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Bedrohung durch „hybride Konflikte“Wie sich Köln für den Katastrophenfall rüstet

Lesezeit 7 Minuten

Sirene in Köln-Rodenkirchen.

Köln – Das neue Zivilschutzkonzept der Bundesregierung hat hohe Wellen geschlagen. Die größte Bedrohung gehe von „hybriden Konflikten“ aus, heißt es dort.

Terroristen oder Staaten könnten mit Cyber-Angriffen versuchen, die Strom- oder Wasserversorgung lahmzulegen. Bürgern wird nun geraten, sich Vorräte für zehn Tage anzulegen. Was für die einen reine Panikmache ist, hält Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen für eine sinnvolle Diskussion. „Unsere Infrastruktur hängt massiv von einer digitalen Steuerung ab. Es ist wichtig, dass wir uns dessen bewusst werden.“

Doch wie ist die Stadt für Katastrophen aller Art gerüstet? Zumindest bei langanhaltenden Versorgungs-Engpässen größerer Teile der Bevölkerung gäbe es wohl arge Probleme. Viel von der Infrastruktur, die der Bund einst im Kalten Krieg aufgebaut hat, ist längst wieder abgeschafft worden.

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Anlaufstellen: Massenunterkünfte in Schulen

Im Kalten Krieg gab es in Köln einige Atomschutz-Anlagen, etwa in den U-Bahn-Stationen Rudolfplatz und Kalk Post, wo mehrere tausend Menschen 14 Tage lang überleben sollten. Mittlerweile sind alle Anlagen außer Betrieb, der Kalte Krieg ist vorbei.

Mit militärischen Angriffen rechnen die Verantwortlichen zwar nicht mehr. Wenn der Strom ausfällt, kann eine Massenunterkunft aber immer noch sinnvoll sein. Die Feuerwehr sucht deshalb 20 Schulen im Stadtgebiet aus, in denen insgesamt 10000 Menschen schlafen und verpflegt werden können. Etwa zehn Schulen seien bereits ausgewählt worden, so Jürgen Opladen von der Feuerwehr – das Schulzentrum Weiden etwa und die Gesamtschule Chorweiler.

Ein Betten-Lager in Köln-Bilderstöckchen.

Die Organisation würden Hilfsorganisationen übernehmen. Im Notfall könnten 8000 Feldbetten verteilt werden, von denen 3000 im ehemaligen Katastrophenschutz-Zentrum in Bilderstöckchen lagern.

Sirenen: Erst abgebaut, dann wieder angesagt

Sirene in Köln-Rodenkirchen.

Die sirenenfreie Zeit dauerte nur wenige Jahre. Als Anfang der 1990er Jahre der Kalte Krieg für beendet erklärt wurde, war es in Köln erst mal vorbei mit den heulenden Warnanlagen. Doch ihr Comeback ließ nicht lange auf sich warten.

Mittlerweile gibt es in Köln wieder 81 Sirenen auf Schuldächern, Bezirksrathäusern oder Feuerwachen. Bis Ende 2017 lässt die Stadt weitere 54 errichten – für 1,2 Millionen Euro.

Bis 1992 gab es im Stadtgebiet rund 200 Sirenen, die die freiwillige Feuerwehr alarmierten, wenn es brannte. Sie sollten aber auch die Bevölkerung bei größeren Katastrophen oder gar bei einem Atomangriff warnen. Neben der Kölner Feuerwehr konnte auch der Bund als Betreiber der Anlagen Alarm auslösen. Als dann die alten Feindbilder des Kalten Kriegs wegfielen, bot der Bund der Stadt Köln an, die Sirenen zu übernehmen.

Auf Rhein und Schienen werden gefährliche Chemikalien transportiert

Doch die Stadt lehnte ab, denn die Technik galt als veraltet. „Jede einzelne Sirene hatte eine Telefonnummer, die man anrufen musste, dann haben sie losgeheult“, so Jürgen Opladen von der Feuerwehr. Der Bund baute die Sirenen größtenteils ab, Feuerwehrleute wurden fortan nur noch über Pieper alarmiert, die Bevölkerung über Lautsprecher auf Einsatzfahrzeugen.

1995 folgte das Umdenken: Der Stadtrat beschloss den Neuaufbau des Sirenennetzes. Warum? „Weil wir nach Hamburg mit Abstand das größte Gefährdungspotenzial auf dem Stadtgebiet haben“, sagt Opladen. Sowohl auf dem Rhein als auch auf den Schienen werden gefährliche Chemikalien transportiert, dazu kommen die großen Chemieanlagen an der Peripherie.

Der große Vorteil der Sirenen: Sie können direkt von der Feuerwehr ausgelöst werden, während ein Lautsprecherfahrzeug erst zum Einsatzort fahren muss. „Die Sirene ist das schnellste Warnmittel“, so Opladens Stellvertreter Guido Rahm. Die meistgenutzten Sirenen Kölns sind die in der Nähe der Godorfer und Wesselinger Chemie-Unternehmen. Hier kommt es immer wieder zu Störfällen.

Warnungen per App

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat eine kostenlose App namens Nina entwickelt, die unter anderem Warnungen zu aktuellen Gefahrenlagen wie Großbränden verschickt. Meldungen können auch für den aktuellen Standort des Nutzers empfangen werden. Die Stadt Köln wird das Angebot in Kürze verstärkt bewerben.

Ernährung und Kraftstoffe: Tanklager für den Notfall

Die Hamburger Tanklagergesellschaft Petrotank bestätigt auf Anfrage, unter anderem in Köln Vorräte an Diesel und Heizöl vorzuhalten, die im Ernstfall von Behörden oder zum Betrieb von Krankenhaus-Notstromaggregaten verwendet werden dürfen. Zum Standort der Kölner Tanklager sowie zu Mengen wollte Petrotank sich nicht äußern.

Lebensmittelreserven gibt es dagegen laut Feuerwehr in Köln nicht. Der Getreidespeicher im Rheinauhafen, der als nationale Notfallreserve diente, wurde bereits nach dem Ende des Kalten Kriegs 1990 abgeschafft.

Batteriebetriebene Radios und Kerzen

„Viele Dinge müssten kurzfristig beschafft werden“, sagt Jürgen Opladen, bei der Kölner Berufsfeuerwehr für den Bevölkerungsschutz zuständig. Infrastruktur aus dem Kalten Krieg sei nur dann erhalten geblieben, wenn sie im Unterhalt nichts mehr gekostet habe. Im Ernstfall würden Nahrungsmittel, aber auch Benzin rationiert, die Bevölkerung würde mit Lebensmittel- oder Benzinkarten ausgestattet. Allerdings gebe es zur Verteilung solcher Karten kein Konzept.

Die neue Zivilschutzplanung könnte hier zum Nacharbeiten zwingen: „Wir gehen davon aus, dass noch Aufgaben auf uns zukommen“, so Opladen.Fraglich ist auch, wie lange die Lebensmittel in Köln reichen würden. „Wir haben zwar viel mehr Supermärkte als vor 20, 30 Jahren“, sagt der Experte: „Aber ihre Vorratshaltung ist nun auf wesentlich kürzere Zeiträume ausgelegt.“

Nach der neuen Zivilschutz-Strategie des Bundes sollen Bürger Lebensmittel und Trinkwasser für zehn Tage vorhalten. Opladen hält auch batteriebetriebene Radios und Kerzen für angebracht. So etwas sei aber immer sinnvoll – nicht nur bei ganz großen Katastrophen.

IT-Sicherheit: Digitaler Krieg

Was Cyber-Attacken angeht, sei die Stadt gut aufgestellt, versichert Stadtdirektor Guido Kahlen. Ende 2015 ließ die Stadt etwa die Sicherheit ihrer IT-Systeme mit einem simulierten Hackerangriff prüfen. Auch die städtischen Krankenhäuser wurden getestet. Das Ergebnis: „Wir haben keine offenen Flanken gehabt“, so Kahlen. Kleinere Schwachstellen mit eher geringem Risiko sind laut Verwaltung beseitigt worden.

Sehr gut aufgestellt sei auch das Risiko-Management der Rheinenergie, so Kahlen. Seit 2015 existiert eine Projektgruppe für einen besseren Schutz vor Angriffen über das Internet. Neben der Stadt gehören die städtischen Kliniken, die Rheinenergie, Netcologne, die Unikliniken, der Flughafen Köln/Bonn, die Bayer-Werke und das Landeskriminalamt NRW zu den Mitgliedern der Projektgruppe „Cybercrime und Cyberwar“.

Organisation: Krisenstab mit Stadt, Feuerwehr und Polizei tagt

Im Katastrophenfall würde der Krisenstab in der Feuerwehr-Zentrale an der Scheibenstraße zusammentreten. Er besteht unter anderem aus dem Stadtdirektor, den Versorgungsbetrieben, der Feuerwehr und der Polizei. Die Mitglieder organisieren die Versorgung der Bürger, kümmern sich aber auch um die Verkehrsregelung. Zuletzt tagte der Krisenstab beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009. Die Mitglieder üben immer wieder Krisenlagen, zuletzt etwa ein stadtweiter Stromausfall oder ein Attentat auf die U-Bahn-Station Neumarkt.

Der Krisenfall geübt wurde jahrelang auch im Katastrophenschutz-Zentrum an der Robert-Perthel-Straße. Feuerwehr, THW und andere Rettungsorganisationen arbeiteten hier eng zusammen, der Bundesverband für den Selbstschutz informierte Privatleute und Unternehmen, wie sie längeren Versorgungs-Engpässen vorbeugen können. Ab den 1990er Jahren wurde das vom Bund finanzierte Zentrum nach und nach aufgelöst.

Trinkwasser: Brunnen-Relikte aus dem Kalten Krieg

Zugang zu einem Notbrunnen

Niemand nimmt sie wahr, aber im Ernstfall wären sie zentrale Orte des Überlebens: In der Stadt gibt es 174 Grundwasser-Notbrunnen, an denen sich bei einem Ausfall der regulären Wasserversorgung lange Schlangen bilden würden. Es sind die letzten Relikte des Kalten Kriegs, die schnell aktiviert werden können. „Die Brunnen waren nur für den Verteidigungsfall vorgesehen, weil man dann von großflächigeren Zerstörungen ausging“, so Jürgen Opladen von der Feuerwehr.

Bei zivilen Katastrophen wie Erdbeben oder besonders verheerenden Wasserrohrbrüchen würde der Energieversorger Rheinenergie mit Wasser-Tankwagen ausrücken. Aber auch die Notbrunnen sind noch betriebsbereit. Gepumpt würde mechanisch oder mit Hilfe von Notstromaggregaten. Das Wasser der Brunnen entspricht allerdings nicht der strengen Trinkwasserverordnung. Deshalb würde es im Notfall mit Chlortabletten versetzt.

Medizin: Jodtabletten auf Lager

Jodtabletten

Medizinisch sei man für Großschadensereignisse ausgestattet, so Bernd Geßmann, bei der Berufsfeuerwehr Sachgebietsleiter für den Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement. Auch in den städtischen Krankenhäusern und an der Uniklinik gibt es Vorräte an Medikamenten, Rettungsdecken oder chirurgischem Material, die auf Anordnung des Landes für zivile Katastrophen aller Art angelegt wurden. Die medizinischen Vorräte, die der Bund im Kalten Krieg für militärische Krisen angelegt hat, existieren hingegen schon lange nicht mehr. „In den letzten 25 Jahren hatten wir keine Sanitätsmittellager mehr“, sagt Bevölkerungsschutz-Experte Jürgen Opladen von der Feuerwehr.Aktuell erwartet die Feuerwehr vom Land 700 000 Jodtabletten, die im Falle eines Atomreaktor-Unfalls an unter 18-Jährige und Schwangere verteilt werden sollen. Vor allem belgische Reaktoren gelten als störanfällig, .