite sind, kranke Menschen, kleine Seelen, denen es nicht so gut geht, etwa im Kinderkrankenhaus. Und als Kontrast die großen Bühnen, wo ohne Mundschutz, ohne Beschränkungen, wieder sorglos gefeiert werden kann. Bei beidem merkt man, wie sehr die Kölnerinnen und Kölner den Karneval vermisst haben.
Wie reagieren die Menschen nach zwei Jahren Corona-Pause?
Jungfrau Agrippina: Als wenn sich etwas angestaut hätte in den zwei Jahren, was jetzt endlich raus muss.
Muss sich der Karneval erst wieder warmlaufen?
Jungfrau Agrippina: Nein, ganz im Gegenteil. Das ist wie bei einer Mädchensitzung. Sitzung beginnt, Stimmung direkt auf dem Höhepunkt - auch in den gemischten Sälen.
Prinz Boris: Selbst, wenn nicht alle Säle voll sind. Wir waren ziemlich am Anfang mal im wirklich nur halb vollen Sartory, aber die Stimmung war, als wäre ausverkauft.
Sie haben das Kinderkrankenhaus erwähnt. Gibt es weitere Highlights? Oder Sachen, die ihnen nicht so gefallen haben?
Prinz Boris: Das ist schwer in zwei, drei Sätze zu fassen. Einfach, weil wir bei mehr als 450 Auftritten jeden Tag so viel erleben. Beim FC im Stadion war es große Klasse. Da haben wir Wolfgang Niedecken kennengelernt. Eines unserer Medleys fangen wir ja mit „Verdamp lang her“ von BAP an. War spannend, mit ihm darüber zu sprechen, wie er das findet.
Wie findet er es denn?
Bauer Marco: Es gibt ja diesen alten BAP-Song „Nit för kooche Lück, bliev ich Karneval he“. Da habe ich ihm die Prinzenspange mit angetackert, und er nur: „Jung, es 40 Johr her, ich han minge Fridde damit jemaat“. (lacht)
Prinz Boris: Seit wir im Stadion waren, hat der FC übrigens nicht mehr verloren. Wir sollten mal mit dem Festkomitee sprechen, vielleicht dürfen wir ja bis Mai weitermachen. Dann klappt das noch mit Europa.
Eine große Premiere steht Rosenmontag an, wenn der Zoch erstmals über die Deutzer Brücke vom Rechts- ins Linksrheinische geht. Haben Sie da Bammel vor?
Prinz Boris: Nein, an Angst verschwenden wir keine Gedanken, da ist pure Vorfreude. Es ist alles so organisiert, dass es funktionieren wird. Hoffen wir, dass es nicht regnet oder stürmt, alles andere ist egal. Wir erzählen überall, wir hätten in die Glaskugel geschaut und gesehen, dass es Sonne und elf Grad geben wird. Wenn’s dann nur zehn werden …
Jungfrau Agrippina: Wir kennen das ja noch, wie der Zug andersrum gegangen ist. Mit dem Ende auf der Severinstraße. Ich fand das immer schöner.
Bauer Marco: Das ist der Höhepunkt. Was da abgeht auf dieser langen, engen Geraden, Kölscher geht es nicht. Schon fast schade, dass wir das auf dem Wagen machen müssen. Früher zu Fuß, das war der Hammer.
Kommenden Donnerstag an Weiberfastnacht geht der Straßenkarneval los. Wie gucken Sie auf das Geschehen, etwa auf der Zülpicher?
Prinz Boris: Die sollen schon feiern, die jungen Leute. Wir waren auch mal Studenten und haben dort angefangen, Karneval zu feiern und zu erleben. Oder unser Kölsch am Alter Markt getrunken. Das Problem heute ist diese Maßlosigkeit. Die Exzesse mit Alkopops. Man muss doch nicht morgens um elf schon total betrunken sein. Ein gemütliches Kölsch gehört zum Fastelovend dazu, aber bitte in Maßen. Vielleicht haben wir früher mehr aufeinander achtgegeben.
Bauer Marco: Man kann an die Jungen appellieren, dass sie sich nicht kaputt lachen über den Kollegen, wenn er voll ist, sondern den dann auch mal nach Hause bringen. So kennen wir das eigentlich.
Jungfrau Agrippina: Von früher. (alle lachen)
Muss sich der Karneval da ändern?
Jungfrau Agrippina: Nein. Auf der Zülpicher wird der Karneval als Vorwand genommen, um sich zu betrinken. Karneval als solcher ist da irrelevant. Der Anlass wird benutzt zum Besäufnis.
Prinz Boris: Das hat sich verlagert. Früher war’s die Altstadt, jetzt hat sich das Epizentrum des Sauftourismus auf die Zülpicher verlagert. Wenn man da jetzt Maßnahmen ergreift, wird es sich wieder verlagern. Es ist attraktiv, nach Köln zum Feiern zu kommen. Das sieht man an den Junggesellenabschieden, die finden das ganze Jahr über hier statt. Das ist ein gesellschaftliches Problem, weniger eines des Karnevals.
Vor einem Jahr gab es an Rosenmontag eine große Friedensdemo. Den Krieg gibt es immer noch. Dann gab es jetzt dieses furchtbare Erdbeben in der Türkei und Syrien, was auch viele Menschen, die in Köln leben, direkt betrifft. Wie gehen Sie damit um?
Prinz Boris: Das Festkomitee wird gemeinsam mit der FC-Stiftung eine Solidaritätsaktion starten. Aus unserer Sicht ist es wichtig, Flagge zu zeigen. Ich hoffe, dass sich Situationen ergeben, auch mit den türkischen Mitbürgern in Kontakt zu kommen, um ihnen Hoffnung und Mut zu machen. So wie wir das in Hospizen, Seniorenheimen oder Krankenhäusern auch Tag für Tag tun. Was wir gelernt haben, ist, dass der Karneval eine immense Kraft besonders bei Menschen hat, denen es gerade nicht so gut geht.
Was sagt ihre Fitness und was ist das Erste, was Sie nach Aschermittwoch machen?
Prinz Boris: Einen 14-Stunden-Tag merkt jeder, egal, ob im Büro oder im Karneval. Wir sind ja auch keine 20 mehr. Rosenmontag ist am Horizont, wir sind top motiviert und geben bis dahin alles. Auch um 0.30 Uhr noch. Nehmen Sie Jungfrau Agrippina. Ich möchte nicht wissen, wie viele tausend Pirouetten sie schon gedreht hat. Was ich nach Aschermittwoch mache? Ausschlafen.
Jungfrau Agrippina: Urlaub.
Bauer Marco: Ausschlafen und Urlaub.