Im Januar 2023 hat die Telekom die letzten Telefonzellen in Deutschland abgeschaltet. Ihre Überreste kann man in Köln bis heute besichtigen.
Verwahrlostes KölnDeshalb stehen in Köln so viele abgeschaltete Telefonzellen herum
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Dreckige Telefonzellen in Köln. Fotos von Leser Dieter van Loon zugeschickt.
Copyright: Peter Berger
„So habt ihr Köln noch nie gesehen.“ Mit diesen Plakaten wirbt das Kölnische Stadtmuseum für den Interimsstandort im ehemaligen Modehaus Franz Sauer zwischen der Minoritenkirche, dem Museum Kolumba und der Breite Straße.
Ein freundlicher älterer Herr mit rotem Pullover, Schiebermütze und Schnauzbart – Ähnlichkeiten mit Willy Millowitsch sind durchaus beabsichtigt – streckt den Daumen hoch. Zwischen Stadtwappen und 4711. Mehr Köln geht nicht.
Beschmierte Verteilerkästen
Das Ganze auf einem Verteilerkasten in Ursula-Viertel, der genauso besudelt, beschmiert und beklebt aussieht wie nahezu alle Verteilerkästen, alle Parkscheinautomaten, alle Briefkästen und alle Telefonzellen in der Innenstadt.
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„So habt ihr Köln noch nie gesehen.“
Displays funktionieren teils noch
Stadtgeschichte einmal anders. Wie wäre es mit einer kleinen Führung durch das verwahrloste Köln? Eine solche kann man in der Innenstadt an jedem beliebigen Ort beginnen. Stadtgeschichte einmal anders.
Widmen wir uns dabei schwerpunktmäßig den Telefonzellen und Stelen der Deutschen Telekom, die zwar schon seit Januar 2023 außer Betrieb sind, aber überall in der Innenstadt vor sich hin gammeln. Natürlich völlig verdreckt, mit Aufklebern und Graffiti-Tags versehen. Ja, die gibt es immer noch. Zum Teil baumeln die zerbrochenen Telefonhörer herunter. Bei einigen erscheint auf dem Display noch ein matter Schriftzug neben dem Telefonkarten-Schlitz. „Entschuldigung, zur Zeit gestört“.
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„Entschuldigung, zur Zeit zerstört.“ Display und Tastatur einer Telefonstele am Hansaring. Foto: Peter Berger
Copyright: Peter Berger
Die Zombies des Analog-Zeitalters stehen nahezu alle auf städtischem Grund, an prominenten Stellen in der Fußgängerzone auf der Breite Straße, am Hansaring, am Hohenzollernring, am Quatermarkt, am Neumarkt. Seit zwei Jahren außer Betrieb, und keiner kümmert sich drum.
Im Gegenteil: Die Stadt kassiert pro Standort sogar noch Gebühren für Sondernutzung an öffentlichen Straßen. 12,90 Euro pro Standort und Monat. Weil die Gebühren nicht davon abhängig sind, ob die Telefone noch funktionsfähig sind oder nicht.
Die Standorte werden Schritt für Schritt zurückgebaut
Was ist daran so schwierig, diesen Schrott endlich zu entfernen? Braucht es dazu in einer Millionenstadt das persönliche Einschreiten der Oberbürgermeisterin? Mit Sicherheit nicht.
Es wäre ein simpler Verwaltungsakt, der Telekom Beine zu machen. Aber nein. Die kaputten Telefonzellen sind eine Verwahrlosung mit Ankündigung. Die Telekom hat der Stadtverwaltung Anfang 2023 mitgeteilt, dass es zwei Jahren dauern wird, bis alle Zellen und Stelen verschwunden sind. Wie viele es genau sind, konnte sie vor einem halben Jahr noch nicht sagen. Und die Stadt hat das alles ganz offensichtlich widerspruchslos hingenommen.
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Ein Schandfleck am Ebertplatz neben der kaputten Rolltreppe.
Copyright: Peter Berger
Da ist es weder Ausrede noch Trost, dass in ganz Deutschland noch 12.000 Exemplare herumstehen. Aber warum dauert das alles überhaupt so lange? Nach Darstellung der Telekom liegt das auch an der Bürokratie. „Die Standorte werden Schritt für Schritt zurückgebaut“, sagt eine Firmensprecherin.
Hierbei könne die Firma nicht allein vorgehen, sondern sie sei auf die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Behörden angewiesen. „Vom regionalen Energieversorger über die Bauämter, Baufirmen und Recycling-Unternehmen sind viele Menschen, Firmen und Ämter am Rückbau beteiligt.“
Monate, bis der Strom abgestellt sei
Die Koordination sei aufwendig und werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. So könne es Monate dauern, bis der Energieversorger einen Auftrag zur Stromabstellung umsetze. „Bauämter müssen für jeden Tiefbau eine eigene verkehrsrechtliche Anordnung erstellen, und Baufirmen müssen sowohl die Stromlos-Schaltung als auch die erforderlichen Genehmigungen abwarten.“
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Eine Telefonzelle auf der Breite Straße.
Copyright: Peter Berger
Beim Abbau geht es auch um Tiefbau, da Betonfundamente in den Boden eingelassen sind. Die müssen ausgegraben werden. Dafür benötige man „Aufgrabe- und Absperr-Genehmigungen“.
Beim Tiefbau seien lokale und regionale Besonderheiten zu beachten, in manchen Städten brauche man etwa eine „Bescheinigung zur Kampfmittelfreiheit“ – also den Nachweis, dass keine Fliegerbombe im Untergrund ist.
In anderen Städten dürften die notwendigen Pflasterarbeiten nur von einem Unternehmen durchgeführt werden, das die Stadt vorgegeben habe. Alles in allem sei der Abbau der 12.000 Telestationen „sehr komplex“. Es dauere leider noch „einige Zeit“.
Zombie-Stele am Hohenzollernring
Die Zombie-Stele am Hohenzollernring fügt sich ein in den seit Jahren an der Ecke Limburger Straße aus dem Boden ragenden Stumpf der Nachbildung eines Spannmasten im Jugendstil für die Oberleitungen der Straßenbahn. Jetzt noch einen Müllmenschen von HA Schult zwischen den beiden „Objekten“ platzieren und man könnte dieses Ensemble glatt für ein Kunstwerk halten.
In den 1980er Jahren hatte die Stadt offenbar den Versuch unternommen hat, mit diesen Leuchten ein wenig an den feinen Prachtboulevard zu erinnern, der ab 1881 im Zuge der Stadterweiterung angelegt wurde. Hier stand einst das Stadtpalais. Aber wer erinnert sich schon daran?
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Seit Jahren kaputt: Das Überbleibsel eines Lichtmastes am Hohenzollernring, der einst ein Nachbau der historischen Jugendstil-Spannmasten für die Straßenbahn war.
Copyright: Peter Berger
Über die sogenannten Kunstwerke, zu denen die seit Jahren kaputten Rolltreppen am Ebertplatz als Dauer-Provisorium umgestaltet wurden, müsste man eigentlich kein Wort mehr verlieren. Sie haben längst traurige Berühmtheit erlangt.
Gleichwohl, es geht noch schlimmer. Der Ebertplatz ist unten durch, da können noch so viele Initiativen sich die größte Mühe geben, ihn aufzuhübschen und zum Leben zu erwecken.
Lasst mich in Ruhe. Lohnt sich mehr. Jede Ecke dieses zentralen Kölner Platzes strahlt das aus? Wo sollen Menschen, die guten Willens sind, hier bloß beginnen? Mit dem Abknibbeln Tausender Aufkleber und dem Entfernen Zehntausender Schmierereien?
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Ist das Kunst oder muss das weg? Geht es nach den Plänen der Stadt, wird sich an diesem Zustand am Ebertplatz erstmal nichts ändern.
Copyright: Peter Berger
Das ist ungefähr so effektiv wie das Konfetti nach einem Rosenmontagszug mit Zahnstochern einzeln von der Straße aufzusammeln. Und das unter der Beobachtung der gesamten Drogenhändler-Szene, die über jeden Platzverweis durch die Polizei nur müde lächelt, um ein paar Stunden an jeder Ecke des Platzes herumzulungern, sodass vor allem ältere Menschen ein ungutes Gefühl beschleicht, weil sie sich an beiden Geldautomaten der Stadtsparkasse an der Ecke zum Sudermanplatz ständig beobachtet fühlen.
So wollen wir Köln nie mehr sehen. (mit dpa)