Köln – Joachim Stamp, Familienminister des Landes NRW, hat sich am Mittwoch bei der Eröffnung einer Ausstellung, die sich mit der Geschichte antihomosexueller Gesetzgebung von den Anfängen bis zur Streichung des Paragrafen 175 im Jahr 1994 befasst, bei den Opfern für das erlittene Leid um Vergebung gebeten.
„Der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches hat Existenzen zerstört“, sagte Stamp am Mittwochabend bei der Eröffnung im Landeshaus des Landschaftsverbands Rheinland in Deutz. „Männer sind an der Schmach zugrunde gegangen. Viele mussten ihr ganzes Leben in dem Bewusstsein leben, dass ihre Liebe, ihr Begehren nicht geduldet wird, strafbar ist.
Verfolgt, geächtet, weggesperrt und gedemütigt
Sie wurden verfolgt, geächtet, weggesperrt und auch nach der Abschaffung des Paragrafen 175 zutiefst gedemütigt, da sie jahrzehntelang auf ihre Rehabilitierung warten mussten“, so der FDP-Politiker und stellvertretende Ministerpräsident weiter. Stamp plädierte in dem Zzusammenhang dafür, den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes um das Merkmal sexuelle Identität zu ergänzen.
„Im Namen des Volkes!? § 175 StGB im Wandel der Zeit“ heißt die Schau, die das Centrum Schwule Geschichte Köln (CSG) erarbeitet hat. Anlass ist ein doppeltes Jubiläum: Vor 50 Jahren wurde in der Bundesrepublik der Paragraf 175, der „gleichgeschlechtliche Handlungen“ von Männern unter Strafe stellte und bis 1969 in der verschärften Fassung aus der Nazi-Zeit galt, liberalisiert. Und 1994, also vor 25 Jahren, wurde er komplett abgeschafft.
An rund 40 Stationen dokumentiert die Ausstellung, die vom Land und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gefördert wurde, unter anderem mittels Fotos, Archivunterlagen sowie Film- und Audiodateien die jahrelangen leidvollen Erfahrungen homosexueller Männer und Frauen.
Sie thematisiert die Historie des Paragrafen von den Anfängen im Kaiserreich über die Deportation Tausender Schwuler im Dritten Reich bis zur Streichung und geht zudem weit in die Geschichte der Homophobie zurück, berücksichtigt auch die Diskriminierung lesbischer Frauen und und zeigt auf, welche aktuelle Bedeutung die dargestellte Geschichte für Menschen hat, die in ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer sexuellen Präferenz von der Mehrheitsnorm abweichen.
Scho-Antwerpes: Ausstellung „längst überfällig“
Bürgermeister Elfi Scho-Antwerpes sagte, die Ausstellung sei „längst überfällig“. Zwar sei gerade auch Köln viel erreicht worden, doch die errungenen Freiheiten seien inzwischen wieder stärker bedroht, wie der „Ruck von rechts“ und der zunehmende Hass zeigten. Umso mehr gelte es, am Christopher Street Day nicht nur zu feiern, sondern auch zu demonstrieren. 50 Jahre ist der gegen die Polizei gerichtete Aufstand in der New Yorker Christopher Street her, bei dem sich Homosexuelle in der Bar „Stonewall Inn“ der Verhaftung widersetzten.
Gegen dieses Jubiläum setze die Schau in Köln bewusst einen „Kontrapunkt“, sagte Marcus Velke, Kurator und Vorstandsmitglied des CSG. Schließlich sei in Deutschland die Liberalisierung des Paragrafen 175 für viele Schwule bedeutsamer gewesen als die Vorgänge in New York. Von der Ansprache des Vize-Ministerpräsidenten zeigte er sich beeindruckt: „Ich hätte nicht gedacht, dass unsere Ausstellung zu einer Entschuldigung des Landes Nordrhein-Westfalen führen würde.“
Die Ausstellung ist bis zum 28. Juni montags bis freitags von 7 bis 17 Uhr im Landeshaus des Landschaftsverbands Rheinland, Kennedy-Ufer 2, zu sehen. Vom 5. bis 26. Juli wird sie im Historischen Rathaus gezeigt. Bei Interesse kann sie anschließend kostenlos ausgeliehen werden.