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„Herrin der Ringe“Darum wird die 24-Jährige in Köln immer wieder angesprochen

Lesezeit 3 Minuten
Zewei Kaffee to go: Viola Besemer

Immer mit Reifen unterwegs: Viola Besemer

  1. Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  2. Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Heute trifft sie auf die Zirkuspädagogin Viola Besemer
  3. Die 24-Jährige Stuttgarterin ist in Kölner Grünanlagen die Herrin der Ringe

Köln – Schwaben sprechen alles außer Hochdeutsch, diese Behauptung ist ein Ammenmärchen, wie ich seit meiner Begegnung mit Viola Besemer weiß. Die 24-Jährige spricht so dialektlos, dass ich erstaunt die Augenbrauen lupfe, als sie mir ihren Geburtsort nennt: Stuttgart. Wie ich im Zuge unseres Gesprächs erfahre, musste die Studentin nach dem Abitur allerdings erstmal den Umweg USA nehmen, um ihr Englisch zu perfektionieren und zugleich Hochdeutsch zu lernen, um danach ein akzentfreies Leben in Köln beginnen zu können.

Weshalb ich die junge Frau auf der Straße anspreche, liegt auf der Hand: Ich will wissen, was sie mit den Dingern macht, die wie geschrumpfte Hula-Hoop-Reifen auf ihren Schultern liegen. Sie sei es gewohnt, darauf angesprochen zu werden, sagt sie lachend. Sei es, dass der Mann von der Müllabfuhr „da auch gerne mitmachen“ wolle oder sich die alte Frau an der Fußgängerampel erinnere: „Das konnte ich als Kind auch!" Denn tatsächlich handelt es sich bei dieser in Regenbogenfarben schillernden Viererkonstellation um zwei Reifen, die sich zum besseren Transport verkleinern lassen.

Als Achtjährige ihr Talent entdeckt

Viola ist praktisch niemals ohne unterwegs; denn die Sportstudentin arbeitet freiberuflich als Zirkuspädagogin. Wie lange sie es schafft, die Ringe um die Taille kurven zu lassen, ist deshalb auch die völlig falsche Frage. Das, was man als Training für die Körpermitte kennt, sei „nur einer von 1000 Tricks und spiegelt nicht ansatzweise das, was man mit diesem Stück Plastik tun kann“, erklärt Viola Besemer, die das Ganze eben nicht als Fitness-Disziplin betreibt, sondern als eine Art tänzerische Ausdrucksform im Rahmen von Flow Arts.

Man könne die Reifen direkt am Körper drehen oder davon entfernt; sie fokussiere sich mehr auf Letzteres, die sogenannten Off-Body-Tricks, erzählt die 24-Jährige, die ihr Talent bereits als Achtjährige bei einem Kinderferienprojekt auf einem Stadtteil-Bauernhof in Bad Cannstatt entdeckte. Keine zehn Jahre später trat sie erstmals im Stuttgarter Friedrichsbau Varieté in der Weihnachtsshow „Zimt & Zauber“ auf. Seit sie im Anschluss an ihr Pädagogik-Studium eine Fortbildung im Theaterpädagogischen Zirkus- und Artistenzentrum (ZAK) absolviert hat, gehört sie zum freiberuflichen Team des Kölner Spielezirkus, der natürlich auch von Corona betroffen sei.

Irgendwann gibt sie Workshops im Grünen

Zuletzt habe sie in der Ehrenfelder Helios-Gesamtschule bei einer Zirkus-AG mitgewirkt, ansonsten trainiere sie nahezu täglich im Park, um dann irgendwann, wenn die Pandemie vorbei ist, Workshops im Grünen anbieten zu können.

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Hula Hoop sei etwas, was man unabhängig vom Alter erlernen könne. Wichtig für Einsteiger sei, erstmal mit einem „eher großen und schwereren Reifen“ zu beginnen. „Je leichter der Reifen ist, desto schwieriger ist er zu handhaben.“ In Bewegung bringe man ihn auch nicht, wie vielfach fälschlich angenommen, durch eine Rotation der Hüften, sondern durch eine einfach Vor- und Zurückbewegung aus der Körpermitte heraus, erklärt Viola Besemer und gibt mir eine kleine Demonstration.

Als ich sehe, wie mühelos und spielerisch sie die Ringe handhabt, frage ich, ob Zirkus für sie nie eine Option gewesen sei. Ihre Antwort ist ein Kopfschütteln. Herumreisende Familienunternehmen, wie man sie von früher kenne, sind in ihren Augen eine aussterbende Gattung. „Der letzte große Zirkus ist Roncalli.“ Der Trend gehe eher in Richtung Varieté, Theater oder Burlesque-Show. „Ein Teil von mir wäre gerne Artistin“, sagt die 24-Jährige. „Aber ich möchte in meinem Job nicht so sehr von meinem Körper abhängig sein.“ Zirkuspädagogik sei der perfekte Mittelweg. Und da sie festgestellt habe, dass sie gerne Leuten etwas beibringe, studiere sie derzeit noch an der Sporthochschule auf Lehramt.