Köln früher und heuteAls Stickoxid-Werte auf dem Clevischen Ring noch egal waren
- In unserer PLUS-Serie „Köln früher und heute” zeigen wir jede Woche einen Ort in Köln und erzählen von dessen Geschichte und Gegenwart.
- In dieser Folge geht es um den Clevischen Ring, der einst ein prächtiger Boulevard war – bis die Mülheimer Brücke gebaut wurde
- Die Geschichte meinte es nicht gut mit dem Clevischen Ring. Dem Wiederaufbau in seiner historischen Schönheit kam immer wieder etwas dazwischen.
Wo heute gelegentlich gegen „Autowahn und dicke Luft“ demonstriert wird, dachte vor 100 Jahren noch niemand an Staus und überhöhte Stickoxid-Werte. Der Clevische Ring in Mülheim war ein schmucker Boulevard zum Flanieren, auf den sich nur wenige Autos verirrten.
„Mülheim hat sich zwischen 1910 und 1914 total verschönert“, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings: „Wie ein Mäuschen, das nochmal richtig tanzt, während die Katze schon lauert.“ Die Katze war die Stadt Köln, die die selbstständige und florierende Stadt Mülheim eingemeinden (oder auffressen?) wollte, um mehr Platz für Industriebetriebe zu bekommen und die Steuereinnahmen in die Höhe zu treiben. Doch das stolze Mülheim zierte sich und unterstrich seine Eigenständigkeit lieber durch allerlei Verschönerungen.
Auf alter Bahntrasse
Zu den Investitionen zählten der Stadtgarten, ein neuer Bahnhof, das Jan-Wellem-Denkmal und der Handels- und Schifffahrtsbrunnen auf dem Clevischen Ring von 1913. Wenige Jahre zuvor waren die Gleise der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft abgebaut worden, anstelle der Trasse entstanden der Clevische, der Pfälzische und der Bergische Ring – ein Straßenzug, der heute nicht durch Schönheit, sondern durch seine Verkehrsmassen auffällt.
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Vor 100 Jahren zeichnete sich der Clevische Ring durch ein grünes Band in der Mitte aus, an dessen nördlichem Ende der Handelsbrunnen stand, im Süden der Schifffahrtsbrunnen. Denn Handel und Schifffahrt gehörten seit jeher zu den wichtigsten Standbeinen Mülheims. Das historische Foto zeigt den südlichen Brunnen mit der Schifffahrtsallegorie – einer sitzenden Frau, die sich auf einem Anker abstützt, daneben reiten zwei Männer auf Pferden mit Fischschwänzen und tragen jeweils eine Schale auf dem Kopf. Einige hundert Meter weiter hielt Gott Merkur als Sinnbild für den wirtschaftlichen Erfolg Wache. Das Brunnen-Paar aus Bronze im Stilmix aus Neobarock und Jugendstil stammt von Bildhauer Hans Wilhelm Wildermann.
Das Ende der Idylle
Mit dem Bau der ersten Mülheimer Brücke Ende der 1920er Jahre war es mit der Idylle schlagartig vorbei. Der Schifffahrtsbrunnen musste humorlos der Großbaustelle für die Rheinquerung weichen und kam in ein Depot. Der Handelsbrunnen fand im Zweiten Weltkrieg sein Ende. Vermutet wird, dass er einschmolzen wurde.
Dem Wiederaufbau des Clevischen Rings in seiner historischen Schönheit standen immer wieder die Zeitläufte entgegen. „Als die Brücke fertig ist, kommt zunächst die Wirtschaftskrise“, sagt Ulrich Krings. Danach sorgen das nationalsozialistische Regime und der Zweite Weltkrieg für andere Prioritäten. Und nach dem Krieg hat der beständig wachsende Verkehr Vorfahrt – für einen Brunnen bleibt kein Platz mehr. Die Bronzefiguren des Schifffahrt-Brunnens bleiben 50 Jahre in der Versenkung verschwunden, dann werden sie wiederentdeckt und kehren zumindest in die Nähe ihres ursprünglichen Standorts zurück. Heute stehen sie am Rande des Wiener Platzes. Allerdings nicht als Brunnen, sondern als trockenes Denkmal.