Von Liverpool über Kyoto bis Rio: Wie wichtig sind Städtepartnerschaften heute? Wer hält sie am Leben und was kosten sie eigentlich? Ein Überblick.
DiplomatieWie Köln mit Städtepartnerschaften Außenpolitik macht
Ende August besiegelte Henriette Reker die Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Dnipro. Die Stadt Köln pflegt so viele Städtepartnerschaften wie keine andere deutsche Kommune. Aber warum? Welchen Nutzen haben Städtepartnerschaften, die in der Nachkriegszeit entstanden, heute – und für wen? Wie teuer ist das und welche besonderen Freunde hat Köln? Eine Bestandsaufnahme der Kölner Freundschaften.
Wie viele Partnerstädte hat Köln?
Die Stadt Köln pflegt 23 Städtepartnerschaften auf fast allen Kontinenten. Dazu kommen zwei innerdeutsche Freundschaften und sechs „Partnerschaften durch Eingemeindung“. Für Kai Pfundheller, der in der „Auslandsgesellschaft.de“ die Völkerverständigung fördert, steht fest: „Köln spielt Champions League, was die Außenpolitik anbelangt.“
Wie funktionieren Städtepartnerschaften?
Partnerschaften bieten Städteverwaltungen eine Plattform, um in den Dialog zu kommen. Bei Treffen von Bürgermeistern können etwa Schüleraustausche oder wirtschaftliche Geschäfte gefördert werden. So tauschen sich etwa Fachbereiche über Klimaschutzmaßnahmen oder queere Themen und das Ordnungsamt mit Kollegen aus Partnerstädten aus.
Abseits solcher offiziellen Treffen besuchen auch Bürger regelmäßig die Partnerstädte. Diese Austausche werden von designierten Partnerschaftsvereinen gefördert und mit den Städten organisiert. Der Cologne Alliance unterstützt die Vereine. Dem Dachverband zufolge engagieren sich etwa 2500 Kölnerinnen und Kölner in den einzelnen Vereinen.
Wie viel kosten Städtepartnerschaften?
Die Stadtverwaltung wendet für diese Form der Außenpolitik rund 390.000 Euro auf, ließ eine Sprecherin auf Anfrage wissen. Zusätzlich akquiriere man für Partnerstädte Bethlehem, Corinto, Rio, Tunis und Dnipro „beträchtliche Drittmittel“. Laut Cologne Alliance bezieht der Dachverband zudem projektbezogene Mittel vom Land und nimmt über Werbeeinnahmen ein.
Warum gibt es Städtepartnerschaften?
Die Idee entstand in der Nachkriegszeit und diente der Völkerverständigung. Pfundheller sagt: „Bis in die 80er-Jahre hinein war das Ziel, Frieden zu stiften.“ In dieser Zeit baute Köln 18 der heute 23 Partnerschaften auf. Viele von ihnen liegen in Europa.
Im Zuge der Globalisierung kamen Partner mit konkreten inhaltlichen Problemen hinzu, erklärt Pfundheller, denn europäische Städte standen vor derselben wirtschaftlichen Transformation. Zum Beispiel im Braunkohlerevier: „Die Städte aus dem Ruhrgebiet konnten nach England gehen und sich angucken, wie der Strukturwandel funktioniert. Die britischen Partnerschaften haben enorm geholfen.“
Die Stadt Köln nennt Städtepartnerschaften den „Motor für gegenseitigen Austausch“, heißt es auf Anfrage. Sie erlaubten Köln „diplomatisch zu agieren und einen kommunalen Beitrag zu Verständigung, Förderung von Demokratie und Frieden, Menschenrechten und Klimaschutz zu leisten“. Der Abschluss der Partnerschaft mit Dnipro zeige, dass es noch heute ein wichtiges Instrument der internationalen Verständigung sei.
Warum werden Städtepartnerschaften kritisiert?
Kritiker bemängeln, dass in einer Zeit von Internet und Billigfliegern das Konzept veraltet sei. Städtepartnerschaften seien oft rein symbolisch. Bundesweit geraten immer wieder Kommunen in die Kritik, wenn ihre Partnerstädte oder die dortigen Länder öffentlich etwa Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
Auch in Köln wurden in der Vergangenheit die Beziehungen zu Ländern mit autokratischen Regierungen – Russland, China und die Türkei – kritisiert. Die Partnerschaft mit Wolgograd wurde wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf Eis gelegt. Experte Kai Pfundheller sieht in einer kommunalen Außenpolitik Räume, um die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken: „Wenn es zwei Vereine gibt, die Schach oder Handball spielen, warum soll die Partnerschaft nicht gelebt werden?“
Welchen Nutzen haben Städtepartnerschaften?
Claudia Burger ist die stellvertretende Vorsitzende der Cologne Alliance und Witwe des ehemaligen OBs Norbert Burger, in dessen Amtszeit von 1980 bis 1999 zehn Partnerschaften abgeschlossen wurden. Sie wirbt für Reisen mit dem Partnerschaftsverein, an denen alle Kölnerinnen und Kölner teilnehmen können: „Eine Reise, die mit der Partnerstadt organisiert wurde, wo man von dem Bürgermeister begrüßt wird, ist etwas anderes, als mit TUI zu fahren.“
Die Vereine helfen auch in Not aus. So half etwa der Verein der Partnerstadt Wolgograd russischen Dissidenten, eine Wohnung in Köln zu finden, erzählt Burger. Für Pfundheller sind Städtepartnerschaften das langlebigste und kontinuierlichste Instrument, um „Internationalität im Kleinen zu leben“.
Städtische Initiativen tragen auch symbolisch Früchte. Die Stadt Köln lädt jährlich queere Aktivisten aus Partnerstädten zum Vernetzungstreffen „Sister Cities Exchange“ ein. In Solidarität mit queeren Menschen hielt Kölns Bürgermeister Andreas Wolter im September die Eröffnungsrede der CSD-Kundgebung in der polnischen Partnerstadt Kattowitz.
Deutsche Städtepartnerschaften machten auch in ihrer Gesamtheit einen Unterschied, sagt Pfundheller: „Die deutsch-französischen Beziehungen hätten auf Bundesebene natürlich nicht die große Power, wenn es nicht mehr 1500 Städtepartnerschaften zwischen den Ländern gäbe.“
Was wird die 24. Partnerstadt?
Ob OB Reker nach Dnipro eine zweite Städtepartnerschaft besiegelt, ist fraglich. Einen SPD-Antrag, eine Partnerschaft mit einer schottischen Stadt zu prüfen, hatte der Ausschuss für Internationales zuletzt abgelehnt. An Anfragen mangelt es nicht: Laut Stadt kamen die letzten Anfragen aus Argentinien, Peru, Italien und Brasilien. Claudia Burger verrät, dass bei der Cologne Alliance das jüngste Gesuch aus Havanna einging.