Köln – Ein Kölner Arzt wurde von einem ehemaligen Studenten im Internet als Kinderschänder verleumdet. Der Täter verfolgte den Mediziner, schmierte seine haltlosen Vorwürfe auch an Wände in der Nähe der Praxis und des Wohnhauses. Das Opfer zog weg, ins Kölner Umland. Umso kurioser erscheint es, dass ausgerechnet das Kölner Amtsgericht dem Stalker die neue Adresse des Opfers mitteilte.
Kölner Arzt unschuldig von der Polizei festgenommen
Drei Jahre Gefängnis hatte Richterin Julia Schumacher im Juni vergangenen Jahres gegen den heute 38-jährigen Angeklagten verhängt und damit den Antrag des Staatsanwalts, der Bewährung wollte, weit übertroffen. Der Beschuldigte habe Taten begangen, die dazu geeignet seien, „jemanden komplett fertig zu machen“. Dazu zählte die kurzzeitige Festnahme des unschuldigen Arztes.
Der Angeklagte hatte in der ersten Instanz zugegeben, einen Twitter-Account unter dem Namen des Arztes angelegt und in dessen Namen Missbrauchstaten an jungen Patienten zugegeben zu haben. Doch alles war frei erfunden. Später hatte der Angeschuldigte als Motiv angegeben, der Sohn des Arztes habe seine Freundin vergewaltigen wollen. Ein Vorwurf, der jeder Grundlage entbehrte.
Angeklagter hatte Todesdrohungen ausgesprochen
Im Prozess hatte der Mediziner von Todesängsten berichtet, weder er, noch seine Angehörigen kannten den Angeklagten. Im neuen Prozess vor dem Landgericht muss nun geklärt werden, ob der Täter womöglich in die Psychiatrie eingewiesen werden muss. Allerdings wurde er zuletzt in die Freiheit entlassen, seitdem erscheint der 38-Jährige unauffällig, er hat einen Job in der Gastronomie.
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Nachdem der Angeklagte zum Prozessauftakt schwieg, gab eine Sozialarbeiterin aus der JVA Ossendorf abermals Auskunft über ein Ereignis, als sich der Angeklagte noch in Untersuchungshaft befand. Kurz nach dem harten Urteil des Amtsgerichts habe der Mann sich in Rage geredet und gesagt, solange weiterzumachen, bis der Arzt sich umbringe. Er kenne auch dessen neue Adresse.
Richterin schickt Stalker die neue Adresse des Opfers
Bei dieser Aussage wurde Nebenklage-Anwältin Gudrun Roth hellhörig, zumal ihr Mandant nach der Verleumdung umgezogen war. „Welche Adresse meinte er denn?“, fragte die Anwältin. Das konnte die JVA-Mitarbeiterin nicht sagen. Es müsse sich schon um die neue Anschrift handeln, warf Verteidiger Michael M. Lang ein, denn die stünde ja auf dem Deckblatt des Urteils vom Amtsgericht.
Somit war es Richterin Schumacher, die das Leid des Opfers hervorgehoben, gleichzeitig dem Stalker aber die neue Adresse mitgeteilt hat. Nicht bekannt ist, ob diesem die Anschrift durch eine frühere Akteneinsicht ohnehin bekannt war. „Das ist im konkreten Fall natürlich unglücklich“, erklärt Amtsgerichts-Sprecher Maurits Steinebach. Der Vorgang sei vom System her automatisiert.
Anwältin: Man kann Adressdaten schwärzen lassen
Es gebe aber durchaus Möglichkeiten, so etwas zu verhindern, sagt die bekannte Kölner Opfer-Anwältin Eva Kuhn. Man könne Daten von Opfern in den Akten schwärzen lassen oder Ladungen über die Kanzlei laufen lassen. Dann würde der Nebenkläger als Prozessbeteiligter eben nicht mit seiner Adresse auf Deckblättern auftauchen. Offenbar wurde das im konkreten Fall versäumt.
Der aktuelle Fall vor dem Landgericht wird fortgesetzt. Das Opfer hat bereits signalisiert, diesmal nicht als Zeuge aussagen zu wollen, seine früheren Schilderungen sollen zunächst verlesen werden. Sollte der Vorsitzende Richter Peter Sommer zu der Überzeugung gelangen, dass der Angeklagte sich stabilisiert hat, könnte diesem ein weiterer Zwangsaufenthalt in der Psychiatrie erspart bleiben.