Köln früher und heuteAls das Dünnwalder Waldbad vor 100 Jahren verschlammte
- Das Dünnwalder Waldbad gehört – wenn nicht gerade eine Pandemie ausbricht – zu den beliebtesten Sommer-Attraktionen im Rechtsrheinischen.
- Das ist schon lange so. Das Freibad allerdings sah Anfang des letzten Jahres noch völlig anders aus – und nahm eine erstaunliche Entwicklung.
- Wir blicken zurück.
Köln – Mitte der 1920-er Jahre mussten die Helfer noch einmal von vorn anfangen. Das „Strandbad Loreley“, Ursprung des heutigen Dünnwalder Waldbads, war verschlammt. Der Mutzbach, der das nur mit Reisigbündeln ausgekleidete Becken speiste, hatte so viel Schlamm, Sand und Holz angespült, dass das kleine Freibad schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu benutzen war. Also trommelte das „Freie Ortskartell“ (FOK), ein Netzwerk der Dünnwalder Arbeiterbewegung, erneut zum freiwilligen Dienst. Diesmal entstand ein Becken aus Beton. Auch der spätere Kölner Oberbürgermeister Theo Burauen und Heinz Kühn, von 1966 bis 1978 NRW-Ministerpräsident, packten mit an. Pfingsten 1928 war das Projekt vollendet.
Das Dünnwalder Waldbad gehört – wenn nicht gerade eine Pandemie ausbricht – noch immer zu den beliebtesten Sommer-Attraktionen im Rechtsrheinischen. Das weitläufige Gelände mitten im Dünnwalder Wald bietet Entspannung fernab der Großstadt-Hektik. Es ist das einzige öffentliche Freibad in privater Hand, nach wie vor führt das Freie Ortskartell die Geschicke. Das Geld ist immer knapp, im Moment besonders. Denn nicht nur der Badebetrieb ist bis auf weiteres ausgesetzt, auch die Konzerte auf dem Gelände, die erheblich zur Finanzierung beitragen, fallen aus. Campingplatz, Restaurant und Minigolf-Anlage sind ebenfalls verwaist. Der Förderverein bittet um Spenden.
Kölner Freibad „Sozialismus in Reinkultur“?
„Das Geschaffene war praktizierter Sozialismus in Reinkultur“, heißt es in einer anonymen Quelle, nachdem das zweite Becken im Jahr 1928 fertig war. Es waren unter anderem die SPD Dünnwald, der Freie Gewerkschaftsbund Dünnwald, die Arbeiterwohlfahrt und Vereine der Arbeiterbewegung wie der „Volkschor Loreley“, die sich Anfang der 1920-er Jahre zum FOK zusammenschlossen. Anlass war eigentlich die Gründung einer freien, also nicht-konfessionellen Schule in Dünnwald, die sich vor allem an Kinder sozialdemokratischer Familien richten sollte.
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Denn die hatten es in den katholischen Schulen des Dorfes nicht leicht. Doch das FOK sollte sich auch um Sport- und Kulturstätten kümmern, „um auf diese Weise dem arbeitenden und erholungsbedürftigen Menschen Bequemlichkeit zu ermöglichen“, wie es damals hieß. Weil Rücksprachen mit Unternehmen und der Stadt Köln zu keinem Ergebnis führten, entschloss sich das FOK, das Strandbad in eigener Regie zu bauen. „Ein ideales Gelände war die Südostecke der Hardt, am Mutzbach-Königsforst, Sumpf mit Erlenbestand“, schrieb Chronist Stephan Fuchs: „Die Eröffnung war ein schönes Fest. Weil sich der Volkschor hervorragend eingesetzt hatte, wurde das Bad »Strandbad Loreley« genannt.“ Wegen der akuten Verschmutzungen allerdings bald auch „Schlammbad Loreley“.
Zwei Milieus, eine Schule
Nach den Recherchen von Marc Jan Eumann, SPD-Politiker, Historiker und Vorsitzender des Fördervereins des Dünnwalder Waldbads, wurde das Strandbad-Gelände damals auch von den freien Schulen für sportliche Aktivitäten und Naturkunde-Unterricht genutzt. Ab 1919 habe die Weimarer Reichsverfassung erstmals konfessionsfreie Schulen zugelassen, in Köln wurden fünf freie Schulen zugelassen.
Eine davon entstand, trotz großer Widerstände, im kleinen Dünnwald, wo sich das katholisch-bürgerliche und das sozialdemokratische Milieu schon seit längerem besonders ausgeprägt gegenüberstanden. Mit der neuen Schule sei Dünnwald „ein Stück Avantgarde“ gelungen, so Eumann. Aber auch die Konflikte verschärften sich.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wiedereröffnet
Das Dünnwalder Strandbad war im Ort auch als „Rotes Bad“ bekannt. Laut einer anonymen Quelle soll es beim Bau des ersten Beckens zu „Hindernissen, Widrigkeiten und Sabotagen“ gekommen sein. Einen Beweis für mutwillige Zerstörungen gebe es zwar nicht, schreibt Marc Jan Eumann in seinem Buch „So entscheiden wir uns selbst“. Aber solche Spekulationen seien Hinweise auf eine sich verschärfende politische Auseinandersetzung gewesen: „Es existierten in Dünnwald eben auch politische Kräfte, die dem FOK keinen Erfolg gönnten.“ Ein Klima des Misstrauens und der Kontroverse habe geherrscht. Konflikte entsponnen sich zwischen katholischer Zentrumspartei und SPD, zwischen SPD und KPD und schließlich zwischen allen Parteien und der NSDAP.
1933 wurde das Freie Ortskartell von den Nazis als staatsfeindlich eingestuft und aufgelöst, das Vermögen wurde beschlagnahmt und in NS-Organisationen überführt. Peter Baum, Sozialdemokrat, Gewerkschafter und Vorsitzender des Freien Ortskartells, wurde verhaftet und 1944 im KZ Sachsenhausen ermordet. Das Strandbad erlitt durch Fliegerbomben starke Schäden und das Ortskartell konnte sich erst Anfang der 1950er Jahre sein Gelände mit juristischen Mitteln zurückerobern. Erneut mussten die Dünnwalder viel Arbeit investieren. Am 1. Mai 1952 wurde Eröffnung gefeiert – wieder einmal.