„Schulen im Blindflug”Kölner Gesundheitsamt gibt Kontaktnachverfolgung auf
Köln – Die Infektionszahlen an den Kölner Schulen steigen massiv an. Allein an der Katharina-Henoth-Gesamtschule gab es in den letzten Tagen über 100 positiv getestete Schüler. Daher hat die Schule jetzt mit Genehmigung der Bezirksregierung auf eine Art Notbetrieb mit verkürztem Schultag umgestellt, da parallel dazu auch elf Lehrkräfte erkrankt sind. „Wir sind jetzt auf dem Weg der Durchseuchung“, sagt Schulleiter Martin Süsterhenn.
Kölner Gesundheitsamt stellt die Kontaktnachverfolgung ein
In diese sich zuspitzende Situation hinein hat das Gesundheitsamt die Kontaktverfolgung an den Schulen komplett eingestellt. Bislang wurde von den Schulen sehr aufwändig nachgehalten, wer mit wem etwa im Sport Gruppenübungen ohne Maske durchgeführt hatte, wer FFP2-Maske und wer OP-Maske getragen hat oder ob wirklich regelmäßig gelüftet wurde. Auf dieser Grundlage wurden dann von den Schulen die Kontaktpersonen an das Gesundheitsamt gemeldet. Dies fällt nun komplett weg. Zur Begründung erklärte die Stadt, dass enge Kontaktpersonen auch an den Schulen laut der aktuellen Verordnung des Landes nicht mehr unter die Quarantänepflicht fallen.
Außerdem nähmen die Übermittlung durch das Labor plus der anschließenden Kontaktermittlung aktuell inzwischen mehr als fünf Tage in Anspruch. Damit sei das Prozedere nicht mehr zielführend, da sich Schülerinnen und Schüler ja nach fünf Tagen freitesten können. Man setze jetzt auch an den Schulen auf die Eigenverantwortung. Also auch darauf, dass die betroffenen Schüler ihre Kontakte selbst informieren.
Große Verunsicherung bei den Eltern
Unter den Eltern sorgt das für massive Verunsicherung und Sorgen. „Ohne Kontaktnachverfolgung agieren wir im völligen Blindflug“, sagte die Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft Nathalie Binz. „Plötzlich sagt man den Eltern, findet doch selber raus, ob euer Kind neben einem infizierten Kind gesessen hat.“ Wer das wissen will, müsse jetzt zuhause täglich nachfragen. Hinzu kommt, dass diese Veränderung des Verfahrens – also die erhöhte Eigenverantwortung – den Eltern nur an wenigen Schulen explizit mitgeteilt wurde.
„Man hätte doch zumindest auch die Eltern aufklären müssen, dass sie jetzt eigenständig alle Kontaktpersonen informieren, wenn ihr Kind positiv getestet wurde, damit das Kind sich isoliert und erst mal testet“, sagt eine Mutter. Einige Schulen haben bereits beschlossen, quasi freiwillig in Eigenregie die Kontaktverfolgung weiter zu betreiben.
Diskussion um Fortsetzung der Lolli-Tests
Parallel dazu haben die Eltern die Sorge, dass auch beim Testen bald Abstriche gemacht werden. Die Lolli-Tests für die Grund- und Förderschulen stehen angesichts immer knapper werdender PCR-Test-Kapazitäten zur Disposition. Gestern hatte Schulministerin Yvonne Gebauer angekündigt, dass das Verfahren wegen der steigenden Zahlen und der Priorisierung der PCR-Tests auf das Gesundheitswesen „kurzfristig angepasst“ werden müsse. Zunächst wurde das Verfahren mit den Rückstellproben, das sicherstellen sollte, dass die negativen Kinder bei einem positiven Pool wieder in die Schule kommen können, wurde ausgesetzt. Die Teilnahme von Schülern, deren Pool-Test positiv ausfällt, soll nun durch Antigen-Selbsttests abgesichert werden.
Das könnte Sie auch interessieren:
Binz kritisierte die Änderungen. Die Ministerin habe zugesagt, dass die Schulen sichere Orte bleiben, erinnert die Stadtschulpflegschaftsvorsitzende „Daher müssen Kinder bei den PCR-Tests neben dem Gesundheitspersonal und vulnerablen Gruppen auch priorisiert werden.“ Angesichts der Tatsache, dass es für die Fünf- bis Elfjährigen immer noch keine Stiko-Empfehlung zur Impfung gibt, kann man die nicht genauso behandeln wie Erwachsene oder Jugendliche, die sich seit einem halben Jahr impfen lassen können“, ergänzte sie. Die Stadt, die auf eigene Kosten an weiterführenden Schulen eine Lolli-Testung pro Woche anbietet, erklärte, sie wolle daran trotz der aktuellen Knappheit der Kapazitäten bis Ostern festhalten.
„Optimale Möglichkeiten gibt es nicht"
Professor Jörg Dötsch, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Uniklinik Köln, versteht die große Sorge der Eltern und sieht die zusätzliche Belastung durch die Verantwortung der Kontaktverfolgung. „Es ist eine Entscheidung, die man sich nicht ausgesucht hat. Die aus einem Mangel heraus getroffen wurde. Sie ist nicht optimal. Aber optimale Möglichkeiten gibt es eben im Moment nicht.“ Trotzdem könne man nicht einfach auf Durchseuchung setzen und müsse schauen, die Geschwindigkeit von Omikron zu bremsen.
Dazu könnten die Eltern einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie sich gegenseitig in Kenntnis setzen. Bezüglich der gerade angesichts der vielen Infektionen in Schulen größer werdenden Ängste, betonte er, dass das Risiko für schwere Verläufe extrem gering sei. Er regte Eltern von Fünf- bis Elfjährigen jedoch an, „sich verstärkt zu überlegen, ob sie sich in dieser Situation zu einer Impfung entschließen, da die Stiko diese Möglichkeit ja vorsieht."