Das Gefährt meldet sich alle 24 Stunden automatisch per Satellitennavigation.
Für den letzten Nutzer des Fahrrads könnte die kuriose Geschichte ernste Folgen haben.
Köln/Kopenhagen – Kopenhagen wird regelmäßig als Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität ausgezeichnet. Dänemarks Metropole gilt zudem seit den 1970er Jahren als leuchtendes Vorbild für eine fahrradfreundliche Stadtplanung. Die Liebe der Einwohner zu Zweirädern muss immens groß sein – vielleicht sogar etwas zu groß.
Anders dürfte es kaum zu erklären sein, dass sich ein Leihrad der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) seit mehr als einer Woche mitten in Kopenhagen befindet – und zwar ausleihbereit.
Das Gefährt mit der Nummer 21250 meldet sich alle 24 Stunden automatisch per Satellitennavigation über seinen eingebauten GPS-Sender bei der Zentrale der Leipziger Firma Nextbike, die das Leihrad-System im Auftrag der KVB betreibt.
Die Suchfunktion auf der Internetseite des Verkehrsunternehmens nennt als Standort die Adresse „Wilders Plads“ in der Nähe des Yachthafens und der Freistadt Christiania. Nextbike ist zwar weltweit tätig, nicht aber in Kopenhagen.
Die Suche nach dem letzten Nutzer
Die KVB und Nextbike haben auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt, dass sich das Fahrrad laut Satellitennavigation tatsächlich in der dänischen Hauptstadt befindet. „Wir haben allerdings bislang noch keinen Mitarbeiter nach Dänemark geschickt, um vor Ort nachzuschauen“, sagt Nextbike-Sprecherin Mareike Rauchhaus.
Wie das Rad nach Kopenhagen gelangen konnte, sei bislang völlig unklar. Nextbike habe mehrfach vergeblich versucht, den letzten Nutzer zu kontaktieren. Seine Identität dürfe man aus Gründen des Datenschutzes nicht preisgeben.
Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben ergeben, dass es sich bei dem letzten Nutzer um einen Mitarbeiter einer Fahrrad-Verleihfirma handelt. Wollte er das Nextbike-System möglicherweise genauer untersuchen, um sich etwas abzuschauen? „Das wäre eine Spekulation, aber es ist durchaus so, dass sich einige Standbesucher unsere Räder bei Messen sehr genau ansehen“, sagt Rauchhaus.
Auch sei es bereits vorgekommen, dass eine Firma das Nextbike-Modell unerlaubt kopiert habe.
Drei Tage gemietet
Der Mann hatte bei seiner Registrierung eine dänische Mobilfunknummer angegeben. Er mietete das KVB-Rad in Köln und benutzte es drei Tage ohne Unterbrechung. Anschließend meldete er es außerhalb der Stadt wieder ab. Dafür buchte ihm Nextbike von seiner Kreditkarte – deren Daten er bei der Anmeldung abgegeben hatte – 27 Euro für die Entleihdauer und weitere zehn Euro für das Abstellen außerhalb des Bediengebiets ab. Danach verliert sich die Spur des Zweirads, bis es sich nach 24 Stunden automatisch aus dem 750 Kilometer entfernten Kopenhagen meldete.
Um das Rätsel des verschleppten KVB-Rads zu lösen, hat sich ein Journalist einer dänischen Tageszeitung in Zusammenarbeit mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor Ort umgesehen. Trotz intensiver Suche konnte er es nicht finden. Da die Satellitennavigation des Leihrads nicht auf den Meter genau funktioniert, könnte es sich theoretisch auch innerhalb eines Gebäudes, eines Hofs oder im angrenzenden Kanal befinden.
Denkbar wäre auch, dass nicht das gesamte Fahrrad nach Kopenhagen gebracht wurde. Möglicherweise wurde nur der Bordcomputer inklusive des GPS-Senders mitgenommen.
Das bislang am weitesten von Köln entfernt aufgefundene KVB-Leihrad entdeckte die Polizei auf einer Autobahn in Bayern. Bei der Kontrolle eines Transporters wurde es zusammen mit anderen gestohlenen Fahrrädern im Laderaum gefunden.
Die kuriose Geschichte aus Kopenhagen kann für den letzten Nutzer des KVB-Rads ernste Folgen haben. „Wir haben in Deutschland Anzeige gegen ihn erstattet“, sagt Nextbike-Sprecherin Mareike Rauchhaus. Das Unternehmen will dennoch weiterhin versuchen, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Erst wenn das gelingt, wird sich klären, ob das Rad 21250 jemals von seiner großen Reise nach Köln zurückkehren wird.