Köln – Mit dem Deal um den Stadtwerke-Chefposten hat die Kölner Politik einen schweren Rückfall in Zeiten erlebt, die man überwunden wähnte. Die Glaubwürdigkeit der Fraktionsspitzen ist schwer beschädigt, vielleicht sogar ganz dahin. Und die Oberbürgermeisterin erschien zeitweise nur als Statistin.
Martin Börschel, SPD
Rücktritt vom Fraktionsvorsitz, Ende der Karriere auf Landesebene, unsichere berufliche Aussichten – der Berufswechselwunsch des einst so mächtigen SPD-Fraktionsvorsitzenden hat nicht nur das schwarz-grüne Ratsbündnis und die OB zu Verlierern gemacht. Auch er hat nichts gewonnen. Wie aktiv er am Plan beteiligt war, ohne Ausschreibung zum Stadtwerke-Geschäftsführer zu werden, ist nach wie vor nicht ganz klar.
Börschel musste zeitweise vier Funktionen unter einen Hut bringen, was gründlich misslungen ist: Job-Interessent, Aufsichtsratschef, Kölns SPD-Fraktionschef und SPD-interner Oppositionsführer auf Landesebene – es hätte ihm klar sein müssen, dass er das nicht unbeschadet überstehen kann. Und noch einen Verlierer lässt er geschwächt zurück: Die SPD-Fraktion im Stadtrat verliert unvorbereitet ihren Politprofi, Vordenker und besten Redner.
Sie war nur Statistin
Henriette Reker, parteilos
Sie sollte aufgrund ihrer Stellung die wichtigste Politikerin der Stadt sein, doch war sie nicht mehr als eine Statistin. Die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker musste erfahren, dass sie unerwünscht ist im inneren Kreis der Entscheider. Dass der Sozialdemokrat Martin Börschel kein gesteigertes Interesse verspürt, sie in seine Zukunftsplanung einzubeziehen, wird sie verschmerzen.
Aber wenn CDU und Grüne, ihre Wahlkampfunterstützer, sie über einen Deal mit schwerwiegenden Folgen bis zum letzten Tag im Ungewissen lassen, zeugt das von mangelndem Respekt gegenüber der höchsten Amtsträgerin Kölns, von politischer Instinktlosigkeit. Kurz, man scheint Reker nicht so recht ernst zu nehmen.
Aber: Durch ihren Einspruch hat Reker einstweilen größeren Schaden verhindern können – so ist sie immerhin die Gewinnerin unter den Verlierern. Ihr Verhältnis zu Bernd Petelkau, zu Kirsten Jahn und zu Jörg Frank dürfte sich rapide abgekühlt haben. Wie sich das auf ihre Überlegungen auswirkt, 2020 für eine zweite Amtszeit zu kandidieren, wird die alleingelassene Oberbürgermeisterin erst einmal für sich selbst klären.
Er beging einen verheerenden Fehler
Bernd Petelkau, CDU
In seiner Amtszeit als Partei- und Fraktionschef ging es für Bernd Petelkau und die CDU bis vor kurzem stetig nach oben. Gestaltende Kraft im Rathaus, die SPD bei der Oberbürgermeisterwahl geschlagen, Erfolge bei der Landtagswahl: So einflussreich waren die Christdemokraten seit langem nicht mehr. Im Bemühen, durch den Wechsel seines Widersachers Martin Börschel zu den Stadtwerken noch mehr Machtfäden in die Hände zu bekommen, beging Petelkau einen verheerenden Fehler.
Er ließ sich auf einen Hinterzimmer-Deal mit Börschel ein, jenem Mann, den seine Fraktion so gerne als Oberklüngler beschimpft. Für welche Gegenleistung auch immer – der CDU-Chef hat damit seinen Anspruch verraten, Politik transparenter zu gestalten. Die Kritik, die sich unter anderem in einer bitterbösen Erklärung und Rücktrittsforderung des ehemaligen CDU-Ratsherrn Konrad Adenauer äußert, dürfte zunehmen. Petelkau wird es schwer haben, verloren gegangene Glaubwürdigkeit zurück zu erlangen. Das erfordert viele Gespräche und jede Menge Zeit. Der Multifunktionär steht vor der schwierigsten Aufgabe seiner politischen Karriere – Ausgang ungewiss.
Sie ist die große Verliererin
Kirsten Jahn, Grüne
Die Fraktionschefin der Grünen ist eine der großen Verliererinnen der Affäre. Sie sei mit falschen Informationen und falschen Fährten getäuscht worden, heißt es. Ihr Problem: Eine Politikerin, die im Zentrum der Macht agiert und die Geschicke der Stadt maßgeblich bestimmen will, darf sich nicht täuschen lassen. Die Parteibasis fragt sich, wie es sein kann, dass eine grüne Spitzenfunktionärin ihr Gefühl für das, was Grüne ertragen können, verlieren konnte. Die Fraktionsspitze habe gegen Grundsätze grüner Politik verstoßen, urteilt man im Parteivorstand. Die Partei werde nun als Teil eines neuen „Klüngel-Kartells“ wahrgenommen.
Hinter den Kulissen fliegen die Fetzen, mit Mühe wurde nach außen wieder ein gemeinsames Auftreten von Partei- und Fraktionsspitze inszeniert – doch das kann den immensen Schaden nicht kaschieren. Ein „erweiterter Delegiertenrat“ wird einberufen, um darüber zu streiten, wie man wieder Glaubwürdigkeit gewinnen kann. Im Gegensatz zu einem Parteitag kann man hier die Medien ausschließen. „Man sieht, wie schnell man in eine große Seifenblase gerät, wenn man an die Macht kommt“, sagt ein führender Grüner. Jahn seien zweieinhalb Jahre nach ihrer Wahl zur Chefin offenbar Bodenhaftung und Bauchgefühl abhanden gekommen. Sie dürfte auch deshalb so angeschlagen sein, weil sie ein selbstkritischer Mensch ist, der eigene Fehler eingestehen kann. Zur Zeit lotet sie aus, wer noch hinter ihr steht.
Er ist angezählt
Jörg Frank, Grüne
Der Fraktionsgeschäftsführer der Ratsfraktion der Grünen galt in den Monaten nach der Wahl von Henriette Reker zur OB als mächtigster Mann der Stadt. Mit jahrzehntelanger Politik-Erfahrung, strategischem Geschick und einem sehr direkten Draht zur Oberbürgermeisterin ging nichts an ihm vorbei. Doch zu viel Macht schürt Misstrauen – nicht nur beim politischen Partner CDU.
Auch in der eigenen Fraktion gibt es seit längerem Widerstand. Bei der jüngsten Wahl bekam Frank nur eine ganz knappe Mehrheit, obwohl es keinen Gegenkandidaten gab. Jetzt ist er mehr als nur angezählt: Frank hat das Besetzungsverfahren ohne Ausschreibung zu Börschels Gunsten mitverabredet. Über sein Motiv kann man nur spekulieren.