Während in Deutschland jedes Jahr Kioske verschwinden, bleibt die Zahl der Büdchen in Köln konstant. Wie die Stadt dem Kiosksterben trotzt.
Kiosk-TourWarum Köln die Kioskhauptstadt Deutschlands ist
Am Samstagabend ist in Köln viel los, und während sich die Restaurants allmählich leeren, füllen sich Bars und Büdchen – so auch das La Ola auf der Mozartstraße. An der Theke des Kult-Kiosks stehen Studierende, trinken Kölsch und Flaschenbier.
So auch Jonas Buns und Jonas Waldecker: Die zugezogenen Studenten haben sich in die einzigartige Büdchen-Kultur verliebt. „Für mich sind sie die Dinge, die sich nicht verändern – eine Konstante, die ich nicht mehr missen möchte“, sagt der 25-jährige Jonas Buns. Für Jonas Waldecker sind Kioske vor allem eins: Heimat. „Kennen die Besitzer ihre Kunden und deren Wünsche, ist das ultimative Heimatgefühl für mich geschaffen“, sagt er.
Kioske stiften Identität in ihren Veedeln
Rund 22.000 Kioske gibt es laut Handelsverband Deutschland (HDE) bundesweit. Die meisten davon befinden sich in Berlin, im Ruhrgebiet und im Rheinland. Mit etwa 780 Büdchen in 86 Veedeln ist Köln unumstrittene Kioskhauptstadt Deutschlands, wie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Köln Business bestätigt.
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Warum es so viele Kioske in Köln gibt, damit hat sich Marco Hemmerling beschäftigt, Architekturprofessor an der TH Köln. In seinem Buch „Kiosk Parcours“ schaut er auf die soziale Komponente der Büdchen. Hier kommen Studenten, Manager und Rentner zusammen – das Büdchen als Ort, der ein Gefühl von Zusammengehörigkeit vermittelt.
„An dieser Schnittstelle unterschiedlicher Milieus ist jeder willkommen und kann Teil der Gemeinschaft werden, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Einkommen“, sagt Hemmerling. Diese Diversität mache die Stadt Köln aus. „Kölnerinnen und Kölner sehen sich als tolerant, weltoffen und kommunikativ. Eigenschaften, mit denen wir auch Kioske identifizieren.“
Besonders prägend für die Identität des Kiosks ist laut Marco Hemmerling die Person hinter der Theke. Tagein, tagaus hört sie sich die Alltagsgeschichten ihrer Stammkundschaft an. „Kioskbesitzerinnen und Besitzer sowie Nachbarinnen und Nachbarn helfen sich, nehmen Pakete an und bewahren Schlüssel auf“, sagt Hemmerling. So wird der Kiosk zum Ort des Vertrauens in der anonymen Stadt.
Vom Wasserhäuschen zum Begegnungsort
Im 19. Jahrhundert waren Kioske an Rhein und Ruhr vor allem dafür da, die Arbeiter der Schwerindustrie und in Zechen mit Trinkwasser zu versorgen. Alkohol gab es damals im Gegensatz zu heute übrigens nicht: „Erst nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich durch, dass auch Zigaretten und Bier in Flaschen verkauft wurden“, sagt Gabriele Dafft, wissenschaftliche Referentin am LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn.
Mit dem Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg kam auch der „Kiosk Boom“: Die Menschen hatten wieder Geld für Konsum, zudem durften die Büdchen dank des neuen Ladenschlussgesetzes Ende der 1950er Jahre samstags länger geöffnet bleiben.
Inzwischen müssen sich Kioske zunehmender Konkurrenz erwehren. Supermärkte sind bis spätabends geöffnet, Tankstellen haben klassische Kioskprodukte im Angebot und Lieferdienste sorgen für zusätzliche Dynamik im Markt. „In den 1990er Jahren haben wir daher erstmals vom ‚Kiosksterben‘ gesprochen“, sagt Kulturanthropologin Dafft. Angaben des HDE bestätigen den Trend: So verschwanden in den vergangenen zehn Jahren schätzungsweise 2500 Büdchen in Deutschland.
Zunehmende Konkurrenz bedroht Kioske – nur nicht in Köln
In Köln ist die Anzahl an Kiosken in den vergangenen Jahrzehnten hingegen stabil geblieben, sagt Hemmerling: Bei seiner Recherche hat er die Einträge des Handelsregisters der Stadt analysiert und stellt Köln ein gutes Zeugnis aus.
Auch die Industrie- und Handelskammer sieht kein Kiosksterben in Köln. Warum es gerade die Kölner Büdchen geschafft haben, lässt sich womöglich so erklären: „Heute bieten sie neben Filterkaffee und Zeitungen häufig ein hippes Angebot an italienischen Kaffeespezialitäten und WLAN in einem Design-Ambiente für ihre Kundinnen und Kunden an“, sagt Kioskspezialist Hemmerling. Das sei ein klares Indiz für die Anpassungsfähigkeit der Büdchen an sich verändernde Anforderungen.
Der eigene Veedel-Kiosk sei über die Jahre zu einer vertrauten Konstante geworden – ein Erinnerungsort, der für Beständigkeit steht, sagt auch Gabriele Dafft. Das gebe der Kölner nichts so schnell auf. Nicht ohne Grund haben die Kölner ihrem Kiosk einen eigenen Namen gegeben. „Was den Menschen im Rheinland lieb und wichtig ist, bezeichnen sie gerne mit der Verkleinerungsform – so wie das Büdchen eben.“
In den kommenden Wochen stellen wir Kioske aus den verschiedenen Veedeln vor. Diese Serie ist in Zusammenarbeit mit der Kölner Journalistenschule entstanden.